Ein spannender thread, hat mir schonmal einiges gegeben
Ich möchte gerne nochmal auf die frage nach der natur des leidens und den ritualen zurückkommen. für mich ist das leiden eine grundtatsache. das leid ist in jedem, in dem einen mehr, in anderen weniger, manche sind sich dessen auch gar nicht bewußt. aber es ist da. (eine theorie von mir ist einfach, dass das leid aus der trennung heraus resultiert, und zwar aus der urtrennung der seele von der schöpfung). das heilmittel für das leid wäre demnach die vereinigung mit der welt, die zu erreichen aber gar nicht so einfach ist *schmunzelt* gute beschreibungen dieses leids als grundprinzip finden sich bei den romantikern, ich zitiere da gerne novalis *kichert*
Zauber der Erinnerungen,
Heilger Wehmut süße Schauer
Haben innig uns durchklungen,
Kühlen unsre Glut.
Wunden gibts, die ewig schmerzen,
Eine göttlich tiefe Trauer
Wohnt in unser aller Herzen,
Löst uns auf in Eine Flut.
Und in dieser Flut ergießen
Wir uns auf geheime Weise
In den Ozean des Lebens
Tief in Gott hinein;
Und aus seinem Herzen fließen
Wir zurück zu unserm Kreise,
Und der Geist des höchsten Strebens
Taucht in unsre Wirbel ein.
(Novalis, aus "Heinrich von Ofterdingen")
wichtig ist es dann jedenfalls, das leiden anzunehmen und nicht einfach irgendwie "wegmachen" zu wollen. denn das geht so einfach halt nicht... ablenkung, der billige tand der welt... selbst die liebe kommt in den verdacht, weniger stark zu sein als das leiden (wobei, da bin ich mir nicht so sicher)... rilke schreibt:
O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum
uns am Angesicht zehrt , wem bliebe sie nicht, die ersehnte,
sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen
mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?
Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los.
Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere
zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel
die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.
(Rilke, Duineser Elegien)
wobei, durch liebe, die trennung durchaus aufgehoben werden kann, wenn diese denn zu einem erkennen des anderen führt. nicht, wenn die liebe nur vor sich hintändelt... vielleicht ist das auch der unterschied zwischen verliebt sein und lieben...
Jedenfalls, der sinn der rituale, die gegen DIESE trauer helfen, kann nur darin liegen, sie anzunehmen. durch das tal zu gehen, um bei dem bild zu bleiben, das oben schonmal angeklungen ist. dabei auch das äusserliche leben mit seinen anforderungen, seinen regeln, seinem nicht-anders-sein-dürfen abzuwerfen. wer erwartet schon auf ein dahingesagtes "wie gehts" ein "ich bin traurig"? wer erlaubt (gerade uns kerlen LACHT) zu weinen? wer gibt geborgenheit, nur weil uns danach dürstet?
also ein aushalten des schmerzen, ein mit dem schmerzen leben. ein in den einklang mit den dingen kommen. eintauchen in das meer der nacht, des dunklen, des leeren. damit, vielleicht, wenigstens zu sich selber kommen. ich meine, es gibt in mir (in jedem
einen wesenskern, einen gottesfunken, und mit diesem ins reine kommen heisst den schmerz annehmen, einzutauchen in die flut des lebens...
in diesem sinne - freue mich darauf, auseinandergenommen zu werden *kichert*
gonzino medusa.
PS.: ach ja, und wo nach "persönlichen erfolgserlebnissen" gefragt ist... ich bin durch die rituale, durch das annehmen des anderen, wenigstens soweit gekommen, dass das leid erträglich ist, dass ich weiss, dass ich aus der nacht wieder zurückkommen. denn dass eigentliche problem (meine meinung) war gar nicht das hineingehen, sondern das wieder hinauskommen. die angst, vollständig aufgelöst zu werden im nichts. zu vergehen. der wunsch, nicht mehr zu sein. endgültig zu gehen. da aber hilft es, einen funken zu haben, an dem ich mich festhalten kann, symbole, die den weg weisen. das dunkle ist nicht mehr NUR dunkel, in der nacht leuchtet ein stern.
also, fazit: MICH HATS GEHOLFEN, die geschichte mit den ritualen gegen das leid...
PPS: ich habe, in einem anderen forum, auf ein ziemlich trauriges posting folgendes geschenkt bekommen. auch das vielleicht ein ritual, sich an gutes zu erinnen
Alles wird vorübergehen: Leiden, Qualen, Hunger, Blut und Massensterben. Das Schwert wird verschwinden, aber die Sterne werden auch noch da sein, wenn von unseren Leibern und Taten auf der Erde kein Schritt mehr übrig ist.
Die Sterne aber werden immer da sein, schön und flimmerig.
Es gibt keinen Menschen, der das nicht wüßte.
Warum also wollen wir unseren Blick nicht zu den Sternen erheben?
WARUM????
( Michael Bulgakow)