Mahabharata

Kapitel 207 – 4 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Der Vogelfänger antwortete:
Dies ist der Beruf meiner Familie, ich habe ihn von meinen Vätern und Großvätern geerbt. Oh Verehrter, traure nicht um mich, wenn ich den Pflichten meiner Geburt nachkomme. Diese Pflichten hat der Große Vater (Brahm) vor langer Zeit für mich bestimmt, und ich diene aufmerksam den Höhergestellten und Alten, oh bester Brahmane.

Ich spreche immer die Wahrheit,
hege niemals Übel gegen andere im Sinn
und gebe, so gut ich es vermag.

Ich lebe von den Resten, nachdem Götter, Gäste und alle, die von mir abhängen, bedient wurden.
Niemals spreche ich böse über Groß oder Klein.

Oh bester Brahmane, die Taten eines früheren Lebens folgen dem Handelnden immer nach.
In dieser Welt gibt es grundsätzlich drei Arten von Berufen: in der Landwirtschaft, in der Viehhaltung und im Handel.

Doch für die kommenden Welt sind Tugend, Erkenntnis und die Erfahrung der drei Veden entscheidend.
Der Dienst an anderen wurde den Shudras als Pflicht bestimmt.
Landwirtschaft ist den Vaisyas und Kampf den Kshatriyas bestimmt.

Während die Praxis des Brahmacharya Gelübdes,
Askese, Rezitation von Mantras und Wahrhaftigkeit
den Brahmanen Pflicht ist.

Der König sollte gerecht über seine Untertanen regieren, die ihren angemessenen Pflichten folgen.
Und diejenigen, die von ihren Pflichten abgefallen sind, sollte er dazu anhalten.
 
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Kapitel 207 – 5 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Oh Brahmane, hier im Königreich von Janak gibt es nicht einen einzigen Menschen, der die Pflichten seiner Geburt mißachtet. Alle vier Soziale Klassen halten sich fest an ihre Weise.
König Janak straft die Übeltäter, und wenn es seine eigenen Söhne wären.
Doch er lässt niemanden leiden, der tugendhaft ist.
Mit verlässlichen und geschickten Spionen in seiner Obhut schaut er auf alle mit unvoreingenommenen Augen.

Wohlstand und die Fähigkeit zu strafen steht den Kshatriya zu, oh bester Brahmane.
Durch seine hohen Pflichten gehört dem König auch hoher Wohlstand, denn er beschützt alle vier Kasten.

Und was mich betrifft, oh Brahmane, ich verkaufe stets Schweinefleisch und Wildbret,
ohne dass ich selbst diese Tiere getötet hätte.
Ich handle mit dem Fleisch der Tiere, oh Rishi, die durch andere ihren Tod finden.
Denn ich selbst esse nie Fleisch,
liege nie bei meiner Frau außer in ihrer fruchtbaren Phase,
ich faste während des Tages und esse nur am Abend.
 

Kapitel 207 – 6 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Auch wenn die Arbeit seiner Soziale Klasse unrein sein mag, so kann sich der Mensch doch durch gutes Betragen auszeichnen. So ist einer tugendhaft, auch wenn er von Berufs wegen Tiere töten muss.

Wenn die Sünde zu gedeihen beginnt und die Tugend schwindet,
so kommt das (in erster Linie) von den sündigen Taten eines Königs, dessen Untertanen daraufhin zugrunde gehen.
Dann nehmen hässliche Monster und Zwerge, Bucklige und großköpfige Wichte, Blinde, Taube, Unfruchtbare oder Gelähmte ihre Geburt.
Ja, es sind die Sünden der Könige, die den Verfall im Volk herbeiführen. Doch nicht König Janak, er schaut tugendhaft nach allen seinen Untertanen und ist immer freundlich zu ihnen, denn sie üben ihre angemessenen Pflichten gerne aus.
 

Kapitel 207 – 7 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Ich selbst erfreue mit guten Taten alle Menschen, egal ob sie gut oder schlecht von mir reden.
Könige, die ihre Pflichten achten, immer gut und aufrecht handeln,
ihre Seelen beherrschen, handlungsbereit sind und eifrig, brauchen ihre Macht auf nichts weiter stützen.

Wer anderen soviel Essen gibt, wie er kann,
wer Hitze und Kälte erträgt,
standhaft Tugend übt und für alle Wesen Achtung und Zuneigung empfindet,
der kann niemals ohne den angeborenen Wunsch sein, sich von der Weltlichkeit zu trennen.

Man sollte Falschheit in der Rede vermeiden und Gutes tun, ohne erst darum gebeten zu werden.
Niemals sollte man die Tugend abwerfen, nicht aus Wollust, Zorn oder Boshaftigkeit.
 

Kapitel 207 – 8 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Niemals sollte man unmäßig jubeln, wenn etwas Gutes geschieht, und ebenso ausufernd trauern, wenn etwas Schlimmes passiert. Trifft einen schlimme Armut, sollte man nicht depressiv werden oder den Pfad der Tugend verlassen.

Und begeht man eine üble Tat, dann sollte man dies nie wieder tun.
Immer sollte man seine Seele dazu bewegen, heilsame Handlungen zu begehen.
Niemals sollte man Böses mit Bösem vergelten, sondern den Übeltätern mit Ehrlichkeit begegnen.

Wer etwas Übles wünscht, vernichtet sich selbst.
Und wer übel handelt, macht es nur den Hinterhältigen und Sündern nach.
Wer nicht an Tugend glaubt und die Guten und Reinen nur ärgert mit den Worten:
„Es gibt keine Tugend!“, der trifft ohne Zweifel auf Vernichtung.
 

Kapitel 207 – 9 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Ein sündiger Mensch bläst sich auf wie eine Ledertasche im Wind, seine Gedanken schwelgen in Hochmut und Torheit und sind doch schwach und unnütz. Das Herz und die innere Seele entdecken den Narren wie die Sonne die Formen während des Tages enthüllt.

Der Narr kann nicht immer in der Welt durch Eigenlob glänzen. Doch die Weisen, und seien sie auch hässlich, glänzen darin, dass sie nie Böses über andere schwätzen und nie Gutes über sich selbst. Kein Beispiel kann sich in dieser Welt mit dem messen, der in seinem guten Ruf erstrahlt.

Wenn jemand bereut, wenn er Übel getan, dann reinigt ihn die Reue von Sünde. Und der feste Entschluss, so etwas nie wieder zu tun, rettet ihn vor erneuter Sünde und sogar so sicher, oh bester Brahmane, wie die Buße, welche in den Schriften für üble Tat bestimmt ist. Dies, oh Zweifachgeborener, ist Śruti (die Offenbarten Schriften) in Bezug auf Tugend.
 

Kapitel 207 – 9 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Wer tugendhaft war, doch dann eine Sünde und vielleicht sogar unwissentlich beging, kann diese Sünde wieder auslöschen. Denn Tugend treibt die Sünde davon, die Menschen aus Unwissenheit begehen.
Wenn jemand eine Sünde beging, sollte er sich nicht länger als Mensch betrachten.
Niemand kann Sünde verbergen. Die Götter schauen alle Taten und auch dieses höchste Wesen (die Überseele - Parama-atma) in jedem selbst.

Wer fromm und ohne Abscheu die Fehler der Weisen und Wahrhaften versteckt wie Löcher im eigenen Gewand (...wer in anderen keine Fehler sucht...), der strebt wahrlich nach Erlösung.
Wenn jemand nach einer Sünde mit aller Kraft nach Erlösung sucht,
wird er von seinen Sünden gereinigt, ist so strahlend und rein wie der wolkenlose Mond
und vertreibt alle Dunkelheit wie die aufgehende Sonne.

Oh bester Brahmane, die Versuchung ist es, welche die Grundlage für alle Sünde legt.
Unwissende Menschen begehen Sünden, weil sie der Versuchung nachgeben.
 

Kapitel 207 – 10 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Sündige Menschen umgeben sich gern mit einem tugendhaften Äußeren, wie Gräben, welche mit schönem, langem Gras zugewachsen sind. Äußerlich scheinen sie Selbstbeherrschung und Heiligkeit zu besitzen. Auch predigen sie tugendhafte Texte. Doch in ihrem Mund haben diese nur wenig Bedeutung. Ja, man mag in ihnen alles entdecken, außer wahrhaft tugendhaftes Benehmen.

Hier fragte der weise Brahmane den Vogelfänger:
Wie kann ich solch wahres tugendhaftes Verhalten erkennen? Oh sei gesegnet! Dies möchte ich von dir lernen, du Bester unter den tugendhaften Menschen. So sprich zu mir darüber, ich bitte dich, du mit der hohen Seele.

Der Vogelfänger erwiderte:
Nun, bester Brahmane, Opfer, Hingabe, Askese, Veden und Wahrhaftigkeit
sind die fünf heiligen Dinge, die in einem tugendhaften Betragen immer anwesend sind.

Wer Wollust und Zorn, Hochmut und Habsucht sowie Lüge überwunden hat, der erfreut sich an Tugend,
welche von anderen Tugendhaften lobend anerkannt wird.
Wer sich zu Opfer und Studium der Veden neigt, sucht keinen Eigennutz.
Solcher folgt stets der Praxis der Wahrhaften und Guten.
 

Kapitel 207 – 11 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Ja, gutes Benehmen ist die zweite Eigenschaft der Tugendhaften.
Sie warten den Höhergestellten auf, haben Wahrhaftigkeit, sind befreit vom Zorn und geben freizügig.
Diese vier sind nicht vom guten Betragen der Tugendhaften zu trennen, oh Brahmane.

Und nur mit diesen vier erlangt man auch das Ansehen einer Person, die ihr Herz auf tugendhaftes Betragen richtet und standhaft dazu hält.

Die Essenz der Veden ist Wahrheit,
die Essenz von Wahrheit ist Selbstbeherrschung,
und die Essenz von Selbstbeherrschung ist, wenn man nicht nach den weltlichen Vergnügungen strebt.

All dies kann man im Verhalten von Tugendhaften sehen.
Wer aber mit jenen irregeführten Narren geht,
welche den unter Menschen vorherrschenden Formen der Spiritualität spotten,
wird für das Beschreiten dieses sündigen Pfades ins Verderben gezerrt.
 
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Kapitel 207 – 12 - Kausika wird vom Vogelfänger über Tugend belehrt

Doch wer angemessenen Gelübden folgt, den Srutis (Vedisches Wissen) ergeben ist
und sich von den Vergnügungen der Welt fernhält,
wer den Befehlen seines Lehrers gehorcht und mit Geduld und Achtsamkeit über den Sinn der Schriften nachdenkt,
nur der schreitet auf dem Pfad der Tugend und folgt der Vorgeschriebenen Pflichten.

Von solchen wird gesagt, oh Brahmane, dass sie ihre höhere Vernunft angemessen lenken.
Man meide die Gottlosen, Hinterhältigen, in Sünde Lebenden und diejenigen, welche die Grenzen der Moral überschreiten, und halte sich erkennend an die Tugendhaften.

Wollust und Versuchung sind wie Haie im Meer des Lebens, dessen Wasser die fünf Sinne sind.
Überquere dieses Meer im Boot der Geduld und Zurückhaltung und umgehe die Untiefen der körperlichen Existenz (wiederholte Geburten in der Welt).

Tugendhaftes Verhalten wird strahlend schön, wie klare Farben auf weißer Seide, wenn es nach und nach
durch die höchste Tugend,
der Übung von Weisheit
und Einsicht,
bereichert wird.
 


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