Meditation und Psychotherapie

Merci, Anatol :)

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Hallo nochmals,

ich habe mir nach dem Rückblick jetzt noch einmal systematische Gedanken über die bisherigen Beiträge gemacht.


A. Verhältnis Psychotherapie und Meditation

Allgemein betrachtet könnten hier 3 Positionen unterschieden werden:
1. Psychotherapie führt nicht zur Heilung, weder zur absoluten noch zur relativen, schrittweisen. Einzig Meditation führt zur Heilung.
2. Psychotherapie und Heilung können sich gegenseitig unterstützen und zielen auch generell auf unterschiedliche Prozesse.
3. Meditation führt nicht zur Heilung, sondern lediglich zu einer Beruhigung. Alleine Psychotherapie kann Heilung bewirken.

Interessanterweise wurden bisher nur die Positionen 1. und 2. in unterschiedlichen Kombinationen vertreten.

B. Verhältnis von Psychotherapeut und Klient/Patient

1. Der Psychotherapeut kann dem Klienten helfen, kann ihn aus seinen Problemen herausziehen, kann ihm alle Last abnehmen.
2. Der Psychotherapeut kann den Klienten unterstützen und teilweise Leistungen vollbringen, die dem Klienten in seinem Heilungsprozess helfen, der Klient muss jedoch gerade auf der Ebene der Selbsterkenntnis selbst aktiv sein.
3. Zwischen Psychotherapeut und Klient (Interaktion) entsteht eine soziale Sphäre aufgrund von Leistungen des Klienten und des Psychotherapeuten, die dem Klienten in seinem Prozess hilfreich ist.
4. Der Psychotherapeut ist eher eine Art Gesprächspartner, der eigentlich nicht helfen, sondern nur begleiten kann. Letztlich muss der Klient seinen eigenen Weg gehen und sich ganz alleine selbst heilen.

Es wurden hier die Positionen 2-4 vertreten. Niemand nahm an, dass ein Psychotherapeut vollkommen helfen und der Klient in einer passiven Rolle bleiben könne.

C. Verhältnis von Psychotherapeut und Gesellschaft: Psychotherapeut als Mensch.

1. Der Psychotherapeut ist ein vollkommen gesunder Mensch. Der Klient ist ein kranker Mensch.
2. Der Psychotherapeut ist in der Regel ein Mensch, der wie alle anderen Menschen auch Probleme hat, jedoch konnte er sich aufgrund von gesellschaftlichen Prozessen (Erziehung, Therapie, Meditation, etc.) so sehr selbst heilen bzw. seine Probleme lösen, dass er den Klienten anhand von Techniken und seiner friedlichen Präsenz unterstützen kann.
3. Der Psychotherapeut hat genau die gleichen Probleme wie die Klienten, wurde also in seiner Sozialisation genauso verletzt und konnte sich bisher nicht selbst helfen, und unterscheidet sich überhaupt nicht von den Klienten. Daher kann er den Klienten auch nur sehr eingeschränkt unterstützen.

Es wurde hier vor allem die Position 2, und vereinzelt auch die Position 3 vertreten.

Liebe Grüße,
Energeia
 
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Hallo zusammen,

ich kenne mich zwar weder groß mit Psychotherapie noch mit Meditation aus, aber jetzt kann ich mal doch nicht widerstehen, hier etwas zu schreiben:

Allgemein betrachtet könnten hier 3 Positionen unterschieden werden:
1. Psychotherapie führt nicht zur Heilung, weder zur absoluten noch zur relativen, schrittweisen. Einzig Meditation führt zur Heilung.
2. Psychotherapie und Heilung können sich gegenseitig unterstützen und zielen auch generell auf unterschiedliche Prozesse.
3. Meditation führt nicht zur Heilung, sondern lediglich zu einer Beruhigung. Alleine Psychotherapie kann Heilung bewirken.

Interessanterweise wurden bisher nur die Positionen 1. und 2. in unterschiedlichen Kombinationen vertreten.

Diese 3. Position will ich hier mal kurz vertreten:

Psychische Störungen können durch falsche Gedankenmuster zustande kommen, durch Gedankenabläufe, die realitätsfremd sind, aber dem Betroffenen plausibel, ja sogar oftmals als einzige Möglichkeit erscheinen. In einer Meditation ist man mit sich alleine (zumindest in den Meditationsformen, die ich kenne). Ungesunde Gedankenmuster werden damit nicht unbedingt durchbrochen. Erst im Gespräch mit anderen Menschen - wenn man auch gewillt ist, an sich zu arbeiten, und die Meinung dieser anderen Menschen ernst zu nehmen - ist es möglich die festgefahrenen Gedankenmuster zu durchbrechen.

Ein Psychotherapeut ist geschult darin, ungesunde Gedankenmuster zu erkennen und seinen Patienten sachte in die richtige Richtung zu lenken... Alternativen zu den festgefahrenen falschen Mustern aufzuzeigen.

Ein Beispiel:

Jemand sitzt im vollen Bus am Fenster. Neben ihm sitzt noch eine andere Person. An einer Haltestelle steigen viele Fahrgäste aus, so dass auch sehr viele Doppelsitze frei werden. Der Sitznachbar setzt sich nun um auf einen nun freien Fensterplatz.

Die erste Person macht sich nun folgende paranoide Gedanken: "Oh, der mag mich nicht. Warum setzt er sich sonst um? Was habe ich nur an mir, dass er nicht neben mir sitzen will? Die Welt ist ungerecht; niemand sieht meine inneren Werte, und niemand will mich kennen lernen."

Würden diese Gedankenmuster in einer Meditation aufgelöst werden? In z.B. Autogenem Training (was ich ab und zu praktiziere) wohl nicht. Erst, wenn der Betroffene mit anderen Menschen darüber spricht, und Therapeuten sind prädesteniert dazu, werden ihm die Alternativen zu diesem Gedankengang bewusst: Es gibt so viele Gründe, warum man sich in einem Bus umsetzt, und nur wenige haben mit dem Sitznachbarn zu tun. Viele Menschen sitzen gerne am Fenster... etc. Und selbst wenn es mit dem Nachbarn zu tun haben sollte, so kann diesem das egal sein; es ist und bleibt ein fremder Mensch, dessen Urteil keinerlei Einfluss auf das eigene Wohlergehen hat; es ist ein fremder Mensch und nicht z.B. der eigene Vater.

Viele Grüße
Joey
 
Hallo zusammen,

Psychische Störungen können durch falsche Gedankenmuster zustande kommen, durch Gedankenabläufe, die realitätsfremd sind, aber dem Betroffenen plausibel, ja sogar oftmals als einzige Möglichkeit erscheinen. In einer Meditation ist man mit sich alleine (zumindest in den Meditationsformen, die ich kenne). Ungesunde Gedankenmuster werden damit nicht unbedingt durchbrochen. Erst im Gespräch mit anderen Menschen - wenn man auch gewillt ist, an sich zu arbeiten, und die Meinung dieser anderen Menschen ernst zu nehmen - ist es möglich die festgefahrenen Gedankenmuster zu durchbrechen.
Ein Psychotherapeut ist geschult darin, ungesunde Gedankenmuster zu erkennen und seinen Patienten sachte in die richtige Richtung zu lenken... Alternativen zu den festgefahrenen falschen Mustern aufzuzeigen.

Ein Beispiel:
Jemand sitzt im vollen Bus am Fenster. Neben ihm sitzt noch eine andere Person. An einer Haltestelle steigen viele Fahrgäste aus, so dass auch sehr viele Doppelsitze frei werden. Der Sitznachbar setzt sich nun um auf einen nun freien Fensterplatz.
Die erste Person macht sich nun folgende paranoide Gedanken: "Oh, der mag mich nicht. Warum setzt er sich sonst um? Was habe ich nur an mir, dass er nicht neben mir sitzen will? Die Welt ist ungerecht; niemand sieht meine inneren Werte, und niemand will mich kennen lernen."
Würden diese Gedankenmuster in einer Meditation aufgelöst werden?

Hallo Joey,

würden diese Gedankenmuster in der Meditation aufgelöst werden? Zunächst muss man ganz klar sagen, dass zahlreiche meditative Richtungen beanspruchen, genau das Problem zu lösen, das du hier beschreibst. Wenn man beispielsweise Eckhardt Tolles Schriften betrachtet, dann stellt er auch schon das Grundproblem in der gleichen Terminologie, wie du das hier vornimmst: in der Sprache einer kognitiven Psychologie. Probleme bestehen demnach aufgrund von Gedanken, weshalb es notwendig ist, von diesen Gedanken Abstand zu nehmen und sie loszulassen.
Es gibt ja Meditationstechniken (z.B. Meditation auf den Atem, Meditation auf den Leib, Meditation in die Stille, etc.), die genau dieses Ziel verfolgen: bestimmte Bewusstseinsprozesse zu beobachten, eventuelle Gedankenmuster zu erkennen und sich nicht mit ihnen zu identifizieren.

Meiner Ansicht nach ist dies jedoch empirisch nicht immer möglich. Es gibt Bedingungen (Neurosen, Traumata, bestimmte Über-Ich-Strukturen, etc.), welche die Rigidität (Festigkeit) der Gedankenmuster beeinflussen. Es ist empirisch also durchaus möglich, dass sich durch die Meditation bei einem Menschen bestimmte Muster noch verstärken, z.B. kann die Identifizierung mit Gedanken, die Angst auslösen, oder Gedanken des Größenselbst (Ich bin unendlich toll) oder Gedanken der Strenge mit sich selbst (Ich muss das alleine schaffen) zunehmen, so dass die einkehrende Stille nicht wirklich die rigiden Muster, sondern nur die Oberflächliche Phänomen- und Wörterbildung auflöst.
Aber auch dann, wenn die Meditation wirklich zu einer Beruhigung führt, wenn sie tiefe Gedanken und Erlebnismuster bewusst macht, dann könnte eine Psychotherapie immer noch effektiver sein.

Sicherlich ist jedoch die Hilfestellung des Therapeuten, der auf Gedankenmuster aufmerksam macht, der auch einfach als Zuhörer für Probleme da ist, der hilft, innere Konflikte ohne Streit zwischen Therapeut und Klient zu lösen, wertvoll. Andererseits stellt sich natürlich dann auch die Frage, inwiefern, wenn der Therapeut das Denkmuster erkennt und der Klient die Deutung akzeptiert, das Gedankenmuster sich auflöst. Die Erkenntnis von Problemen und Gedankenmuster führt ja nicht unweigerlich zur Auflösung des Erkannten. Wissen und Erfahrung müssen nicht eins sein, so dass sich eventuell nur die Erfahrung einstellt, dass ich das Problem, auf das mich der Therapeut hingewiesen hat, beobachten, es aber nicht beseitigen kann.
Das gleiche gilt wiederum auch für die Meditation.
Die Frage ist dann an diesem Punkt, inwiefern rein kognitive Ansätze zur Therapie und kognitive Modelle zur Erklärung ausreichen.

Meiner Ansicht nach ist Meditation immer sinnvoll, jedoch mit unterschiedlichen Funktionen. Zu Beginn, wenn die Muster so stark sind, dass sie die Welt eines Menschen vollkommen konstituieren und die anderen, die dies kritisieren, stets wie Lügner, Verleugner etc. erscheinen, dann gibt es wohl gar keinen anderen Weg als Therapie oder es bedarf sehr viel Leidensdruck, dass derjenige irgendwie an seiner Welt- und Selbstkonstruktion zu zweifeln beginnt. Die Meditation hat hier vor allem die Aufgabe, zu beruhigen, so dass die Erlebnisse nicht zu intensiv sind und auch nicht so zu schnell zu starke Konflikte in der Therapie entstehen, die letztlich zum Therapieabbruch führen können.
Irgendwann ist dann ein Stadium erreicht, so dass die Meditation immer mehr die Funktion der Therapie übernehmen kann. Meine These ist, dass sich ab diesem Zeitpunkt immer mehr ein tiefer Bezug zur Spiritualität entwickelt. Das setzt aber voraus, dass der Mensch gelernt hat, für seine eigenen Emotionen, für sein Leben, für seinen Unterhalt Verantwortung zu übernehmen, dass er also die Schuld für Vorgänge nicht mehr bei anderen, bei den Eltern oder der Gesellschaft sucht und dies auch nicht nur „wissentlich“, sondern aus der Tiefe seines Selbst heraus. Dann entwickelt sich wirkliches Mitgefühl, Liebe, Offenheit und ein stabiles Selbstwertgefühl. Und hier kann Meditation dann sehr viel bewirken: eine Offenheit und Liebe für die Natur, für die Tiere für alle Menschen, nicht als Konstruktionen oder Ideale, sondern eine Offenheit aus dem Selbst heraus, als WIRKLICHE, GELEBTE Offenheit.

Die Gefahr besteht jedoch immer, dass man sich zu diesem Punkt hinprojiziert, sich im Gefängnis der rigiden Konstruktionen einschließt und dadurch den vorhergehenden Prozessen ausweicht.


Die Frage wäre also nun zum Schluss, ob deine Theorie nicht vielleicht doch in den zweiten Punkt integriert werden kann, wie ich es hier vorgenommen habe.

Liebe Grüße,
Energeia
 
PS: Ich hatte noch vergessen zu sagen, dass es auch möglich ist, durch intensive Meditationspraxis - täglich mehr als 6-8 Stunden - den "Öffnungs"-Zustand, den ich gegen Ende meines Beitrages beschrieben habe, für eine gewisse Zeit auf einem außeralltäglichen Niveau zu erfahren. Ohne diese Praxis geht der "Effekt" jedoch sehr schnell wieder zurück und es kann dann ein Gegenprozess des Anklammerns und der Identifikation entstehen. Es kann aber auch schon während dieser Meditationspraxis zu erheblichen Probleme kommen. ( Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen.)
Oft ist es den Menschen, welchen durch ein Klosterleben eine derartige Meditationspraxis kontinuierlich ermöglicht wird, auch nicht möglich, die tiefsten Persönlichkeitsstrukturen zu wandeln. Das zeigen die Berichte von Kornfield: sobald Menschen, die in ihrem Leben zuvor (z.B. Kindheit) verletzt wurden, wieder im Alltag leben und mit anderen Menschen tiefe, emotionale Beziehungen eingehen, können wieder erhebliche Problelem auftreten.

Mir scheint es wichtig, die angesprochene psychotherapeutische "Heilung" der Persönlichkeit von der spirituellen Entwicklung/Heilung zu unterscheiden. Das eine betrifft die Basis des Menschen, das andere betrifft seine "höchsten" spirituell-humanen Fähigkeiten.
Wie gesagt: eine Identifizierung mit dem zweiten kann zur Verdrängung des ersten führen.
 
NACHTRAG:

Bei Tolle ("Jetzt - Die Kraft der Gegenwart") heißt es z.B.:

Der größte Teil menschlichen Schmerzes ist unnötig. Solange
der unbeobachtete Verstand dein Leben regiert, erschaffst du
den Schmerz selber. [...] Die Intensität des Schmerzes
hängt vom Grad des Widerstandes gegenüber dem
gegenwärtigen Moment ab, und der wiederum hängt davon ab,
wie stark du mit deinem Verstand identifiziert bist. [...]
Der gegenwärtige Moment ist manchmal unannehmbar,
unangenehm oder schrecklich. Beobachte, wie der Verstand ihn benennt
und wie dieser Vorgang des Benennens und ununterbrochenen
Beurteilens Schmerz und Unglücklichsein erschafft. Wenn du
die Arbeitsweise des Verstandes beobachtest, dann trittst du aus
den Widerstands mustern heraus und kannst endlich dem
gegenwärtigen Moment erlauben, zu sein. [...]
Es gibt viele Wege, in dem ständig fließenden Gedankenstrom eine Lücke zu
erzeugen. Das ist die Bedeutung der Meditation.
[...]
Auf diese Weise löst du
deine Aufmerksamkeit von den Aktivitäten des Verstandes und
schaffst eine Lücke von No-Mind, in der du höchst wachsam
und aufmerksam bist, aber nicht denkst. Das ist die Essenz von
Meditation.
 
Den Verstand für alles Übel verantwortlich zu machen ist aber nicht richtig meiner Meinung nach.

Wenn man sich in einen Bereich des Schmerzes einfühlt dann findet man da garantiert sowohl mentale als auch emotionale Komponenten. Ungesunde Gedankenmuster und Aussagen über die Welt bzw über sich selber sind der mentale Anteil. Der emotionale Anteil ist dann ein ungesundes Gefühl oder mehrere.

Der Schmerz existiert auch jenseits der Ebene auf der sich innerlich Worte formen. Man kann die Worte (die ungesunden Aussagen über die Welt oder sich selbst) unterdrücken aber das beseitigt die Ursache nicht. Meditation meiner Ansicht nach hebt einen eher über diese Ebene hinweg wo die ungesunden Muster einfach keine Macht mehr haben, aber sobald man wieder ins Alltagsbewusstsein kommt sind die Muster wieder da. Meditation kann meiner Meinung nach eben auch zur Flucht werden, was nicht unbedingt schlecht ist denn es hilft ja auch wenn es keine Dauerlösung ist.
 
Den Verstand für alles Übel verantwortlich zu machen ist aber nicht richtig meiner Meinung nach.

Wenn man sich in einen Bereich des Schmerzes einfühlt dann findet man da garantiert sowohl mentale als auch emotionale Komponenten. Ungesunde Gedankenmuster und Aussagen über die Welt bzw über sich selber sind der mentale Anteil. Der emotionale Anteil ist dann ein ungesundes Gefühl oder mehrere.

Der Schmerz existiert auch jenseits der Ebene auf der sich innerlich Worte formen. Man kann die Worte (die ungesunden Aussagen über die Welt oder sich selbst) unterdrücken aber das beseitigt die Ursache nicht. Meditation meiner Ansicht nach hebt einen eher über diese Ebene hinweg wo die ungesunden Muster einfach keine Macht mehr haben, aber sobald man wieder ins Alltagsbewusstsein kommt sind die Muster wieder da. Meditation kann meiner Meinung nach eben auch zur Flucht werden, was nicht unbedingt schlecht ist denn es hilft ja auch wenn es keine Dauerlösung ist.

Interessant sind zu diesem Thema auch die Bücher von Louise L. Hay ... und wenn man genau liest, wird man ganz viel wiedererkennen. An sich, an nahestehenden Menschen ...
 
Zunächst einmal vielen Dank an Energeia für diese übersichtliche Zusammenfassung - das ist in einem Thread ab und zu wirklich hilfreich. Und ich weiß auch, daß da einiges an Zeitaufwand und Mühe drinsteckt - es ist schön zu sehen, daß einem User ein Thema so viel liebevolle Auseinandersetzung wert ist.

Zum zweiten auch vielen Dank für die Disziplin aller Beteiligten - ich war ja nun drei Tage nicht da - daß der Thread im Geleise geblieben ist. Ich werde auch die Ablenkungsversuche gerne stehen lassen, weil sie unbeabsichtigterweise doch sehr viel zum eigentlichen Thema ausgesagt haben... ;)

Zum Thema möcht ich jetzt in aller Kürze nur sagen, daß ich nach diesem intensiven Wochenende, in dem ich mich in therapeutischer Begleitung mit allerlei Problemen in mir drin befaßt habe, etwas dazugewonnen habe, was mir in der Meditation ungeheuer hilfreich ist.

Meditation ist immer auch Erspüren dessen, was sich in einem selbst abspielt. Wenn nun die Wahrnehmung der eigenen Person aus verschiedensten Gründen blockiert oder verzerrt ist - dann bewegt man sich in eine Sackgasse hinein... und wenn es einem Therapeuten gelingt, solche Blockaden zu lösen, wird sich auch in der Meditation auf der Stelle alles anders anfühlen als vorher.
 
Zu anatols post ist mir die „analytische meditation“, oder die „einsichts-meditation“, die ich selbst gerne für mich anwende in den sinn gekommen.
Auch passend zum thema

die alltäglichen „kleinen stolpersteine“, die immer wieder auf unserem wege liegen, auf die wir spontan reagieren. Diese zu betrachten aus den verschiedenensten etischen/moralischen blickwinkeln die uns momentan zur verfügung stehen.
Sich hineinversetzen in zurückliegende problematiken, kleine aber auch grosse.
Sie zu vergleichen mit der heutigen situation, dem heutigen wissen und verschieden perspektiven, um andere lösungsansätze finden zu können, die zu einem besseren verständniss der eigenen emotionen/person und der die person umgebenden situationen/mitmenschen führen kann.

Eine meditation die sich auf alle lebensgebiete anwenden lässt, auf vergangenes das als schmerzthafte echos nachwirken und neues leid versursachen kann.
Aber auch kleine alltägliche vorkommnise die zb. ärger auslösen können. Denen auf die spur kommen, deren ursachen erkennen lernen, sie zu vergleichen mit anderen reaktion/emotionen, die wir an deren stelle hätten einehmen können und die erkenntnisse daraus.
Über verstand und gefühl.
Aus der erkenntniss heraus, das achtsamkeit und freundlichkeit viel leidvolles erleben und leid verursachen, mindern kann.
Spirituelles wachsen über die einsicht.

wie sich dieses bei mir zuhause aktuell manifestiert und ich mich in aufmerksamkeit, gleichmut und freundlichkeit üben kann, weil ich den ganzen tag mit wischmop und besen, samt kehrrichtschaufel unterwegs bin, um meinem kleinen hund, den ich aus lauter freundlichkeit geschenkt erhalten habe, seinen urinpfützen und scheisshäuflein nachzuwischen.
Auch nachts, wenn sich das hundebaby in mein bett schleicht um sich dann gemütlich an meinem kopf zusammen zu rollen, um dann beim ersten tageslicht in zerstörerische aktivität auszubrechen,
kam sie doch viel zu früh von ihrer mutter weg,
das arme tier.
:liebe1:
 
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Hallo,

wie schon gesagt: Ich bin sowohl auf dem Gebiet der Mediation als auch der Psychologie ein Laie. Ich kann höchstens mit profundem Halbwissen auffahren.

würden diese Gedankenmuster in der Meditation aufgelöst werden? Zunächst muss man ganz klar sagen, dass zahlreiche meditative Richtungen beanspruchen, genau das Problem zu lösen, das du hier beschreibst. Wenn man beispielsweise Eckhardt Tolles Schriften betrachtet, dann stellt er auch schon das Grundproblem in der gleichen Terminologie, wie du das hier vornimmst: in der Sprache einer kognitiven Psychologie. Probleme bestehen demnach aufgrund von Gedanken, weshalb es notwendig ist, von diesen Gedanken Abstand zu nehmen und sie loszulassen.

Es sind ja nicht unbedingt kognitive Prozesse, die das Problem auslösen, sondern sie sind ein weiteres Symptom des Problems. Die Ursache des Problems sitzt schon etwas tiefer. Ob in meinem Beispiel der Mann im Bus innerhalb einer Meditation in der Lage wäre alleinje zu erkennen, dass seine Gedankengänge unangemessen sind, bezweifle ich ein wenig... ich verstehe zumindest nicht, wie er das schaffen sollte.

Es gibt ja Meditationstechniken (z.B. Meditation auf den Atem, Meditation auf den Leib, Meditation in die Stille, etc.), die genau dieses Ziel verfolgen: bestimmte Bewusstseinsprozesse zu beobachten, eventuelle Gedankenmuster zu erkennen und sich nicht mit ihnen zu identifizieren.

Kannst Du mir erklären, wie diese Techniken das machen wollen? Was müsste der Mann in meinem Beispiel tun? Was wäre sein Gedankenweg in der Meditation?

Meiner Ansicht nach ist dies jedoch empirisch nicht immer möglich. Es gibt Bedingungen (Neurosen, Traumata, bestimmte Über-Ich-Strukturen, etc.), welche die Rigidität (Festigkeit) der Gedankenmuster beeinflussen. Es ist empirisch also durchaus möglich, dass sich durch die Meditation bei einem Menschen bestimmte Muster noch verstärken, z.B. kann die Identifizierung mit Gedanken, die Angst auslösen, oder Gedanken des Größenselbst (Ich bin unendlich toll) oder Gedanken der Strenge mit sich selbst (Ich muss das alleine schaffen) zunehmen, so dass die einkehrende Stille nicht wirklich die rigiden Muster, sondern nur die Oberflächliche Phänomen- und Wörterbildung auflöst.

Nach meinem Gefühl dürfte das sogar häufiger eintreten.

Aber auch dann, wenn die Meditation wirklich zu einer Beruhigung führt, wenn sie tiefe Gedanken und Erlebnismuster bewusst macht, dann könnte eine Psychotherapie immer noch effektiver sein.

Denke ich auch. Der Mensch ist nunmal ein Gruppentier und lebt in der Wechselwirkung mit anderen.

Meiner Ansicht nach ist Meditation immer sinnvoll, jedoch mit unterschiedlichen Funktionen.

Ich habe nie behauptet, dass Meditation sinnlos oder gar schädlich wäre. Ich halte sie durchaus für sinnvoll... aber ich halte es für schädlich, so seine Probleme alleine lösen zu wollen.

Zu Beginn, wenn die Muster so stark sind, dass sie die Welt eines Menschen vollkommen konstituieren und die anderen, die dies kritisieren, stets wie Lügner, Verleugner etc. erscheinen, dann gibt es wohl gar keinen anderen Weg als Therapie oder es bedarf sehr viel Leidensdruck, dass derjenige irgendwie an seiner Welt- und Selbstkonstruktion zu zweifeln beginnt. Die Meditation hat hier vor allem die Aufgabe, zu beruhigen, so dass die Erlebnisse nicht zu intensiv sind und auch nicht so zu schnell zu starke Konflikte in der Therapie entstehen, die letztlich zum Therapieabbruch führen können.

Naja, wenn man eine Therapie anfängt, dann macht man das, weil man etwas ändern will. Man will ja an sich arbeiten. Durch diese Bereitschaft ist man schonmal eher geneigt zu sehen, dass die eigenen Gedankenmuster unangebracht sind und dem Therapeuten zuzuhören. Wenn man hingegen in der Mediation alleine versucht, diese Muster aufzufinden... da kann man sich glaube ich doch ziemlich strak sich selbst belügen.

Irgendwann ist dann ein Stadium erreicht, so dass die Meditation immer mehr die Funktion der Therapie übernehmen kann. Meine These ist, dass sich ab diesem Zeitpunkt immer mehr ein tiefer Bezug zur Spiritualität entwickelt. Das setzt aber voraus, dass der Mensch gelernt hat, für seine eigenen Emotionen, für sein Leben, für seinen Unterhalt Verantwortung zu übernehmen, dass er also die Schuld für Vorgänge nicht mehr bei anderen, bei den Eltern oder der Gesellschaft sucht und dies auch nicht nur „wissentlich“, sondern aus der Tiefe seines Selbst heraus. Dann entwickelt sich wirkliches Mitgefühl, Liebe, Offenheit und ein stabiles Selbstwertgefühl. Und hier kann Meditation dann sehr viel bewirken: eine Offenheit und Liebe für die Natur, für die Tiere für alle Menschen, nicht als Konstruktionen oder Ideale, sondern eine Offenheit aus dem Selbst heraus, als WIRKLICHE, GELEBTE Offenheit.

Schöner Gedanke. Kann sein, dass Deine These stimmt. Aber ich glaiube nicht, dass eine Therapie völlig davon abgelöst werden kann. Wir brauchen den Austausch mit anderen Menschen. Probleme immer alleine bewältigen zu wollen, halte ich schon für unangebracht. Natürlich ist man selbst für die eigenen Emotionen und für das eigene Leben verantwortlich. Dazu gehört aber auch, dass man erkennt, wann man Hilfe braucht und wann nicht. Und im Zweifel würde ich immer für Hilfe suchen plädieren.

Die Gefahr besteht jedoch immer, dass man sich zu diesem Punkt hinprojiziert, sich im Gefängnis der rigiden Konstruktionen einschließt und dadurch den vorhergehenden Prozessen ausweicht.

Ja, projizierte Liebe, Offenheit und Hilfsbereitschaft... das ist glaube ich unter dem Namen "Helfersyndrom" bekannt.

Viele Grüße
Joey
 
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