Nur, mal ganz vorsichtig nachgefragt, du gehst also davon aus, daß die Katze sich völlig losgelöst vom Beobachter in einem der beiden endgültigen Zustände in der Box befindet und er bei Öffnen nur die Bestätigung für einen dieser Zustände erhält. Es gibt also gar keine Überlagerung von Zuständen, sondern dieser Begriff ist lediglich das Mittel der Wahl, um es halt irgendwie zu umschreiben. Sehe ich das richtig?
Nein, das siehst Du nicht richtig. Fakt ist: Ich habe keine Ahnung, was da wahr ist; ob die Katze sich nun in einer QM-Superposition befindet oder ob sie in Wirklichkeit ständig in einem der wohldefinierten Zustände ist. Wir beißen uns seit Jahren die Zähne an einer eleganten Deutung der QM aus, denn wir haben keine Ahnung, was diese "Wellenfunktion", mit der gerechnet wird, eigentlich genau ist. Wir wissen nur, wie man sie aufstellt, und wie man mit ihr Wahrscheinlichkeiten berechnen kann.
Diese Wahrscheinlichkeiten hängen aber in keinster Weise mit dem Bewusstsein des Beobachters zusammen, wie ich versucht habe zu zeigen. Ein positiv denkender Mensch wird
laut QM nicht mehr lebende Katzen aus den Boxen ziehen als ein negativ denkender Mensch. Darum kritisiere ich die Aussage: "Die QM lehrt, dass Bewusstsein Realität steuert." (und den Film/das Buch "Bleep", die das die ganze Zeit gebetsmühlenartig falsch daherbeten).
Zurück zum Zustand der Katze: Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, wie es wirklich ist. Für Messungen ist es aber auch egal, denn für die ist per definitionem nur die Wahrscheinlichkeit des Messprozesses notwendig (die nicht von den Gedanken des Messenden abhängt).
Mir fallen 4 Deutungen der QM ein:
- Die Kopenhagener Deutung (Kollaps der Wellenfunktion)
- Mehrwelt-Theorie (Je nach Ausgang finden wir uns in verschiedenen Realitäten, die sich bei Entscheidungsprozessen aufspalten)
- Versteckte Variablen (wir kennen nicht alle Faktoren, die den Ausgang bestimmen)
- Ensemble-Deutung (wir wissen nicht, was es ist, aber, was wir damit ausrechnen können)
Wie man unschwer erkennen kann, bin ich ein Anhänger der Ensemble-Deutung. Sie ist nicht direkt eine Deutung und hat etwas von "Halt's Maul und rechne!". Aber sie ist die einzige, die wirklich sagt, was wir wissen und was wir nicht wissen. Denn, was wir nicht nachprüfen können, darüber können wir keine Aussagen machen. Und den Zustand der Katze in der Box können wir nicht nachprüfen, ohne zu messen. Und die Wellenfunktion können wir nicht beobachten ohne zu messen, müssten wir aber, wenn wir über sie Aussagen machen wollen.
Es gibt ja den österreicher Physiker Anton Zeilinger, der sehr intensiv sich mit den Deutungen der QM beschäftigt. Soweit ich weiß, ist er Anhänger der Kopenhagener Deutung. Und, so wie ich ihn einschätze, wird er sehr gute Gründe dafür haben (ich habe mal ein paar sehr gute Vorträge von ihm gehört). Vielleicht reicht sein Sachverstand und seine Phantasie mehr dafür aus, irgendwann mal die eine Deutung der anderen wirklich vorzuziehen.
Dann verrate mir doch von was genau es deiner Meinung nach abhängt, ob sich die Katze vorher bereits in einem der endgültigen Zustände befindet (tot oder lebend). (Sicher wirst du jetzt auf Gutgenährtheit usw. eingehen ....

)
Mit so billigen Ausreden rede ich mich nicht raus, wenn ich wieder sagen muss: Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Ich weiß nur, wovon es laut QM nicht abhängt. Laut QM spielen die Gedanken des Kistenöffners, wer die Kiste öffnet, ja sogar ob derjenige, der die Kiste öffnet ein Bewusstsein hat, gar keine Rolle. Vielleicht ist die QM das einzige, was man wirklich Zufall nennen könnte; d.h. Ereignisse ohne wirklich triggernde Ursache. Oder es gibt so etwas wie ein "übergeordnetes Bewusstsein", was alles steuert (z.B. im Pantheismus)... dieses Bewusstsein wäre aber sowas wie eine "versteckte Variable". Und die Theorie der versteckten Variablen ist in misskredit geraten (Stichwort Bell-Ungleichungen).
Und die zweite viel wichtigere Frage: Über was diskutieren dann all jene, die wir weiter oben erwähnt haben, wenn es um den Zusammenbruch der Wellenfunktionen durch Beobachtung, also um den Kollaps der Welle zum Teilchen, geht?
Eben über die Wellenfunktion. Ein mathematisches Konstrukt, von dem wir nicht genau wissen, was sie genau beschreibt, mit dem wir aber rechnen können, und aus dem wir richtige Vorhersagen ableiten können.
Viele Grüße
Joey