Die Kunst des Zuhörens

Berian

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8. August 2002
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82
Ort
Chiemgau, Bayern
Hallo Leute !

In den letzten Jahren fällt mir mehr und mehr ein Phänomen auf, das ich gerne mit Euch diskutieren würde.

Ich mache zunehmend die frustrierende Erfahrung, daß kaum ein Mensch mehr in der Lage ist zuzuhören. Vermehrt treffe ich auf Menschen, die nur ihren eigenen Gedanken, Meinungen und Ideen Ausdruck verleihen, jedoch nicht auf das, was andere sagen (oder schreiben) eingehen können.

Für mich ist jemand, der zuhören kann einer, der den anderen aussprechen läßt, auf das Gesagte eingeht und antwortet. So kann gemeinsam ein Thema "durchgesprochen" werden und das Gespräch ist für denjenigen, den das Thema betrifft befriedigend und hilfreich.

Einer wirft also den Ball, der andere fängt ihn auf und wirft in zurück. So geht es wunderbar hin und her.

So sollte es sein. In Wirklichkeit wirft der eine einen roten Ball. Der andere läßt diesen achtlos fallen und wirft einen blauen Ball zurück.

Das sieht dann z.B. so aus, daß ich ein Gespräch beginne und voller Freude und Begeisterung etwas erzähle. Als Antwort erhalte ich dann etwas ganz anderes, ein neues Thema, als ob ich gar nicht von "meinem" Thema angefangen hätte!

z.B.: ich: "Ich habe kürzlich einen interessanten Bericht im TV gesehen zum Thema Leben nach dem Tod. Der war vielleicht interessant !!"

Antwort: "Ja. Gestern habe ich zwei Stunden lang mein Auto gewaschen, weil es so schmutzig war!"

:wut2:

Das ist für mich jedesmal wie eine Ohrfeige.

Wieso können Menschen nicht zuhören? Wieso sind sie so tief in ihren eigenen Gedanken verfangen?

In der Regel muß ich dann die Rolle des Zuhörers übernehmen ("Achja? Wo bist Du denn rumgefahren daß Dein Auto so dreckig wurde?"), was ich im Prinzip ja auch sehr gerne mache. Nur ... wenigstens hin und wieder hätte ich halt auch gerne jemanden der mir zuhört!

Das gilt nicht nur für Gespräche. Auch eMails und Forenbeiträge laufen häufig so ab. Geht es Euch auch so? Hört man Euch wirklich zu? :confused:

Nun soll man sich ja immer erst an die eigene Nase fassen und sich fragen, ob man denn von anderen etwas erwartet was man selbst nicht zu leisten bereit ist.

Ich glaube aber behaupten zu dürfen, daß ich einigermaßen zuhören kann. Und ich höre anderen gerne zu! Gespräche wie oben verlaufen aber meist so, daß ich auf die Themen des Anderen eingehe. Zum Schluß war ich dann zwei Stunden lang Zuhörer, bin auf den anderen eingegangen, habe versucht mich in seine Gedanken einzufühlen.
Am Ende komme ich mir ausgelaugt und ausgenutzt vor...

Ich habe dann gar keine Lust mehr, mit solchen Nicht-Zuhörern noch irgendwelche Gespräche anzufangen. Auffallend finde ich es auch, daß in "esoterisch interessierten" Kreisen dieses Nicht-Zuhören paradoxer Weise noch viel stärker ausgeprägt zu sein scheint.

Und weil ich das sonst niemanden erzählen kann, der mir auch wirklich zuhört, habe ich das alles Euch geschrieben und bin gespannt, ob mir jemand zugehört hat ;)

Alles Gute,

Alex
 
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Hallo Berian
Du hast vollkommen recht, das Zuhören geht mehr und mehr verloren, dabei ist es doch so interessant, wirklich zuzuhören, sich auch ganz in die Worte des anderen einzuspüren und vor allem auch hinter die Worte zu spüren. In esoterischen Kreisen sind die Menschen noch mehr mit sich selbst beschäftigt, jeder geht seiner eigenen Sinnsuche nach und wittert bei ganz normalen Gesprächen und Diskussionen die Gefahr, seiner eigenen Überzeugung, die er sich mühsam zusammengebastelt hat, beraubt zu werden. Ach je...der Andere könnte ja irgendetwas erwähnen, was meine eigene Welt ins Schwanken bringt. Und..."ich bin doch so mit mir selbst und meiner Erleuchtung beschäftigt, das ist das Wichtigste für mich".....Daß die "erleuchtung" aber gerade durch das Zurückschrauben des eigenen Egos kommen kann, sehen viele nicht.
Das Handy-Zeitalter unterstützt diese Entwicklung des Nicht-Zuhörens ungemein, während man mit einem guten Freund essen geht, bimmelt das Handy....man spaltet die Aufmerksamkeit in verschiedenste Richtungen und ist nirgends ganz.
Ich höre sehr gerne zu, obwohl ich auch sehr gut ohne Ende reden kann, doch während des Zuhörens fühle ich den ganzen Menschen der mir erzählt und zwischendurch fällt gerade der Satz, nach dem ich vielleicht schon lange in mir gesucht habe ;)(Ego)......und ich tue dem anderen einfach durch mein ganz bei ihm sein gut....naja, wenn das jeder so halten würde, würden sich nicht einzelne immer wieder total erschöpft fühlen.
Jemandem Zuhören bedeutet auch, meine Energie auf ihn und nicht auf mich zu lenken, und dazu sind nur wenige bereit, im Gegenteil, sie kämpfen stets um noch mehr Energie für sich.....Würde nun jeder nach eigenen Energiequellen suchen und nicht beim Anderen, wäre wieder ein Gleichgewicht hergestellt und man könnte ganz friedlich zuhören....tja....Träume.....

Liebe Grüße
Luquonda
 
Genau das ist ein Problem, an dem ich manchmal verzweifeln könnte.
Manche Menschen fragen etwas, man formuliert einen Satz, kann ihn aber nicht mal zu Ende sprechen, schon kommt die nächste Frage oder Bemerkung. Dann wird aber steif und fest behauptet, das hätte man nie gesagt. Antwort darauf: weil du nicht zuhörst!

Unsere Gesellschaft ist krank. Hören, sehen, schreiben, alles gleichzeitig und nichts wird bewußt wahr genommen und registriert.

Gehe in den Wald und lausche.

Ich habe für mich entschieden, dass ich mit Menschen, die mir nicht diesen einfachen Respekt erweisen können, nicht mehr meine Zeit vertrödeln will. Das Miteinander beruht auf geben und nehmen.
Zuhören hat mit Geduld und Verständnis und Achtung zu tun. Aber das sind Eigenschaften, die nicht mehr im Trend liegen.
Auch hier im Forum, in anderen Foren aber auch, ist es üblich, viele Postings einfach zu übergehen oder zu veralbern.

Die einfachste Art einen Menschen zu ehren ist -
ihm zuzuhören.

Gruß Dawn
 
Hallo Luquonda und Dawn !

Ich fühle mich von Euch ganz und gar verstanden ! :)

Luquonda:
Du hast wohl recht damit, daß spirituell interessierte Menschen zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind um zuzuhören. Auch das Kommunikationszeitalter bewirkt nur, daß wir zwar mit Kommunikation überschwemmt werden, aber nicht wirklich darauf eingehen können. Es ist wohl einfach zu viel!

> während des Zuhörens fühle ich den ganzen Menschen der mir
> erzählt
> wirklich zuzuhören, sich auch ganz in die Worte des anderen
> einzuspüren und vor allem auch hinter die Worte zu spüren

Ich glaube Du bist das, was ich als "guten Zuhörer" bezeichnen möchte. Zuhören ist das eine, "gut" zuzuhören das andere! Ein "guter" Zuhörer hört die Worte, die nicht gesagt werden, liest zwischen den Zeilen. Er geht auf das ein, was der Erzähler nicht sagte, aber doch zum Ausdruck brachte!

Aber heutzutage muß man seine Gesprächspartner am Genick packen und mit dem Kopf so lange auf das Thema stoßen, bis er es endlich bemerkt. :wut2: Kein Platz mehr für die leisen Töne...

Was mich stark interessieren würde:
wie schützt Du Dich vor Nicht-Zuhörern?
Was tust Du, damit dich diese nicht einfach auslaugen, jede Energie rauben?


Dawn:
Während ich bei Luquonda den Eindruck habe, daß sie mit Nicht-Zuhörern ganz gut zurecht kommt glaube ich, daß Du ebenso darunter leidest wie ich!

Ich könnte jemanden, der mich ständig unterbricht, meine Worte ignoriert und nicht wirklich zuhört manchmal am liebsten in's Gesicht springen!

>Unsere Gesellschaft ist krank.

Ja, vermutlich hast Du recht! Oder kann es an uns liegen? Verlangen wir zuviel?
Worin siehst Du die Ursachen für diese "Krankheit"?

> Ich habe für mich entschieden, dass ich mit Menschen, die mir
> nicht diesen einfachen Respekt erweisen können ...

Oh, das ist gut formuliert: nicht zuhören ist Respektlosigkeit!! Da hast Du vollkommen recht!

>[mit diesen Menschen] nicht mehr meine Zeit vertrödeln will.

Ja, das ist wohl der einzige Weg, oder?
Eine Freundschaft mit einem alten Schulkollegen liegt bei mir deswegen auch schon "im Sterben"...

> Auch hier im Forum, in anderen Foren aber auch, ist es üblich,
> viele Postings einfach zu übergehen oder zu veralbern.

Ich finde daß dieses Forum hier noch gut ist! Es gibt wirklich schlimme Foren, wo nur noch gestritten wird.
Aber ich muß mich auch an die eigene Nase fassen: leider kann ich nicht alle Postings lesen weil mir die Zeit fehlt. Also bleibt manches vielleicht unbeantwortet, ungelesen, ungehört....

Schade, daß es so ist.
Schlimm, daß man diese negativen Seiten oft auch an sich selbst findet!

Oft ertappe ich mich dabei, einem Gesprächspartner ins Wort zu fallen. Dann ärgere ich mich jedesmal über mich selbst. Ich habe manchmal das Gefühl, daß das "Nicht-Zuhören" abfärbt!

Wie schützt man sich davor, selbst ein Nicht-Zuhörer zu werden?


Danke für's Zuhören :winken5:

Alex
 
manche machen einem das zuhören aber auch nicht einfach. Ich hab eine Bekannte, die führt keinen Satz zu Ende. Sie hat jedes mal Angst das letzte Wort auszusprechen, stattdessen erklärt sie in einem zweiten Satz, warum sie den ersten angefangen hat, vergißt wiederum das letzte Wort. Man kennt es längst, das letzte Wort, aber sie beginnt erneut mit ausschweifungen. Ich wende mich ab, ich kann ihr nicht zuhören, es macht mich wütend und ratlos, wenn Menschen einfache Sätze nicht aussprechen können.
Ich höre gerne zu, hinterfrage auch gesagtes, aber oft bleibt es dann dabei.

Ein Forum hat vor und Nachteile: man kann jemanden seine Meinung vor den Latz knallen (schon mehrfach gelesen) und meldet sich dann trotz zig anfragen nicht mehr. Nach einer Woche, der nächste Hieb (keine Diskussion, kein Dialog) Eine derartige "Unterhaltung" ist so etwas von arrogant, da kann man sich nur noch abwenden. Schade eigentlich. Aber wie ihr schon gesagt habt, wenn man etwas am esoterischen Lack kratzt, dann spricht man nur noch gegen Mauern.
 
Reden ist Silber, Schweigen....


Ob man mir zuhört hängt davon ab, wie und worüber ich spreche.
Wenn ich NULL Inhalt biete brauche ich mich nicht wundern, wenn sich alles langweilt und schliesslich das Thema wechselt.

Ich darf darum Deine Frage Wieso können Menschen nicht zuhören? erweitern um den Punkt:


"Wieso schwätzen die Leute, mir insbesondere, eigentlich soviel dummes Zeug?"


Vielleicht liegt der Fehler ja auch in der Oberflächlichkeit unserer Themen. ;)
 
........."oft ertappe ich mich dabei, einem Gesprächspartner ins Wort zu fallen............."

und das ist es z.B. wenn ich sage "Ich muß bei MIR anfangen".....

Danke für den Beitrag
Caitlinn
 
"wieso schwätzen die Leute, mir insbesondere, soviel dummes Zeug?" -

- dieses "mir insbesondere" verstehe ich nicht - zwischen den Zeilen zwar schon, aber gedruckt tu ich mir schwer - magst mich aufklären ????????

Caitlinn
 
Original geschrieben von Berian
Hallo Luquonda und Dawn !

Ich fühle mich von Euch ganz und gar verstanden ! :)

Luquonda:
Du hast wohl recht damit, daß spirituell interessierte Menschen zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind um zuzuhören. Auch das Kommunikationszeitalter bewirkt nur, daß wir zwar mit Kommunikation überschwemmt werden, aber nicht wirklich darauf eingehen können. Es ist wohl einfach zu viel!

> während des Zuhörens fühle ich den ganzen Menschen der mir
> erzählt
> wirklich zuzuhören, sich auch ganz in die Worte des anderen
> einzuspüren und vor allem auch hinter die Worte zu spüren

Ich glaube Du bist das, was ich als "guten Zuhörer" bezeichnen möchte. Zuhören ist das eine, "gut" zuzuhören das andere! Ein "guter" Zuhörer hört die Worte, die nicht gesagt werden, liest zwischen den Zeilen. Er geht auf das ein, was der Erzähler nicht sagte, aber doch zum Ausdruck brachte!

Aber heutzutage muß man seine Gesprächspartner am Genick packen und mit dem Kopf so lange auf das Thema stoßen, bis er es endlich bemerkt. :wut2: Kein Platz mehr für die leisen Töne...

Was mich stark interessieren würde:
wie schützt Du Dich vor Nicht-Zuhörern?
Was tust Du, damit dich diese nicht einfach auslaugen, jede Energie rauben?



Hallo Berian

Wenn du bereitwillig zuhörst und dabei nicht mit deiner inneren Wut beschaäftigt bist, weil dein Bedürfnis jetzt gerade nicht erfüllt wird, fühlst du dich nach dem Zuhören nicht ausgelaugt. Wenn du überhaupt erst Wut spürst, weil dir der andere jetzt nicht zuhört, bist du eigentlich im gleichen Muster.....ihr spiegelt euch dann.
Ich frage mich dann selbst, warum ich denn unbedingt möchte daß mir zugehört wird, will ich wirklich etwas neues erfahren oder möchte ich mich nur von Lasten befreien, nur das Abladen, was mir innerlich im Moment zuviel ist.
Ich habe dann Vertrauen darin, daß ich auch wenn ich gerade nicht der Erzähler bin, genau auch die Hilfe bekomme, de ich gerade benötige, und meine innere Wirrnis abladen kann ich auch bei mir und mit mir selbst, in Meditation oder schreib ich es mir von der Seele....dann kann ich mich auch selbst wieder freier mit Energie füllen, ohne das von einem anderen zu erwarten....

Wenn ich bemerke, daß mich das Zuhören auslaugt, ist es für mich ein Zeichen, daß das Gesagte entweder auch einen Punkt in mir trifft oder daß es nur noch um das Abladen von Frust geht....ich zieh mich dann in mich zurück und versuche, Energie nicht von mir sondern vom Kosmos weiterfließen zu lassen....wenn keine kommt, weiß ich, daß das Gespräch nun zu beenden ist. Ich laufe dann aber nicht weg oder dreh mich einfach um, sondern sage dies auch ganz ehrlich zu meinem Gesprächspartner...daß es mir nun nicht mehr möglich ist, weiter zuzuhören....

Liebe Grüße
Luquonda
 
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Original geschrieben von Calendula
manche machen einem das zuhören aber auch nicht einfach. Ich hab eine Bekannte, die führt keinen Satz zu Ende. Sie hat jedes mal Angst das letzte Wort auszusprechen, stattdessen erklärt sie in einem zweiten Satz, warum sie den ersten angefangen hat, vergißt wiederum das letzte Wort. Man kennt es längst, das letzte Wort, aber sie beginnt erneut mit ausschweifungen. Ich wende mich ab, ich kann ihr nicht zuhören, es macht mich wütend und ratlos, wenn Menschen einfache Sätze nicht aussprechen können.
Ich höre gerne zu, hinterfrage auch gesagtes, aber oft bleibt es dann dabei.

Ein Forum hat vor und Nachteile: man kann jemanden seine Meinung vor den Latz knallen (schon mehrfach gelesen) und meldet sich dann trotz zig anfragen nicht mehr. Nach einer Woche, der nächste Hieb (keine Diskussion, kein Dialog) Eine derartige "Unterhaltung" ist so etwas von arrogant, da kann man sich nur noch abwenden. Schade eigentlich. Aber wie ihr schon gesagt habt, wenn man etwas am esoterischen Lack kratzt, dann spricht man nur noch gegen Mauern.
Hallo Calendula

Hast du dir schon Gedanken gemacht, warum dich dies so wütend macht?
Wenn du sowieso weißt, welches Wort nicht ausgesprochen wird, ist es doch egal ob sie es nun ausspricht oder nicht. Da ist eben ein ganz starkes mitfühlen gefragt, sie wird sich wahrscheinlich ihrer eigenen Worte nicht sicher sein und sich so lange im Kreis herumreden, bis sie den Punkt gefunden hat. Das kann vom Zuhörer schon viel Geduld fordern...doch wenn sie nie zum Ende ihres Erzählens kommt, weil die anderen sich entnervt umdrehen, findet sie den Punkt wohl nicht...

Nun, und Forum, es stimmt daß es auch eine gute Plattform für diejenigen ist, die ihre Überzeugung predigen möchten, jedoch nicht darüber diskutieren....aber wenn Antworten auf sich warten lassen, kann dies auch am ganz normalen Alltag der Menschen liegen........oder daran, daß sie sich eben auch etwas länger Gedanken über die Antwort machen.....und auch das Warten auf´Antworten übt die eigene Geduld......

Liebe Grüße
Luquonda
 
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