Der Alltag im Leben der Palästinenser
Ich möchte einmal schildern, wie das Leben im Alltag der Palästinenser aussieht, seitdem die Israelis eine etwa 700 km lange und 8 Meter hohe Mauer um das ganze Westjordanland (siehe
Bild 1), der Heimat der Palästinenser, gebaut haben. Zu beiden Seiten der Mauer wurde ein etwa 30 bis 100 Meter breiter Streifen angelegt, auf dem Militärpatrolien, Überwachungskameras, Scharfschützenposten, Minenfelder und Bewegungsmeldern für Sicherheit sorgen sollen. Ein etwa 4 Meter tiefer Graben soll gegen Bombenanschläge durch Autos und Lastkraftwagen schützen. Weiter ist dort ein 3 Meter hoher Hochspannungszaun vorhanden und Sandwege, auf denen man (Fuß-)Spuren verfolgen kann. Die Mauer verläuft keineswegs nur auf der sogenannten "Grünen Linie", der offiziellen Grenze des Westjordanlandes, wie sie 1967 nach dem Sechstagekrieg festgelegt wurde, sondern sie verläuft meist im Zickzack auf palästinensichschem Gebiet und geht mitunter auch bis zu 6 Kilometer in das Gebiet der Palästinenser hinein.
Momentan sieht die Lage im Westjordanland so aus, dass man etwa 3,5 Millionen Palästinenser auf rund 40 Prozent des Westjordanlandes zusammenpfercht, während sich etwa 230.000 jüdische Siedler illegal auf etwa 60 Prozent des palästinensischen Westjordanlandes ansiedeln. Die palästinensische El Kuds-Universität in Jerusalem, in deren unmittelbarer Nähe die Mauer verläuft, kann nur noch von den Studenten aus der unmittelbaren Nachbarschaft besucht werden. Die Universitäten von Hebron und Nablos sind bereits lange geschlossen.
Durch die Mauer wird also eine neue Grenze geschaffen, wobei den Palästinensern oftmals wertvolle landwirtschaftliche Gebiete, Weideflächen, Rohstoffe und Wasserquellen, die nun außerhalb der Mauern liegen, verloren gehen. Da sich auch einige palästinensische Dörfer außerhalb der Mauer befinden, werden damit viele palästinische Gemeinden vom restlichen Palästina isoliert. Dies hat verheerende psychologische und wirtschaftliche Folgen, da sich diese Palästinenser nicht mehr frei bewegen können. Diese etwa 250.000 Palästinenser, die gewissermaßen im Niemandsland zwischen der Mauer und der "Grünen Grenze", leben, sind von ihrer palästinensischen Heimat getrennt, werden aber auch nicht von den illegal dort angesiedelten israelischen Siedlern, anerkannt. Diesen palästinensischen Dörfern droht die Zwangsumsiedling durch die israelische Besatzungmacht.
Wie die Situation für diese Dörfer, die sich außerhalb der Mauer, aber innerhalb der "Grünen Grenze" befinden, aussieht, soll einmal an dem Dorf "Arab Ramadin", welches sich im äußersten Süden des Westjordanlandes, im Bezirk Hebron befindet, deutlich gemacht werden (siehe
Bild 2). Sieht man sich die Karte einmal an, dann erkennt man, wie die Mauer (blaue Linie) nicht entlang der "Grünen Linie" verläuft (gestrichelte Linie = Grenze des Westjordanlandes von 1967). Die roten Punkte auf der Karte sind also Dörfer, die sich außerhalb der Mauer befinden. Die blauen Flächen auf der Karte sind israelische Besatzungssiedlungen die sich widerrechtlich auf palästinensischem Gebiet angesiedelt haben. Diese Gebiete wurden den Palästinensern widerrechtlich enteignet. Die weißen Straßen, die durch das palästinensischen Gebiet gehen, die einerseits entlang der Mauer verlaufen, aber andererseits auch mitten durch das palästinensische Gebiet, dürfen von den Palästinensern nicht benutzt werden. Auch für diese Straßen wurde palästinensisches Gebiet enteignet.
Das Dorf "Arab Ramadin", südlich des palästinensischen Dorfes "Qalqilya", liegt gewissermaßen in einer israelischen Enklave, welches seit dem Bau der Mauer hermetisch vom übrigen Westjordanland abgeschnitten ist. Dabei bedenke man, dass auch viele der Dörfer, die sich innerhalb der Mauern befinden, deren landwirtschaftliche Flächen und Weideflächen sich aber außerhalb der Mauern befinden, große Probleme haben, ihre Felder zu bewirtschaften oder ihre Tiere dort weiden zu lassen. Zwar sicherten die Israelis einst den palästinensischen Bauern freien Zugang zu ihren landwirtschaftlichen Flächen zu, aber im Fall eines Bauern im nördlichen Westjordanland öffneten sich in vier Monaten nur einmal für zwei Stunden die Tore, in denen der Bauer zu seinen Olivenhainen durfte. Die Palästinenser sind also vollkommen der israelischen Willkür ausgesetzt.
Nun aber zurück zum Dorf "Arab Ramadin". Am 5. Juni 2008 wurde der Ortsvorsteher des Dorfes vom israelischen Besatzungsoffizier davon in Kenntnis gesetzt, dass das gesamte Dorf auf die andere Seite der Mauer umgesiedelt werden soll. Sollten die Dorfbewohner nicht kooperieren, würde "Arab Ramadin" zwangsweise umgesiedelt. Dabei sollten 30 Wohnhäuser und Viehställe vernichtet werden. 1.500 Schafen, die wichtigste Einnahmequelle der Dorfbewohner, drohte eine ungewisse Zukunft. Bereits im März 2008 wurden die Häuser von 10 Dorfbewohnern mit dem Bulldozer dem Erdboden gleich gemacht. Aber "Arab Ramadin" ist, wie man auf der Karte erkennen kann, keineswegs das einzige Dorf, welches die israelischen Besatzer (zwangs)umsiedeln wollen. Es sind insgesamt 14 palästinensische Dörfer mit über 6.000 Einwohner, die von der Zwangsumsiedlung, von der Zerstörung ihrer Häuser und der Vertreibung ihrer Bewohner, betroffen sind.
Im Jahre 2003 besuchten noch etliche Schüler aus "Arab Ramadin" die Schule in der nahe gelegenen Kleinstadt "Qalqiliya". Vor dem Mauerbau war die Schule in einem 2,5 Kilometer langem Fußmarsch zu erreichen. Durch den Bau der Mauer, müssen die SchülerInnen einen langen Umweg in Kauf nehmen und sind an den Toren (Checkpoints) der Willkür der israelischen Besatzungssoldaten ausgeliefert. Durch den Mauerbau wurden in "Arab Ramadin" wertvolle landwirtschaftliche Flächen für den Weizenanbau und Weideflächen für die Schafe von den Israelis beschlagnahmt. Die Lage in "Arab Ramadin" ist typisch für das Vorgehen der israelischen Besatzungmacht, die einer schleichenden ethnischen Säuberung in Palästina gleichkommt. Gleichzeitig wächst das Straßennetz immer weiter an, dass aber nur von den israelischen Siedlern benutzt werden darf. Durch Militärverordnungen und Vorschriften der israelischen Besatzungmacht, werden die Palästinenser permanent einem unerträglichem Druck ausgesetzt.
Man kann nur hoffen, dass sich in den Köpfen der politisch Verantwortlichen, die genau so starr zu sein scheinen, wie der Beton, aus dem die Mauer gebaut wird, bald etwas bewegt. Man kann nur hoffen, dass die Schikanen der israelischen Besatzungmacht irgendwann ein Ende haben und die Mauer so bald wie möglich wieder abgerissen wird. Man kann nur hoffen, dass man den Palästinensern irgendwann das Recht auf einen eigenen, selbstverwalteten Staat zugesteht. Man kann nur hoffen, dass die illegale Besidlung des Westjordanlandes ein Ende hat und alle illegalen jüdischen Siedler sich aus dem Westjordanland zurückziehen. Man kann nur hoffen, dass zwischen den Juden und dem Palästinensern bald wieder Friede einkehrt.