Mipa's Thread

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Die Burg
Nochmals ein Spaziergang, fast in den Frühling hinein, nur in Strickjacke. Ein weiterer Lieblingsort auf einer Anhöhe, ganz im Zeichen einer Mittelalterburg, die mit zwei Türmchen das gleichnamige Dörfchen kaum überragt. Ich kenne die Burg gut, mit dem wunderschönen Waffensaal. Im Dachstuhl können sich die Kids aus alten Truhen mit Kleidung versorgen und für einmal herrlich Burgfräulein spielen. Ich liebe lange Kleider und so war ich früher auch immer versucht, mich zusammen mit den Kindern zu verkleiden. Ich mag die liebevoll restaurierten Kammern und den grossen Saal, die kunstvollen Decken und Gemälde, den Geruch von alten Steinen, die lange Geschichten erzählen und wo man augenblicklich in eine fremde und altmodische Welt versinkt. Die Ritter in Rüstungen schienen mir immer zuzuzwinkern und so fühlte ich mich stets wie im Märchen, wenn ich im tiefer gelegenen Labyrinth aus Gängen und Zimmern nach dem Weg suchte und mich hie und da dabei ertappte, verstohlen nach einem Schlossgespenst Ausschau zu halten.
Heute spazierten wir auf eine nahe Anhöhe, von der man einen schönen Ausblick auf die Churfirsten und den Pfäffikersee hatte. Das Licht war milchig, sodass es kaum möglich war, Fotos mit schönen Konturen zu schiessen. Gegen Abend frischte der Wind auf und kündigte den Wetterwechsel an, es soll nochmals etwas Winter werden. Im weissen Winterkleid wäre die Burg dann noch schöner, weil dadurch eine reizvolle Symbiose zwischen den schroffen und abweisenden Gemäuern und ihrer weissen und weichen Hülle entstünde.:zauberer2
 
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S’Toggi
Es ist nicht mondän und hier tummeln sich auch nicht die Reichen und Schönen aus aller Welt und doch ist es für mich die schönste Gegend der Schweiz, um Ski zu laufen. Hier ist es ein wenig so, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Ich war hier schon als kleines Mädchen und später im Klassenlager. Wir mussten Alpaufzüge malen und Zwinglis Geburtshaus besuchen. Als teenie war ich mit Freundinnen hier in den Ferien und wir bewanderten die Gegend und mit den Eltern war ich oft auf dem Säntis, der neben den Churfirsten die Szenerie beherrscht. Die Churfirsten sehe ich auch von zu Hause in weiter Entfernung, oft klar und scharf, oft im Dunst. So hab ich ein wenig vom Toggi immer bei mir. Es ist ein Stück Zuhause und verbindet meine Lebensetappen miteinander. Am Schönsten ist es am frühen Abend, wenn man mit den Brettern vom höchsten Punkt ins Tal fährt. Den Säntis im Blick, liegen die kleinen Bauernhäuser unten im Tal wie zufällig hingeworfen im Schnee, oft schon beleuchtet, was das Herz erwärmt, während sich der Sonnenuntergang schon in leisen Farben ankündigt und die Bergwelt in sein weiches Licht taucht. Hier stehen nicht die höchsten Berge, dafür ist es urchig und gemütlich. Der Blick nach unten ist überwältigend, während der Schnee unter den Brettern oft schon sulzig ist. Irgendwo hört man Kuhglocken, dort rennt ein Schäferhund vom nahen Bauernhof durch den Schnee, die letzte Kurve, dann bin ich unten.
Und nein, während ich das schreibe, vergesse ich keinen einzigen Moment den tragischen Todesfall eines Jugendlichen vor wenigen Tagen, der in einem anderen Skigebiet, im tödlichen Weiss, sein Leben verlor. Es ist ein Schreiben gegen den Schmerz, den ich mitfühle, etwas, was als Gegengewicht dienen soll und doch vom ersten Wort an verloren hat.
 
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Trostspender
Es war ein schwieriger Morgen, der mich aufwühlte, wütend und dann auch traurig machte. Kaum einer ahnte etwas, nur eine Kollegin, die die Tränen sah. Keiner ist gestorben, keine Katastrophe hatte sich ereignet. Es waren nur Erinnerungen, die mich in einer schwierigen Situation überkamen, die mich überwältigten und mich schwach und schutzlos zurückliessen. Ich ärgerte mich einmal mehr über mich selber und meine Dünnhäutigkeit und zog mich über Mittag zurück. Als ich das neue Café betrat, blickte ich auf den grossen Bildschirm, in dem ein Feuer prasselte. Obwohl künstlich, verbreitete es sofort Wärme und Ruhe in mir, zwei Dinge, die ich gerade brauchte. Mein Inneres kam wieder ins Gleichgewicht. Ich konnte die Erinnerung annehmen, sie aber auf den Platz verweisen, der ihr gebührte - den in der Vergangenheit. Ich differenzierte, sortierte und ergänzte gedanklich und das Erlebnis verlor dadurch an Schärfe, ohne dass ich meine Gefühle dabei abwertete. Das Feuer prasselte weiter stumm vor sich hin.
Wieder einmal ist Schreiben wie Auf- und Durchatmen.
 
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