Ja, eigentlich ist es unmöglich, dass Noumenon zu beschreiben, da wir ja phänomenal sind, in der Welt der Phänomene leben.
Ist für Dich jetzt das Noumenon = reine Aufmerksamkeit? oder auch nur eine Bezeichnung, ein Fingerzeig, so wie ich es aus lauter Bezeichnungsschwierigkeit reine Subjektivität nannte ?
Ich teile nicht die Ansicht, die auch viele andere Leute immer betonen, dass man das Absolute, das Noumenon, nicht beschreiben könnte.
Meine Argumentation hierzu lautet wie folgt:
Alles Vorhandene kann mit vereinbarten zutreffenden Begriffen beschrieben werden.
Nur etwas Nichtvorhandenes ist von jeder Begriffzuordnung und Beschreibung befreit.
Und weil das Noumenon ebenfalls etwas Vorhandenes ist, gilt demzufolge auch hier, dass es beschrieben werden kann.
Das ist die Voraussetzung. Und jetzt muss geprüft werden, ob sie stimmt.
Ich verstehe unsere Sprache, unsere Worte und Begriffe, die wir verwenden, als vereinbarte Etiketten, als Hilfsmittel, um darüber diskutieren zu können, worauf sie "geklebt" sind. Das Kommunikationsvermögen von Sprache besteht ja einzig und allein darin, dass wir alle ähnliche Erfahrungen machen und uns auf eine bestimmte Lautkombinationen, wie z.B. der von "Rot", geeinigt haben. Doch wenn du meine Sprache nicht sprichst, kann ich "Rot!" rufen, so oft und so laut ich will, und du wirst dennoch nicht verstehen, welchen inneren Sinn ich damit verbinde.
Würde ich zum Beispiel das Noumenon (=von Immanuel Kant verwendet) als "Brogofixus" bezeichnen, würdest du zurecht sagen: "Häh? Was ist das denn?". Wenn ich es jedoch "Aufmerksamkeit" nenne, dann kannst du dir schon eher etwas darunter vorstellen, was ich wohl damit gemeint haben könnte. Weil jedoch der Begriff "Aufmerksamkeit" in unserem Alltagsgeschehen eine ziemliche Spannbreite umfasst, muss ich ihn präzisieren, nicht neu definieren, sondern ihn präzisieren, in dem ich versuche, ihn auf das zu beschränken, was den Kern von Aufmerksamkeit eigentlich ausmacht. Das heißt, meine Vorgehensweise ist: Ich versuche, die Gemeinsamkeit aller bestehenden Definitionen und Variationen von Aufmerksamkeit auf seinen eigentlichen Kern zu beschränken. Denn ich kann mir nun mal kein besseres Etikett vorstellen, keinen präziseren Ausdruck, als für die Bezeichnung des Absoluten den Begriff "Aufmerksamkeit" zu wählen. Das ergibt sich für mich bereits aus der Fragestellung: "Wozu wäre etwas Absolutes in der Lage, wenn es keine Aufmerksamkeit besäße?" - Zu gar nichts. Ich kann bislang keinen Fehler in dieser Begriffszuordnung erkennen.
Da lese ich zum Beispiel in Wikipedia, dass mit Aufmerksamkeit die Zuweisung von Bewusstseinsressourcen gemeint sein soll. Das ist für mich völliger Quatsch. Was sind Bewusstseinsressourcen? Etwa unsere 5 Sinne oder unsere kognitiven Denkprozesse? Sie allein machen kein einziges Bewusstsein aus, gäbe es nicht etwas Zusätzliches, worauf man diese Fähigkeiten anwenden könnte. Es ist zwar mehr als offensichtlich, dass dieses Zusätzliche ein jeweiliges Bewusstsein überhaupt erst ausmacht, aber die Autoren von Wiki haben das wohl noch gar nicht bemerkt. Eine tatsächliche Ressource des Bewusstseins wäre dagegen jede Erinnerung. Und jede Erinnerung bezieht sich nunmal auf etwas Zusätzliches und nicht allein auf die Fähigkeit des Sehen oder Denkens an sich.
Daraus folgt für mich: Unsere Sinne und unser Denkvermögen sind keine Bewusstseinsressourcen sondern Aufmerksamkeitsqualitäten. Sie erlangen ihre Qualität jedoch erst dann, wenn etwas Zusätzliches da ist, auf das sie angewendet werden können. Oder wie ich es formuliere: Das, worauf ich meinen Fokus jeweils richte, wird zu dem, was Bewusstsein ausmacht. Keinen einzigen Moment vorher gibt es für irgend jemanden irgend etwas, das ihm bewusst sein könnte.
Wenn diese Schlußfolgerung stimmt (und ich kann dir versichern, sie stimmt), dann gilt sie nicht nur manchmal, sondern immer. Das heißt, sie gilt für alles Vorhandene und damit auch für das Noumenon. Setzt man ein Noumenon voraus, wie auch ich es tue, dann kann es sich um nichts anderes als die höchste Intensität und Qualität von Aufmerksamkeit handeln, die es gibt.
Und damit ist es beschreibbar.