Die Vertreibung der Banu Nadir - Teil 1
Im Koran ist die ganze Sure 59 der Vertreibung der Banu Nadir gewidmet.
Zunächst einmal soll anhand der Prophetenbiographie erklärt werden, wie es zu dem Konflikt zwischen den Mohammedanern und dem jüdischen Stamm der Banu Nadir kam. Mohammed hatte auf Anraten von "Abu l-Bara", 40 seiner besten Muslime in den Nadjd geschickt, um sie zum Islam zu bekehren. Der Nadjd oder Nadschd ist eine Wüstenlandschaft mit gelegentlichen Oasen in Saudi Arabien, in dem verschiedene arabische Stämme der Sulaim (u.a. die Usayya, Ril und Dhakwan) leben. "Abu l-Bara" hatte Mohammed die Sicherheit der Muslime garantiert, da Mohammed befürchtete, seine Männer könnten dort getötet werden. Nachdem "Haram ibn Milhan" allerdings mit einem Schreiben Mohammeds zu "Amir ibn Tufail" (offensichtlich ein Stammesführer der Amir, genaueres konnte ich leider nicht herausfinden), kam, beachtete dieser den Brief nicht einmal und tötete "Haram ibn Milhan". Nun rief "Amir ibn Tufail" die arabischen "Banu Amir" auf, gegen die 40 Moslems zu kämpfen. Aber die "Banu Amir weigerten sich, weil sie sich an das Schutzversprechen, welches Abu l-Bara Mohammed gegeben hatte, gebunden fühlten. Darauf wandte sich "Amir ibn Tufail" um Unterstützung an die Usayya, Ril und Dhakwan (Untergruppen der arabischstämmigen Sulaim), die seinem Wunsch nachkamen. Bei dem Kampf überlebte nur ein Moslem (Kab ibn Zaid), der 627 in der "Grabenschlacht" fiel.
"Amr ibn Umayya" und ein Helfer vom Stamme der Amr (arabischer Stamm aus Medina, Unterstamm der Chazradsch) hatten während des Kampfes auf die Kamele der Moslems aufgepasst. Sie hatten also nicht am Kampf teilgenommen. Als sie dann aber die Vögel über dem Schlachtfeld kreisen sahen, ahnten sie schlimmes. Nachdem sie das Schlachtfeld aufgesucht hatten, sahen sie, ihre toten Gefährten und die Reiterschar der arabischen Sulaim (Usayya, Ril und Dhakwan), die immer noch auf dem Schlachtfeld verweilte. Darauf stellte sich der Helfer der Amr dem Kampf und wurde getötet. "Amr ibn Umayya" wurde gefangen genommen, doch ließ ihn "Abu ibn Tufail" wieder frei, nachdem er ihm erzählte, dass er zum Stammesverband der Mudar gehörte.
Nun machte sich "Amr ibn Umayya" auf den Rückweg nach Medina. Bei Qarqara tauchten zwei Männer vom Stamme der "Banu Amir" auf und lagerten mit "Amr ibn Umayya" im Schatten. Hierbei ist anzumerken, dass die "Banu Amir" sich zuvor geweigert hatten, an dem Feldzug gegen die 40 Moslems zu beteiligen, da sie sich durch das Schutzversprechen, welches "Abu l-Bara" Mohammed gegeben hatte, gebunden fühlten. Davon wusste "Amr ibn Umayya" aber nichts. Er wartete, bis sie schliefen, dann stürzte er sich auf sie und tötete sie in dem Glauben, er hätte damit die Ermordung des Propheten gerächt. Nachdem er in Medina ankam, erzählte er Mohammed von dem Vorfall.
Darauf sagte Mohammed zu Amr ibn Umayya:
"Du hast zwei Männer getötet, für die ich nun die Blutschuld bezahlen muss. An diesem ganzen Unternehmen ist Abu l-Bara schuld. Ich selbst wollte es nicht und habe solch einen Ausgang befürchtet."
Als Abu l-Bara davon erfuhr, dass Amir ibn Tufail sein Versprechen ihm gegenüber nicht gehalten hatte und er so viele (etwa 40) Moslems getötet hatte, bedrückte ihn dies sehr.
Nun ging Mohammed zum jüdischen Stamm der "Banu Nadir", um sie zu bitten, ihm bei der Bezahlung der Blutschuld für jene beiden Amir zu helfen, die "Amr ibn Umayya" im Schlaf getötet hatte. Mohammed war zur Zahlung der Blutschuld verpflichtet, da er sich mit den beiden getöteten Amir durch das Schutzversprechen, welches er mit Abu l-Bara vereinbart hatte, verbunden fühlte. Mohammed ging, laut der Prophetenbiographie Ibn Ishaq's, zu den Banu Nadir und forderte sie auf, sich an der Blutschuld zu beteiligen, da die Banu Nadir Bundesgenossen der Banu Amir waren und weil er offensichtlich vermutete, die jüdischen Banu Nadir könnten "Amir ibn Tufail" angestiftet haben, die 40 Muslime zu töten. Einen berechtigten Grund für die Banu Nadir gab es jedenfalls nicht, sich an der Blutschuld beteiligen zu müssen.
Zwischen Mohammed und den Banu Nadir bestand bereits vor der Aufforderung Mohammeds an die Banu Nadir, sich an der Blutschuld zu beteiligen, ein sehr gespanntes Verhältnis, denn Mohammed hatte einen der Anführer der Banu Nadir, den jüdischen Dichter "Kab ibn al-Scharaf", von dem sich die Moslems durch seine Liebeslieder kompromitiert sahen, ermorden lassen. Bereits vorher hatte Mohammed die jüdische Poetin "Asma bint Marwan" und den über 100-jährigen Juden Abu Afak töten lassen, weil sie respektlose Worte über Mohammed geäußert hatten. (Quelle:
Banu Nadir) Außerdem hatte Mohammed bereits im Jahre 624 den ebenfalls in Medina ansässigen jüdischen Stamm der "Banu Quaynuqa" aus Medina vertrieben.
Als Mohammed mit der Bitte zu den Banu Nadir kam, ihm bei der Zahlung der Blutschuld zu unterstützen, erklärten sie sich bereit, ihm dabei behilflich zu sein. Dann zogen sie sich zur Beratung zurück. Sie sagten (laut Prophetenbiographie):
"So günstig bekommen wir diesen Mann nicht wieder."
Denn Mohammed saß neben der Wand einer ihrer Häuser. Weiter sagten sie:
"Wer steigt also auf das Haus, wirft einen Stein auf ihn und befreit uns so von ihm."
Einer von ihnen, "Amr ibn Djihash", erkärte sich dazu bereit und stieg auf das Haus, um einen Stein auf Mohammed zu werfen. Mohammed saß dort mit seinen mohammedanischen Gefährten, darunter Abu Bakr, Umar und Ali, als ihn eine Botschaft vom Himmel erreichte, die ihm das Vorhaben der Banu Nadir offenbarte (sagt jedenfalls die Prophetenbiographie). Deshalb machte er sich sofort auf den Rückweg nach Medina, ohne seinen Gefährten etwas davon mitzuteilen. Seine Gefährten dagegen warteten bei den Banu Nadir auf ihn. Als er ihnen aber zu lange dauerte, gingen auch sie wieder nach Medina. Als sie Mohammed schließlich wieder in Medina antrafen, fragten sie ihn, warum er gegangen war. Darauf erklärte er ihnen, dass die Juden vom Stamme der Banu Nadir ein Attentat auf ihn geplant hatten. Dann ließ er zum Krieg gegen die Banu Nadir rüsten und fiel über die Banu Nadir her. Er belagerte sie sechs Tage. Danach erfolgte die Offenbarung des Weinverbots.
Wenn ich mir die Vorgänge um die Banu Nadir betrachte, dann erscheinen mir die Gründe für den Krieg gegen die Banu Nadir ein wenig an den Haaren herbei gezogen. Es gab für Mohammed eigentlich überhaupt keinen Grund, die Blutschuld von den Banu Nadir zu fordern. Mir scheint, die Behauptung, die Banu Nadir wollten Mohammed töten, nur als ein Vorwand, um gegen sie in den Krieg zu ziehen. Bereits die Bitte (Aufforderung?) an die Banu Nadir, sich an der Blutschuld zu beteiligen, erscheint als Affront gegen die Banu Nadir, die sie eigentlich nur ablehnen konnten. Wenn sie dieser Bitte zunächst nachkamen, dann wahrscheinlich nur aus dem Grund, weil sie eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Mohammedanern befürchteten, wenn sie dieser Bitte nicht nachkamen. War die Bitte Mohammeds an die Banu Nadir, sich an der Blutschuld zu beteilgen, nicht nur eine Erpressung und ein Grund militärisch gegen die Banu Nadir vorzugehen, weil sie sich nicht dem Islam unterordnen wollten?
Quelle: Das Leben des Propheten von Ibn Ishaq