Eva, ich bin da mit dir, wie zu erwarten, nicht einer Meinung. Mir ging es bei meiner Frage in erster Linie darum, zu verstehen, warum der friedliebende Ansatz, den Jesus weitestgehend verfolgte, von den Moslems nicht aufgenommen und weiter verfolgt wurde. Warum also ist der Islam so gewalttätig, wo Jesus doch versucht hat, einen gewaltfreien Ansatz vorzuleben. Er ist sogar soweit gegangen ihn selber zu praktizieren, indem er sich nicht gegen die Kreuzigung auflehnte, sondern indem er genau das praktizierte, was auch bei Paulus zum Ausdruck kommt. (Wenn dir einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke Wange hin.)
Ich glaube, dieser Ansatz ist keineswegs so lebensfremd, wie es dir scheint. Mir hat in diesem Zusammenhang z.B. das Buch "Das Reich Gottes ist inwendig in euch" von Leo Tolstoj gefallen, indem er sagt, dass alle vermeintlichen Fortschritte, die durch gewalttätige Revolutionen entstanden sind, eigentlich keinen wirklichen Fortschritt gebracht haben, weil sie alle ebenfalls wieder in der Gewalt endeten, da die Menschen den Frieden in sich selber nicht verwirklicht hatten. Weiter sagte Tolstoi, dass allein die friedlichen Revolutionen, also die Revolutionen, die aus innerer Überzeugung (im Geiste Christi) friedlich durchgeführt wurden, wirklichen Fortschritt brachten.
Und da bin ich gleich beim nächsten Punkt. Du hälst das 6. Gebot für lebensfremd. Dem kann ich ebenfalls nicht zustimmen. Wenn wir die Dinge, von denen du meinst, dass sie lebensfremd sind, nicht verinnerlichen, dann wird niemals in uns Frieden einkehren und dann wird alles, was wir nach außen tragen immer den Charakter der Unzufriedenheit, wenn nicht sogar des Hasses, in sich tragen. Ich weiß, dass die Forderung Paulus sehr hochgesteckte Ziele sind. Aber es sind genau diese Ziele, die uns die Seligkeit schenken, nach der sich alle Menschen sehnen. Nicht umsonst wird von den Mönchen (Heiligen) die Armut und die Gewaltlosigkeit als ein hohes Ziel gepriesen. Wenn wir Schwierigkeiten haben, diese Dige zu realisieren, dann liegt das in erster Linie daran, dass wir uns genau die entgegengesetzten Ziele zu eigen gemacht haben und nicht bereit sind, davon abzulassen. Das heißt aber nicht, dass die Ziele die Paulus anstrebte, verkehrt waren.
In dem einen oder anderen Punkt müsste man natürlich überlegen, wie sie entstanden sind. Ich denke dabei z.B. an die jungfräuliche Geburt Christi. Aber mir ist momentan nicht bekannt, welche Meinung Paulus in diesem Punkt vertreten hat. Ich selber bin übrigens ein großer Bewunderer Paulus und denke, dass seine Ideen, ebenso wie die Ideen Jesus, sich nicht sehr von der yogischen Philosophie unterscheiden. In meinen Augen beschritten beide eigentlich einen yogischen Weg. Aber nun bin ich ganz von der Frage abgekommen, warum bei den Moslems so viel Gewalt im Spiel war (ist), nachdem Jesus versucht hatte, die Liebe und Gewaltfreiheit in den Mittelpunkt seiner Religion zu stellen.
Hallo opti,
Das ist eben Deine Meinung und ich würde mich freuen, wenn all das, was Du sagst in der Realität eine Chance hätte.
Die Unkeuschheit vor der Ehe gibt es schon lange nicht mehr. Der Mann will, derb ausgedrückt, nicht die Katze im Sack kaufen. Jedenfalls bei den Christen gibt es das nicht mehr. Ich glaube, ich wäre, hätte ich nicht mitgemacht, ewig ein Single geblieben. Der voreheliche Geschlechtsverkehr ist bei uns schon wie eine Pflicht. Da nützt weder die Schönheit noch die Intelligenz der Frau etwas, diesem "unmoralischen" Brauch nicht nachzugeben. Ich aber wollte ein erfülltes Leben mit einem Mann, den ich lieben kann, und von diesem geliebten Menschen Kinder bekommen. Er aber konnte oder wollte nicht länger warten.
Als Jungfrau in die Ehe zu gehen hätte mir gefallen, doch da gab es kein Entrinnen. Ich wäre übrig geblieben. Das ist die Realität. Natürlich hat man diese Dinge geheim gehalten, aber heutzutage schert man sich nicht mehr darum. Es ist normal geworden, wenn nicht sogar harmlos und selbstverständlich im Verhältnis zu all den anderen Perversitäten, die um sich greifen. Und glaube mir, lieber Opti, ich kenne auch schon im vorhinein Deine Einwände.
Und wenn man immer die Wahrheit sagt, ist womöglich der gute Job auch im Eimer.
Und führst Du den Menschen ein moralisches Leben vor mit der Aufforderung es nachzuahmen, dann kann es Dir wie Christus und Gandhi ergehen.
Im Nachhinein kann ich leicht sagen, dass ich Gott nicht beleidigen wollte und es bereue, wenn ich dadurch ein erfülltes Leben gehabt habe. Aber es ist möglich und Gott vergibt mir sogar, denn er weiß wie schwierig es ist gegen den Strom zu schwimmen, sodass jeder Sünder auf seine Barmherzigkeit hoffen darf.
Mir wäre auch so manches anders lieber gewesen, aber ich hatte nicht die Kraft gegen den Strom zu schwimmen.
Und wenn Du überzeugen willst, lieber Opti, dann musst Du Farbe bekennen, damit man Dir glauben kann.
Ich habe es getan ohne die Hoffnung aufgegeben zu haben, dass es einmal den Menschen gelingen soll moralisch leben zu können ohne fürchten zu müssen an den Pranger gestellt zu werden oder alles zu verlieren.
Erst jetzt, nicht mehr jung, kann ich nach meiner eigenen Vorstellung leben, werde mich aber auch hüten, meine Moral in meinem näheren Umfeld hinauszuposaunen. Wenn es jemand merkt, soll es sein, doch ich dränge meine Wertvorstellung Niemanden auf.
In diesem realen Leben musst Du sehr vorsichtig sein, wenn Du leben willst.
Dazu gehört die ungewollte, aber notwendige Abweichung. Gott weiß das. Wüsste er das nicht, wäre er nicht bereit zu vergeben.
Die monotheistischen Religionen haben dieselben 10 Gebote, doch sie werden übertreten. Trotzdem stehen sie wie ein Fels in der Brandung mit der Aufforderung, es immer und immer wieder zu versuchen, ihnen nachzukommen.
Liebe Grüße
eva07