Der Feldzug nach Chaibar im Jahre 629
Der letzte jüdischen Stamm (genau genommen waren es die drei jüdischen Stämme, die Qainuqa, die Banu Nadir und die Banu Quraiza, die Mohammed einst aus Medina vertrieben hatte) lebte nördlich von Medina in Chaibar (Khaibar) in einem sehr fruchtbaren und bevölkerungsreichen Tal, das acht Tagesreisen von Medina entfernt lag. Etwa zwei Monate nach seiner Rückkehr von seiner ersten (missglückten) "Pilgerfahrt" nach Hudaibiya (Mekka) organisierte Mohammed einen Überraschungsfeldzug mit 1.600 bis 1.800 Muslimen und 100 Pferden gegen diese jüdischen Siedlungen. Der Grund für diesen Feldzug bestand wohl darin, dass er der Enttäuschung seiner Anhänger über den missglückten Feldzug nach Mekka und den mit den Quraisch gesclossenen Friedensvertrag etwas entgegensetzen wollte. Es ging bei diesem Feldzug also unter anderem darum, sich am Eigentum der Juden zu bereichern. Ein weiterer Grund für den Feldzug nach Chaibar bestand darin, dass er sich bei den Juden, die er für die Grabenschlacht von 627 in Medina verantwortlich machte, rächen wollte.
Zunächst schlug Mohammed sein Lager zwischen Chaibar und dem Stammesgebiet des arabischen Stammes der Banu Ghatafan auf. Damit wollte Mohammed verhindern, dass die Banu Ghatafan, die mit den Juden aus Chaibar befreundet waren, ihnen zur Hilfe kommen konnten. Sobald die Banu Ghatafan aber hörten, dass Mohammed sich im Gebiet von Chaibar aufhielt, sammelten sie sich und brachen auf, um den Juden in Chaibar zu helfen. Als sie aber einen Tag unterwegs waren, kam ihnen das Gerücht zu Ohren, dass etwas mit ihren Herden und Familien geschehen sei. Sie befürchteten, dass Feinde ihren Stamm in ihrer Abwesenheit angegriffen hatten und kehrten deshalb zu ihrem Stamm zurück. Damit war für Mohammed der Weg nach Chaibar frei.
Nun rückte Mohammed mit seinen Kriegern immer weiter vor. Er eroberte Festung um Festung und Herde um Herde. Dabei machte er viele Gefangene, die unter den Muslimen verteilt wurden. Unter diesen Gefangenen befand sich auch Safiya (Safiyyeh), die Ehefrau von "Kinana ibn Rabi" dem Stammesführer des jüdischen Stammes der Banu Nadir. Mohammed machte Safiya zu seiner Ehefrau. Was Ibn Ishaq allerdings verschweigt (jedenfalls in meiner Ausgabe der Prophetenbiographie), ist die Tatsache, dass Mohammed "Kinana ibn Rabi", den Ehemann von Safiya, der den Schatz der Banu Nadir verwahrte, zunächst foltern und dann töten ließ, damit er verriet, wo der Schatz der Banu Nadir versteckt sei. (Quelle:
Kinana ibn al-Rabi)
Mohammed eroberte weiter Festung um Festung und nahm Herde um Herde, bis sie zu den beiden Burgen Watih und Sulalim kamen. Dies waren die beiden letzten Festungen der Bewohner von Chaibar. Mohammed belagerte diese Festungen etwa 10 Tage lang, bis die Bewohner keinen Ausweg mehr sahen und Mohammed baten, er möge sie am Leben lassen und ziehen lassen. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Bewohner von Chaibar in Chaibar bleiben dürften, dass sie aber den Moslems die Hälfte der Ernteerträge überlassen mußten. Damit war das Konzept der Tributzahlung eingeführt. Die Tributzahlung galt fortan für "Leute der Schrift", also für die Juden und Christen, die sich nicht zum Islam bekennen wollten. Dies geht auch aus Sure 9, Vers 29 hervor. (Quelle. Rudi Paret, Mohammed und der Koran, Urban, Stuttgart, 2005, Seite 141)
Sure 9,29: "Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag glauben, und die das nicht für verboten erklären, was Allah und Sein Gesandter für verboten erklärt haben, und die nicht dem wahren Glauben folgen - von denen, die die Schrift erhalten haben, bis sie eigenhändig den Tribut in voller Unterwerfung entrichten."
Mohammed fügte allerdings hinzu, dass er sich jederzeit das Recht herausnehme, die Bewohner aus Chaibar zu vertreiben. Kurz vor seinem Tod sagte Mohammed: "Es sollen auf der arabischen Halbinsel keine zwei Konfessionen geduldet werden." (Quelle: Dr. Gustav Weil, Das Leben Mohammed's nach Mohammed Ibn Ishak, Band 1 und 2, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, 1864, 2. Band, Seite 172 f) So kam es dazu, dass der Kalif "Umar (Omar) ibn al-Chattab" im Jahre 642, also 10 Jahre nach Mohammeds Tod, die Juden endgültig aus Chaibar vertrieb, weil die Anzahl der Sklaven durch die islamische Expansion, also durch die militärischen Eroberungsfeldzüge der Moslems im arabischen Raum, so groß wurde, dass man Gebiete benötigte, um diese Sklaven unterzubringen. Später wurden diese Feldzüge auch auf Europa und Asien ausgedeht.
Als die Juden vom Stamme der Fadak, die etwas abseits von Chaibar wohnten, hörten, was in Chaibar geschehen war, schickten sie eine Gesandtschaft zu Mohammed und baten ihn, er möge ihr Leben verschonen. Dieser Bitte entsprach Mohammed. Während Chaibar aber unter den Moslems als Kriegsbeute verteilt wurde, ging die jüdische Siedlung der Fadak in den Privatbesitz Mohammeds über, da die Muslime weder Pferd noch Kamele eingesetzt hatten, um es zu erobern.
Zum Feldzug nach Chaibar schreibt der deutsche Orientalist Theodor Nöldeke (1836 - 1930): Viele Gefährten Mohammeds legten hier den ersten Grund zu ihren späteren Reichtümern. Einige arme Beduinen wurden auf einmal Besitzer einer reichen Burg, welche sie erstürmt hatten. So war ein reiches Gebiet völlig erobert. Die Beute, welche die Gläubigen gemacht hatten, musste andere Araber reizen, sich einem so gewinnbringenden Glauben anzuschliessen. Die Juden aber verloren den letzten Punkt auf Erden, wo sie eine unabhängige Stellung einnehmen konnten. Bald nach Mohammeds Tod wurden sie durch Omar ganz aus Arabien vertrieben." (Nöldeke, Das Leben Mohammeds, Verlag Carl Rümpler, 1863, Seite 138)
Quelle: Ibn Ishaq - Das Leben des Propheten