Hallo
Mir ist gerade ein Beispiel bei
Kneipp über den Weg gelaufen, das ich hier gerne einfügen möchte. Es zeigt, dass man gesundheitliche Probleme, die einige glauben mit Globuli behandeln zu müssen, auch ganz anders behandeln kann:
Ein Fräulein kommt und bittet um Hilfe. Es erzählt also: "Ich habe den Kurs als Musiklehrerin mit der ersten Note bestanden, und sechs Jahre lang habe ich Musik gelehrt in einem Ordensinstitute. Jetzt habe ich so viel Kopfleiden, daß ich kaum mehr ein Instrument hören kann, weder Orgel noch Klavier noch Violine. Selbst die Glöcklein am Altare geben mir heftige Stiche im Kopfe. Die Aerzte nennen meinen Zustand ein Nerven- und Herzleiden. Gesund wäre ich in's Kloster aufgenommen worden; so aber bin ich berufs-, selbst brodlos und leide unsägliche körperliche und geistige Schmerzen."
Der Erzählerin entgegnete ich: "Ihnen kann ich nicht helfen. Sie müssen sich anderswo Hilfe suchen." Auf die Frage, warum ich denn gerade ihr eine so harte Antwort gebe, sagte ich rundweg: "Sie werden als Stadtfräulein mit höheren Studien, mit solchen Sprach- und Musikkenntnissen doch nicht thun, was ich haben will; im Uebrigen ist Ihr, wenn auch tief beklagenswerther Zustand, heilbar." Rasch entschlossen erklärte sie: "Um gesund zu werden, werde ich thun, was immer Sie verlangen." Und sie hat Wort gehalten.
Ich schickte sie zehn Tage lang mit den weiblichen Dienstboten - es war März - auf die Wiesen hinaus, dort solle sie
barfuß gehen. Täglich bekam sie zu allmähliger Ueberleitung in's Kalte ein
warmes Fußbad und einen
Oberguß. Statt des warmen Fußbades
kniete sie nach sechs Tagen täglich in's kalte Wasser, so daß das Wasser bis an die Magengegend reichte. Feldarbeit machte sie der Bewegung wegen mit, so weit Uebung und Kraft es erlaubten.
Nach zehn Tagen kehrte das Fräulein zu einem Wohlthäter zurück, welcher ihr die Studien ermöglicht und auch die Wasserkur angerathen hatte. Sie setzte all' die Uebungen, aber auch mit Lust und Freude die liebgewonnenen Haus- und Feldarbeiten fort. Statt des Geigenbogens und der Klavier- und Orgelhefte nahm sie fleißig Spaten, Rechen und Gabel in die Hand. Je mehr der Körper aufhörte, schwach und siech zu sein, um so mehr, in demselben Grade schwanden auch das Nerven- und Herzleiden und alle sie begleitenden Beschwerden. Nach vier Monaten hatten auch die letzteren aufgehört, und die Frische und die Gesundheit der Kindheit waren wiedergekehrt.
Mir scheint, dieses könnte ein gutes Beispiel für viele "Wohlstandskrankheiten" in der heutigen Zeit sein. Und ich bin mir sicher, dass die alten Therapien auch heute noch genau dieselbe Heilkraft haben wie damals und bestimmt sinnvoller und wirkungsvoller sind als alle Globuli und Tabletten.
Alles Liebe. Gerrit