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opti
Guest
Und noch eine reine Behauptung meinerseits, völlig ohne sie irgendwie zu belegen: Es waren immer die Machthaber dieser Welt, welche ganz genau die Sexualität anderer Menschen zu steuern wussten. Das gilt an allererster Stelle in Europa für die Kirchen (egal ob protestantisch oder katholisch). Wer die Sexualität kontrolliert, kontrolliert den Menschen, so könnte man sagen. Es war also schon immer immens wichtig, die Sexualität des Menschen mit einer Reihe von Regeln und Tabus zu belegen, und diese so tief zu verpflanzen, dass der Mensch gar nicht mehr fähig war, ohne Schuldgefühle seine Sexualität wahrzunehmen. Die Schuldgefühle bilden die notwendige Substanz, mit derer ein Machthaber seine Macht ausüben und für sich beanspruchen kann. Denn nur Menschen mit latenten Schuld- und Schamgefühlen sind kontrollierbar und allzeit für die eigenen Interessen verfügbar.
Forderungen nach Einschränkung der Sexualität läuft also sozusagen immer unter dem Deckmantel des Versuchs, bestehende Machstrukturen zu festigen. Dabei ist insbesondere eine heuchlerische Moral zu nennen, die vorschreibt, was der Mensch zu tun hat. Diese Moral ist lebensfeindlich und unterdrückerisch. Es ist die Aufgabe eines jeden Menschen, der für sich die Freiheit in Anspruch nimmt, sich von aller Moral zu entledigen um danach zu einem authentischen Empfinden zu gelangen. Dadurch findet er zu seiner eigenen Moral, die in keiner Weise vorhersehbar ist. Dort aber ist er völlig befreit von jeglichen Vorschriften. Er kann genauso gut enthaltsam leben, wie er auch diverse, ständig abwechelnde Sexualpartner haben kann, falls es ihm beliebt.
Opti unterstreicht diesen Machtanspruch noch einmal. Sein Machtanspruch ist offensichtlich: Jeder, der sich nicht an die Regeln hält - und er alleine weiss, welche Regeln das sind, sogar der von ihm zitierte Swami liegt hin und wieder mindestens ein kleines bisschen falsch mit seinen Ansichten zum Brahmacharya - ist verloren. Es gibt keine Möglichkeit auf Heil für ihn. Dies entspricht exakt und ohne wesentlichen Unterschied dem offziellen Kanon der grossen Kirchenpatriarchen während mehreren Jahrhunderten. Niemand konnte jemals zu Gott gelangen, es sei denn er hielt sich an die gegebenen Vorschriften.
Opti unterscheidet sich in diesem Sinne also nicht vom Papst und seinen Kardinälen während mehreren Jahrhunderten. Die eingesetzten Mittel, das Einpflanzen von Schuld- und Schamgefühlen plus das Verschreiben einer einfachen Heilsbotschaft, die hauptsächlich auf Kontrolle hinausläuft und wo es so gut wie keinen Spielraum für experimentelles, spielerisches Erforschen diverser Alternativen gibt, sind dieselben. Der Machtanspruch ist es ebenfalls.
fckw, ich stimme dir in einigen Punkten zu, in anderen wiederum nicht. Es stimmt, dass derjenige die Macht besitzt, der die Sexualität kontrolliert. Man bedenke z.B. dass es bei den Zen-Mönchen früher Pflicht war, im Zölibat zu leben. Das passte dem japanischen Kaiser, frag mich jetzt nicht welcher das war, aber wenn es einer weiß, bin ich dankbar für die Information, allerdings gar nicht ins Konzept, da ihm die Zen-Mönche viel zu selbstbewusst waren. Dieses Selbstbewusstsein äußerte sich wahrscheinlich auch im politischen Raum. Was also machte der Kaiser? Er erlaubte den Mönchen die Heirat. Damit wollte er wohl den Stolz, das Selbstbewusstsein und den politischen Einfluss der Mönche schmälern. Auch heute sind einige Zen-Mönche verheiratet. Die große Mehrheit der Zen-Mönche lebt heute allerdings im Zölibat, obwohl die Heirat erlaubt ist.
Es ist sicherlich auch richtig, dass die Religionen die Sexualität mit Tabus belegten und somit vielfach Ängste vor der Sexualität schürten. Aber ich denke, du machst den Fehler, dass du den freiwilligen Verzicht auf Sexualität mit einer religiös verordneten Sexualität gleichsetzt. Das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. Das eine geschieht unter einem gewissen gesellschaftlichem Zwang und das andere beruht auf Einsicht und Freiwilligkeit. Und du setzt sie gewissermaßen gleich. Und ich denke, das ist unzulässig.
Ich kann deiner Argumentation auch nicht zustimmen, dass die Sexualmoral lebensfeindlich ist. Niemals war die Sexualmoral so offen wie heute. Es gibt doch kaum noch Beschränkungen. Die Menschen leben doch eigentlich die Sexualität, die sie leben möchten. Eine der wenigen Verbote besteht doch im sexuellen Verhalten gegenüber Kindern. Und das besteht wohl zu recht. Fast alle anderen Einschränkungen sind doch wohl eher in der Persönlichkeit der Menschen zu finden. Mit anderen Worten, heute hat doch jeder die Möglichkeit mit jedem anderen intim zu sein. Es sind doch fast alle Schranken gefallen. Selbst die Homosexualität ist doch heute schon fast weitgehend gesellschaftlich akzeptiert.
Hat diese sexuelle Freiheit aber die Menschen glücklich gemacht? Ich behaupte einmal, sie hat die Menschen nicht glücklich gemacht. Und genau an dieser Stelle kommt die Physiologie ins Spiel. Sie liefert nämlich die Erklärung dafür, warum die Sexualität die Menschen nicht glücklich macht, sondern sie in die sexuelle Hörigkeit treibt. Und das beantwortet auch gleichzeitig die Frage, warum derjenige die Macht über die Menschen hat, der die Sexualität kontrolliert. Menschen, die permanent ihrem sexuellen Vergnügen nachgehen, entwickeln sich zu nämlich zu ängstlichen und neurotischen Menschen, die einerseits auf die Sexualität fixiert sind, die sich andererseits ihrer mentalen Kraft beraubt haben, und denen das Selbstbewusstsein fehlt, sich gegen diese sexuelle Abhängigkeit zur Wehr zu setzen.