Ich habe Dir beschrieben, wie Rauchen wissenschaftlich untersucht wird, und dass darum heutzutage auch wissenschaftlicher Konsenz ist, dass es schädlich ist - d.h. das RISIKO einer Erkrankung drastisch erhöht. Das bedeutet nicht, dass die Erkrankung ganz sicher eintritt. Du redest also an meinem Beitrag und meiner Argumentation vorbei.
Doch, auch hier im Thread kam der Einwurf "das ist keine Einbildung"
Da gibt es zum einen die Placebo-Antwort. Das ist die Reaktion durch psychosoziale Faktoren - Suggestion, Erwartungshaltung, Konditionierung etc. Diverse Untersucheungen u.a. auch mit Hirnscans haben ergeben, dass alleine dadurch Symptome schon stark gelindert werden können. Das ist der Punkt, der allgemein im Volksmund gerne "Einbildung" genannt wird, weil es eben darauf beruht, dass einem etwas suggeriert wird, was nicht wirklich da ist. Die Reaktion des Körpers auf diese Suggestion ist aber dennoch sehr real und kann Symptome lindern. Mittlerweile wird z.B. auch untersucht, ob man diesen Effekt nutzen kann, die Dosierung von Medikamenten mit starken Nebenwirkungen zu verringern. Der Körper wird dabei durch das eigentlich Medikament konditioniert, auf einen Geschmack/Farbe o.ä. wie gewünscht zu reagieren. Nun wird geschaut, ob der Körper auch zuverlässig genug alleine auf diese Reize reagiert, ohne dass der Wirkstoff mit den starken Nebenwirkungen dabei ist. Wenn das zuverlässig genug klappt, könnte man die besagte Dosis verringern und den Wirkstoff nur noch seltener geben.
Dann gibt es noch die Fehlattribution. Es gibt ja sehr viele Gründe, warum ein Mensch von einer Erkrankung genesen kann. Ein Beispiel: Ich hatte vor ein paar Jahren mal ein Gespräch mit einer Mutter, die behauptete, sie hätte die Neurodermitis ihrer Tochter mit Hilfe der Homöopathie geheilt. Ich fragte genauer nach. Neben der Homöopathie hat sie natürlich auch die Ernährung der Tochter umgestellt, und die endgültige Heilung fand erst Jahre nach Beginn der Behandlung im Teenager-Alter statt. Es ist allelrdings bekannt, dass Neurodermitis sich mit guter Ernährung in Schach halten lässt, und auch, dass es oft im Teenager-Alter von selbst verschwindet. Dass sie die Tocher auch homöopathisch behandeln ließ, muss also mit dem Heilerfolg nicht zwingend was zu tun haben. Sie hat aber DIESE Behandluing mit der Heilung attributiert, die anderen - wesentlich plausibleren Faktoren - dabei ausgeblendet.
Daneben kommt noch z.B. die selektive Wahrnehmung. Erfolge bleiben im Gedächtnis und werdne als toller Beweis hochgehalten, Misserfolge... ja, die kann man mal erwähnen, werden aber nicht in die Überlegungen mit aufgenommen, wie groß der Effekt wirklich ist. So entsteht im Kopf eine Art "gefühlte Statistik", die die wahre Statistik aber nicht wirklich gut widerspiegelt.
Das und mehr sind alles gut erforschte Effekte der Wahrnehmungs-Psychologie, die auch über lange Zeit Wirkungen und kausale Zusammenhänge einem Menschen vortäuschen können, wo keine wirkliche Wirkung ist. Um kausale Zusammenhänge WIRKLICH zu ergründen kommt man an guter wissenschaftlicher Methodik nicht herum. Und das ist schon schwierig genug, denn eine Studie ist kein Beweis (siehe Antwoprt unten).
An dieser Stelle der Diskussion kommt oft der Einwand: Das mag ja alles stimmen bei leichten Erkrankungen, aber mit Homöopathie (bzw. allgemein mit Verfahren XYZ) gibt es auch geradezu wundersame Erfolge. Es mag stimmen, dass im Rahmen einer homöopathischen Behandlung auch Menschen mit schlechter Prognose wieder gesund geworden sind. Aber wie oft kommt das vor? Wie groß ist der Anteil? Und wichtiger: Wie groß ist der Anteil, bei denen das nicht klappt? Wenn man oft genug Menschen mit z.B. Krebs behandelt, werden auch mit eigentlich wirkungslosen Methoden vereinzelt Heilungs stattfinden. Um zu schauen, ob die Behandlung wirksam ist, muss eben geschaut werden, ob mit der Behanbdlung diese Erfolgsquote höher liegt. Einzelfälle - wundersame anekdotische Berichte etc. - beweisen da gar nichts.
Hier kommt dann oft der Einwand, dass das ja auch für die konventionelle Medizin gelte. Das ist richtig - auch da wirken diese Placebo-Effekte, und man schaut sogar, wie man sie gut nutzen kann. Und auch hier kann der einzelne Heilerfolg nicht automatisch kausal auf die Therapie geschoben werden. ABER: Die Therapien hier sind entweder wissenschaftlich gut überprüft und es konnte so gezeigt werden, dass mit ihnen die Erfolgschancen erhöht wurden, oder sie sind zumindest wissenschaftlich plausibel und betten sich gut in unsere Erkenntnisse über >Biochemie etc. ein.
Eine verblindete Vergleichsstudie gilt als "positiv", wenn in der Versuchs-Gruppe, also die gruppe der Patienten, die tatsächlich das Verfahren/Mittel bekommt, "statistisch signifikant" mehr Erfolge erzielt werden als in der Kontrollgruppe - also die Gruppe der Patienten, bei denen nur der Schein erweckt wurde, an ihnen würde das Verfahren angewendet. Statistisch signifikant bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit der Vorliegenden Ergebnisses bei "reinem Zufall" unterhalb einer vorher festgelegten Grenze liegt. In medizinischen Studien liegt diese Grenze bei 5% - niedriger kann man nicht gehen, weil die Studiengröße dann unrealistisch hoch sein müsste. Das bedeutet aber dann auch, dass 5% aller Studien zu einem Nicht-Effekt trotzdem ein positives Ergebnis haben - ein sog. falsch-positives Ergebnis.
Hinzu kommt die Tendenz, Studien zu verschweigen, deren Ergebnis den Forschern nicht gefällt - und das ist bei negativen Studien oft der Fall. Studien mit dem Ergebnis "Getestet, nichts bei rausgekommen" sind langweilig. Forscher wollen positive Ergebnisse veröffentlichen, mit denen sie sich auch etablieren können. Dieser Publication-Bias erhöht so den Anteil der veröffentlichten Studien mit positivem Ergebnis.
Mit methodischen Mängeln wird der Anteil der Studien mit falschem Ergebnis noch weiter erhöht.
Und so kommt es, dass auch zu vielen Nicht-Effekten durchaus auch so einige positive Studien finden lassen - vor allem auch, wenn es so viele Studien gibt, wie zur Homöopathie. Darum sind vereinzelte positive Studien auch kein Beweis. Studien müssen überprüft und reproduziert werden, um all diese Möglichkeiten falscher Ergebnisse abzufangen.