Der zweite Feldzug nach Mekka
Nachdem Mohammed vom Feldzug aus Muta, seinem 1. Feldzug gegen Byzanz, zurückgekehrt war, bleib er im Juni und Juli des Jahres 630 in Medina. In dieser Zeit gab es in Mekka Überfälle, Plünderungen, Tötungen und Blutrache zwischen den Stämmen der Kinana (Banu Bakr) und den Kkuzaa's. Die Banu Bakr waren Verbündete der mekkanischen Quraisch und die Khuzaa's waren Verbündete Mohammeds. Dabei unterstützen die Quraisch, die Banu Bakr, laut Ibn Ishaq, mit Waffen. Schließlich trieben die Banu Bakr die Khuzaa's bis in den heiligen Bezirk Mekka's. "Budail ibn Warqa" von den Khuzaa's begab sich deshalb mit einigen seiner Stammesangehörigen zu Mohammed nach Medina und berichtete ihm von den Vorfällen. Dann machte er sich wieder auf den Heimweg nach Mekka.
Mohammed ahnte, dass Abu Sufyan, der mächtigste Mann in Mekka, der Führer der reichsten und politisch einflussreichsten Sippe der Quraisch, der Banu Umayyah, ihn aufsuchen würde, um den Friedensvertrag, der zwischen den Quraisch und Mohammed geschlossen wurde, zu bekräftigen und zu verlängern. Abu Sufyan war mit Mohammed verwandt, weil Mohammed seine Tochter "Ramla bint Abu Sufyan" als 10. Frau heiratete. Die Heirat geschah vermeintlich aus politischen Gründen, weil Mohammed sich dadurch erhoffte, Abu Sufyan milder zu stimmen. Abu Sufyan war ein entschiedener Gegner Mohammeds und Verfolger seiner Anhänger. Selbst seine Tochter Ramla musste vor ihm nach Abessinien fliehen, nachdem sie den Islam angenommen hatte. Einer seiner Söhne, Mu'awiya, wurde späterer Kalif und gründete die Herrschaft der Umayyaden, aus der in der Zeit zwischen 660 bis 750 die Kalifen des sunnitischen Islam hervorgingen.
Abu Sufyan war also ein mächtiger Mann in Mekka. Als er aber zu Mohammed ging und auf ihn einredete, antwortete Mohammed ihm nicht. Selbst die Bitten Abu Sufyan's bei anderen mächtigen Moslems, wie Abu Bakr und Umar ibn Khattab, sich für ihn bei Mohammed einzusetzen, stießen auf Ablehnung. Schließlich ging Abu Sufyan zu Ali und sprach zu ihm:
"O Ali! Du bist mir von allen Leuten hier am engsten verwandt. Ich flehe dich an, vermittle für mich beim Propheten und laß mich, bitte, nicht erfolglos zurückkehren!"
Hierauf antwortete Ali:
"Wehe dir , Abu Sufyan! Bei Gott, wenn der Prophet einmal etwas beschlossen hat, läßt er nicht mehr mit sich darüber reden."
Abu Sufyan's Versuch, bei Mohammeds Tochter, Fatima, um Schutz für die Quraisch zu bitten, verlief ebenso erfolglos. Sie antwortete ihm: "Niemand kann einem anderen gegen den Propheten Schutz bieten". Damit scheiterten schließlich alle Versuche Abu Sufyan's mit Mohammed ein klärendes Gespräch zu führen. Zuguterletzt erteilte Ali "Abu Sufyan" den Rat, er solle eine Schutzerklärung unter den Leuten ausgeben, was Abu Sufyan auch tat. Da diese Schutzerklärung aber nicht die Zustimmung Mohammeds hatte, war sie praktisch wertlos. Mir scheint, Mohammed verhielt sich eher wie ein beleidigter Provinzfürst, als wie ein diplomatischer Staatsmann. Jedenfalls tat er nichts, um eine kriegerische Auseinandersetzung zu verhindern. Immerhin war Mekka Mohammeds Heimatstadt und es war ihm sicherlich ein Dorn im Auge, dass sie noch in den Händen der ungläubigen (heidnischen) Polytheisten (Götzenanbeter) war. Mir scheint, Mohammed hielt dies für den richtigen Zeitpunkt, dieses zu ändern. Da kam ihm die Auseindersetzung der beiden verfeindeten Stämme gerade recht. Offensichtlich hatte er sich bereits längst für einen Feldzug gegen Mekka entschieden. Schließlich kehrte Abu Sufyan unverrichteter Dinge nach Mekka zurück.
Drei Monate nachdem das moslemische Heer aus dem Feldzug von Byzanz heimkehrte, befahl Mohammed am 10. Ramadan (September) 630 den Muslimen, sich abermals zu rüsten. Er gab den Medinensern bekannt, dass er nach Mekka aufbrechen wollte. Sie sollten dieses Vorhaben aber gegenüber den Quraisch geheimhalten, weil er sie überraschen wollte. Den Mohammedanern hatten sich dabei etliche arabische Stämme angeschlossen (sie wollten wahrscheinlich alle etwas vom zu erwartenden Kuchen, sprich von der Kriegsbeute, abhaben), so daß Mohammed schließlich mit einem Heer von 10.000 Kriegern gegen Mekka zog.
Während die Moslems in "Marr az-Zahran" lagerten, wußten die Quraisch immer noch nicht, was Mohammed vorhatte. Deshalb verließen Abu Sufyan und einige andere Quraisch in jenen Nächten Mekka, um Erkundigungen einzuziehen. "Abbas ibn Abdalmuttalib", ein Onkel Mohammeds, der sich Mohammed angeschlossen hatte, aber sorgte sich um die Quraisch. Er fürchtete ihren ewigen Untergang, falls Mohammed gewaltsam in Mekka eindrang. Deshalb bestieg er den weißen Esel Mohammeds und ritt in Richtung Mekka. Unterwegs traf er Abu Sufyan und bat ihn, mit ihm zum Propheten zu reiten und ihn um Schutz zu bitten, was letzten Endes einer militärischen Niederlage und der kampflosen Übergabe der Stadt Mekka an Mohammed entsprach. Nachdem Abu Sufyan die Nacht über bei "Abbas ibn Abdalmuttalib" verbrachte, empfing ihn Mohammed am nächsten Morgen mit den Worten:
"Wehe dir, Abu Sufyan! Ist es nicht an der Zeit zu erkennen, dass es keinen Gott gibt außer Gott?"
Hierauf antwortete Abu Sufyan: "Du bist mir teurer als Vater oder Mutter! Wie milde, freundlich und edel bist du doch. Gäbe es einen Gott außer Gott, hätte Er mir, so glaube ich, weitergeholfen." Darauf fragte Mohammed Abu Sufyan: "Glaubst du nicht, dass es an der Zeit ist zu erkennen, daß ich der Gesandte Gottes bin?" Aber Abu Sufyan hatte immer noch Zweifel, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist. Dann aber wandte sich "Abbas ibn Abdalmutallib", der Onkel Mohammeds an Abu Sufyan und bat ihn inständig:
"Nimm den Islam an und bekenne, daß es keinen Gott gibt außer Gott und daß Mohammed der Prophet Gottes ist, bevor man dir den Kopf abschlägt."
Dies ist wahrlich eine überzeugende Bekehrung zum Islam, mit der die Moslems sicherlich einige Erfahrungen hatten.

Manch einer würde so etwas vielleicht als Bedrohung und Erpressung bezeichnen. Aber "Abbas ibn Abdalmutallib" handelte aus der Befürchtung heraus, dass ein Feldzug gegen die Quraisch, das Ende der Quraisch bedeuten könnte. Jedenfalls waren die Argumente "Abbas ibn Abdalmutallib's" so überzeugend für Abu Sufyan, daß er das islamische Glaubensbekenntnis aussprach und zum Islam konvertierte. Dann bat "Abbas ibn Abdalmutallib" Mohammed, noch etwas für Abu Sufyan's Ansehen zu tun, worauf Mohammed erklärte:
"Jeder, der sich in das Haus Abu Sufyan's begibt, soll sicher sein! Und jeder, der sich in seinem eigenen Haus einschließt, soll sicher sein! Und jeder, der in die Moschee geht, soll sicher sein!"
Dies war nichts weniger als die Erwartung der kampflosen Übergabe der Stadt Mekka an Mohammed. Als Abu Sufyan schließlich in Mekka eintraf, rief er so laut er konnte:
"Ihr Quraisch! Mohammed ist mit einer Heerschar gegen euch gezogen, der ihr nichts entgegenzusetzen habt. Wer in mein Haus kommt ist sicher!"
Aber nicht alle glaubten den Worten Abu Sufyan's. Eine Frau schrie: "Tötet ihn, diesen dicken Fettsack! Was für ein schändlicher Beschützer seines Volkes!" Abu Sufyan aber warnte die Quraisch, dass sie sich nicht von der Frau verleiten lassen sollten, denn gegen die Armee des Propheten Mohammeds könnten sie nichts ausrichten. Wer aber in mein Haus kommt ist sicher. Dann aber fragten ihn die Menschen, warum sein Haus sie schützen sollte. Darauf antwortete Abu Sufyan ihnen:
"Auch jeder, der sich in sein eigenes Haus einschließt ist sicher. Auch jeder, der sich in die Moschee begibt ist sicher."
Nachdem er dies gesagt hatte, zerstreuten sich die Leute und gingen in ihre Häuser oder in die Moschee. Allmählich näherte sich auch Mohammed mit seinem Heer der Stadt Mekka. Als er "Dhu Tuwa" erreichte, teilte er das Heer in vier Gruppen auf, die von vier Seiten nach Mekka vorrücken sollten. In Mekka dagegen sammelte sich eine kleine Schar von Männern, die gegen Mohammed und seine Gefährten kämpfen wollten. Bei Khandama kam es schließlich zum Kampf. Dabei wurden 3 Muslime und 12 oder 13 Quraisch getötet. Danach flohen die Quraisch.
Mohammed hatte seinen Heerführern befohlen, nur gegen jene zu kämpfen, die Widerstand leisteten. Aber sie sollten eine kleine Anzahl von Ungläubigen, deren Namen er nannte, töten, selbst wenn sie sich unter den Vorhängen der Kaaba verstecken würden. Zu diesen gehörte "Abdallah ibn Sad". Dieser war zum Islam übergetreten, war dann aber wieder vom Glauben abgefallen und zu den Quraisch zurückgekehrt. Abdallah hatte sich bei Uthman versteckt, mit dem er durch Milchbruderschaft
10 verbunden war. Nachdem sich die Lage in Mekka beruhigt hatte, brachte Uthman Abdallah zu Mohammed und bat um Straflosigkeit. Mohammed aber hüllte sich lange in Schweigen, bevor er seine Zustimmung gab. Nachdem Uthmann gegangen war, sagte Mohammed zu seinen Gefährten, die sich um ihn geschart hatten:
"Ich habe geschwiegen, damit einer von euch aufsteht und ihm den Kopf abschlägt."
Wie es scheint, wurde Abdallah offensichtlich von der Hinrichtung verschont. Aber die Aussage Mohammeds scheint mir sehr symbolisch für seine Art, mit Ungläubigen zu verfahren. Würde man solch eine Äußerung je von Jesus oder Buddha erwarten? Sicherlich nicht.
10In der Regel wurden die Kinder Arabiens in den ersten Lebensjahren einer bezahlten Amme anvertraut, die auch die Kinder stillte. Auch Mohammed verbrachte seine ersten Jahre, wie damals üblich, in der Wüste und wurde von der Amme Halima gestillt und aufgezogen. Das Stadtleben wurde von den freiheitsverliebten Arabern immer noch mit gewissem Argwohn betrachtet. Sie schätzen die weite Wüste und wollten ihren Kindern damit etwas davon mit auf den Weg geben. Mit vier Jahren kehrte Mohammed zu seiner Mutter Amina bint Wahb zurück, die allerdings zwei Jahre später starb. Mit der Milchbruderschaft ist in diesem Fall gemeint, dass beide Männer von derselben Amme gestillt wurden.
Zu denen, die Mohammed ebenfalls befahl zu töten, gehörte auch "Abdallah ibn Khatal", ein Mann vom Stamm der "Banu Taim ibn Ghalib". Er war Muslim und hatte einen freigelassenen muslimischen Sklaven getötet und war danach vom Islam abgefallen. "Abdallah ibn Khatal" besaß auch zwei Singsklavinnen, die über den Propheten Spottlieder sagen. Mohammed ordnete deshalb an, diese beiden Frauen zusammen mit "Abdallah ibn Khatal" töten zulassen.
Zu den weiteren Personen, die Mohammed töten ließ, gehörten "Huwairith ibn Nuquaidh" und "Miqyas ibn Hubaba". Der erste hatte Mohammed geschmäht und der zweite hatte einen Helfer ermordet, der versehentlich seinen Bruder getötet hatte und war anschließend als Heide zu den Quraisch zurückgekehrt.
"Banu Taim ibn Ghalib" und "Miqyas ibn Hubaba" wurden vermutlich aus dem einzigen Grund getötet, weil sie vom Islam abfielen und nicht weil sie einen gläubigen Moslem töteten, denn der Koran sieht für das Töten eines Mitgläubigen kein Todesurteil vor, sondern eine ewige Strafe in der Hölle. Daß dabei nicht an Vergebung gedacht wird, sondern eine ewige Strafe ausgesprochen wird, erscheint mir typisch für den Islam.
"Sure 4,93: Und wer einen Gläubigen vorsätzlich tötet, dessen Lohn ist Dschahannam (die Hölle), worin er auf ewig bleibt. Allah wird ihm zürnen und ihn von Sich weisen und ihm eine schwere Strafe bereiten."
Als Mohammed sich zu einem späteren Zeitpunkt zur Kaaba begab, sagte er:
"Die Blutschuld für einen versehentlich, doch halb absichtlich, mit Peitsche oder Stock Getöteten ist schwer. Einhundert Kamele, davon 40 trächtig."
In diesem Fall ist aber nicht von einem vorsätzlichen, sondern von einem versehentlichen, halb absichtlichem, Töten die Rede.
Zu den weiteren Personen, die Mohammed töten ließ, gehörte Sara, die Freigelassene eines Angehörigen vom Stamme der Banu Abdalmutallib. Sie hatte Mohammed in Mekka beschimpft. Auch eine der beiden Singsklavinnen des Ibn Khatal, Miqyas, sowie Ibn Khatal selber und Huwairith wurden getötet. Der Letztere wurde von Ali getötet. Ibn Ishaq schreibt aber nicht aus welchem Grund Huwairith getötet wurde. Etliche andere, die ebenfalls getötet werden sollten, die dann aber bei Mohammed um Gnade flehten, wurden verschont.
Nachdem Mohammed siebenmal mit einem Pferd um die Kaaba geritten war, wobei er jedesmal mit einem Stock, den er in der Hand hielt, den Schwarzen Stein berührte, sagte er:
"O ihr Quraisch, Gott hat von euch den Hochmut der heidnischen Zeit genommen und den Stolz auf die Vorfahren. Alle Menschen stammen von Adam und Adam wurde aus Staub erschaffen."
Dann trug er den Koranvers vor:
Sure 49,13: "Ihr Menschen! Wir haben euch geschaffen von einem männlichen und weiblichen Wesen und haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennt. Als vornehmster gilt bei Gott derjenige von euch, der am frömmsten ist."
Diese Äußerungen Mohammeds über die Entstehung der Menschheit, entsprach den Vorstellungen der damaligen Zeit. Sie entstammten sicherlich der christlichen Bibel, aber vor allem dem jüdischen Tanach (der jüdischen Bibel). Von der Evolution hatte zu jener Zeit niemand etwas gewusst. Somit waren die Vorstellungen über die Entwicklung des Leben auf der Erde eher rudimentär (man könnte sagen, fast kindlich) und wurden nicht weiter hinterfragt. Wissenschaftliche Forschungen über die Entwicklung des Lebens auf der Erde entstanden erst im 20. Jahrhundert. Aber immer noch gibt es im Islam (aber auch in anderen Religionen) fundamentale orthodoxe Gläubige, die die wissenschaftliche Forschung nicht zur Kenntnis nehmen wollen und die Entwicklung des Lebens auf Adam und Eva zurückführen.
Anschließend fragte Mohammed die Quraisch: "Was glaubt ihr, werde ich mit euch tun?" Darauf antworteten die Quraisch (laut Ibn Ishaq): "Gutes! Du bist uns ein edler Bruder, der Sohn eines edlen Bruders." Hierauf antwortete Mohammed ihnen: "Geht eures Weges! Ihr seid frei!"
Nach der Eroberung Mekkas blieb Mohammed 15 Nächte in Mekka und verkürzte in dieser Zeit die Gebete. Da Mohammed sich als Reisender außerhalb seines Wohnortes Medina betrachtete, betete er die täglichen Gebete in einer kürzeren Form (zwei Niederwerfungen statt vier), eine Praxis, die heute auch noch üblich ist.
Die Eroberung Mekkas fand am 20. Ramadan (September) 630 statt. An dem Feldzug nahmen insgesamt 10.000 Muslime teil: etwa 7.500 moslemische Krieger Mohammeds, 1003 Männer von den Muzaina, 700 von den Banu Sulaim, 400 von den Banu Ghifar und 400 von den Aslam.
Quelle: Ibn Ishaq - Das Leben des Propheten