Wie du sagst: es IST ein schwieriger und vor allem Zeit beanspruchender Prozeß, umzulernen. Es müssen ja jahrzehntelang eingegrabene Gravuren aus der Seele wegpoliert und neue Gravuren eingezeichnet werden...
Das Stadium "Überszielschießen" gabs bei mir ja auch - teilweise auch im Forum hier nachzulesen

- und ich sage vorsichtshalber, es kann mir im Alltagsleben gelegentlich schon noch so eine Überreaktion auskommen. Genauso gabs die Unsicherheit - die in meinen Augen daraus resultiert, daß man dann das eigene Überreagieren behirnt - und sich dann gar nimmer auskennt. Das Alte will man nimmer - das Neue funktioniert noch nicht - ja wattdennnu

...
Geschafft habe ichs mit Geduld, immer wieder neu versuchen - und Unterstützung der Therapeutin und einiger guter Freunde. Das halte ich für sehr wichtig: im realen Leben Menschen zu haben, die einem bei der Rückmeldung zur Seite stehen. Die einem sagen, du, das fand ich jetzt zwar verständlich, aber überzogen - und das erlebte ich jetzt zwar heftig, aber angemessen.
So entsteht schön langsam ein neues Bezugssystem an der Stelle des alten Krampfes. Das wird dann allmählich tragfähiger, je öfter man es erprobt. Es ist tatsächlich so, als müßte man wie ein kleines Kind neu gehen lernen und bei jedem Schritt das Gleichgewicht neu suchen. Ist genau so mühsam, wie es sich anhört - aber es lohnt sich jeder einzelne Tapser und ebenso jeder Ausrutscher. Denn es folgt irgendwann ein Gefühl von "jetzt bin ich FREI", das jede Beschreibung übersteigt.
Was mir dabei sehr geholfen hat, das waren Affirmationen in der Art, wie Oma Louise (Hay) sie anbietet. Sie empfiehlt in ihren "10 Stufen, wie man sich selbst lieben lernt" ja, so oft wie möglich die alten destruktiven Gedankengänge zu durchbrechen, indem man sich neue, konstruktive Sätze vorsagt. Je öfter, desto besser. Das hierorts so gern als Lieblingsdraufhauer hergenommene "Positiv Denken" hat mir den Prozeß ungemein erleichtert... es kommt halt drauf an, WIE man es denkt und anwendet.
Und nicht zuletzt: die bei dieser Schule des Positiv Denkens übliche Grundhaltung "ich gestalte mir meine Realität SELBST" hat mir nicht nur geholfen. Sie hat sich für mich selbst als wahr erwiesen. Wie wahr, das wurde mir in einem Moment im vergangenen Sommer klar, als ich mit einem Flashback vom Feinsten konfrontiert war (es ist tatsächlich so, daß man in diesem Moment seinen Ohnmachtsgefühlen WEHRLOS ausgeliefert ist) - und ein mir zur Seite springender Mensch den alles entscheidenden Satz sagte "Aber Kinny, das ist doch alles nur in DEINEM KOPF". Als ich hinterher verifizieren konnte, daß er mit diesem Satz vollkommen RECHT hatte, ist der entscheidende Groschen in mir gefallen. In mir erwachte zum ersten Mal der leise hoffende Gedanke - "dann hab ich ja die Chance, das irgendwannmal wirklich LOS zu werden..."
Tor von Gor, ich hoffe, das führt jetzt nicht von deinem Thema hier weg. Ich glaube, es hat Bezug dazu - weil es mir ja drum geht, die gelegentlich mißverständlich formulierten Floskeln zurechtzurücken. Denn, richtig angewendet, sind sie tatsächlich hilfreich...
Liebe Grüße
Kinnaree