Energeia
Sehr aktives Mitglied
Das ist ein ganz bemerkenswerter Punkt. Ein guter Therapeut trifft gelegentlich ins Schwarze - und das tut dann meist weh. Da ist die Eigeninitiative gefragt - bin ich jetzt bereit, ehrlich hinzuschauen oder nicht. Die Befreiung, die man erlebt, wenn man sich auf diesen Schmerz einläßt, ist dann unbezahlbar. Das ist dann das, was wiederum auf die Ebene der Meditation zurückwirkt, so habe ich das bis jetzt erlebt.
Es läuft wohl darauf hinaus, ob man wirklich bereit ist, sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Ja, so sehe ich das auch. Da kommen wir auch wieder auf den Punkt zurück, warum ein ANDERER (Therapeut) eben auch dort hilfreich sein kann, wo man alleine vielleicht nicht weiter kommt: er kann auf blinde Flecken in unserer Perspektive aufmerksam machen, die wir selbst nicht aufdecken würden und auch nicht sehen.
Es gibt aber zwei Seiten:
Wenn ich das richtig sehe, dann hängt der ERfolg der Therapie AN DIESEM Punkt unter anderem von ZWEI Faktoren ab. Einerseits ist es wichtig, dass derjenige, der die Therapie beginnt, ein Minimum an Vertrauen aufbringen kann. Andererseits ist es wichtig, dass er zu sich selbst - zumindest manchmal - sehr viel Distanz einnehmen kann.
Wenn ich dem anderen nicht vertraue, weil ich von meinen Eltern immer wieder verletzt wurde und mich darum in mich zurückzog und meinem Ego die Kontrolle überließ, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich auch dem Therapeuten nicht vertraue: und dann fühle mich "DURCH IHN" verletzt.
Wenn das nicht gegeben ist, dann kann es immer noch helfen, dass derjenige, der die Therapie beginnt, sich, wenn er sich wieder besonders unlieb durch den Therapeuten behandelt sieht, sehr viel Distanz zu sich einnehmen kann und sich fragen kann, ob es nicht THEORETISCH sein könnte, dass er selbst projiziert, dass er auf jeden Fall jetzt die Therapie nicht abbrechen sollte, sondern weitersehen sollte, wie es sich entwickelt, auch wenn es gegenwärtig unerträglich erscheint. Das kann dann dazu führen, dass sich langsam ein Vertrauensverhältnis aufbaut.
Wenn es jedoch weder möglich ist, dass er zumindest ein klein wenig vertraut oder zu sich selbst, wenn er sich verletzt fühlt, Distanz einnehmen kann, dann wird die Therapie beim ersten "erlebten Crash" abgebrochen - so mein Eindruck.
Das thematisiert allerdings nur die Seite des Therapierten. Ich glaube auch, wie ich das zuvor verdeutlicht habe, dass die Rolle des Therapeuten bei diesem Prozess sehr entscheidend ist. Wenn der Therapeut wirklich spirituell fortgeschritten und innerlich heil und liebevoll ist, dann kann er ganz anders auf den Therapierten eingehen, als wenn er sich lediglich an die formalen Therapie-Regeln hält. Unter Umständen kann die Therapie, wie Opti das ähnlich oben angedeutet hat, nur darauf hinauslaufen, dass ein Mensch wieder "einsatzfähig" gemacht wird, und wenn er die Therapie abbricht, weil der Therapeut ihm nicht liebevoll genug begegnen kann, dann rauscht die kapitalistisch-demokratische Gesellschaft über ihn hinweg.
Beide, sowohl der Therapeut als auch der Nicht-Therapeut sind Angehörige dieser GEsellschaft, wurden in dieser Gesellschaft sozialisiert, sitzen in einem Boot, stehen auf einer sozialen Evolutionsstufe. Therapeuten sind keine weisen Heiler und Therapiebedürftige sind aus meiner Sicht keine "kranken, bösen" Menschen, sondern Menschen, die von anderen verletzten Menschen verletzt wurden. Die Menschheit scheint sich im Prozess der sozialen Evolution nur ganz langsam selbst zu heilen und viele wehren sich dagegen. Aber gerade dieses Wehren scheint auch eine Funktion für die Evolution zu haben: Was würden wir tun, wenn morgen alle nicht mehr zur Arbeit gingen und sich krankmelden und eine Therapie beantragen würden? Die Gesellschaft steht paradoxerweise auf den Schultern von verletzten Menschen, die sich zum Teil nicht als verletzte Menschen begreifen wollen und ihren Sinn in der Arbeit und im Konsum suchen. Das ist einfach eine gewachsene Gesellschaftsstruktur und auf ihr steht (fast) alles. UR-Vertrauen heißt aber, so scheint es mir, all dies zu sehen und dennoch daran glauben, dass all das einen Sinn hat
Liebe Grüße,
Energeia