Wenn ich die Diskussion um Abtreibung beobachte - nicht nur hier, sondern auch auf den anderen Ebenen -, verdichtet sich bei mir der Eindruck, dass dabei so ziemlich alles außer Acht gelassen wird, was ansonsten im Umgang mit Traumafolgen state of the art ist. Da redet schamlos jede und jeder mit, vom Papst bis zum Blockwart, mehrheitlich Männer, die nur indirekt an Abtreibung beteiligt sein können, man/frau haut sich Meinungen um die Ohren... wem nützt das noch außer den Meinungsträgern?
Ich habe in vielen (und es war für mich erstaunlich, in wie vielen) Aufstellungen systemische Wirkungen von Abtreibung beobachtet, und was für mich dabei vor allem als Gesetzmäßigkeit (zu dem Begriff später noch) herausgekommen ist, war das Konkrete, Unvergleichbare, Einmalige. Da standen keine Fälle, sondern Menschen, und auch dort, wo die Rahmensituation "typisch" erschien, war es ausschließlich die individuelle Verstrickung mit dem Geschehen, die , wenn sie angeschaut wurde, Lösung auf den Weg bringen konnte. Es erschien mir i.d.R. auch ziemlich unerheblich, welche mentalen Konstrukte die Akteure der jeweiligen Aufstellung wählten - wo es gelang, hinzuschauen und hineinzuspüren, waren die heilenden, bewegenden Prozesse (das ist nun meine Einschätzung) jenseits alles Sagbaren.
Wo das moralische Unterfutter von Zuschauern fett ist, erscheint es freilich fast als Frivolität, hier von "Lösung" zu sprechen. Letzten Endes ist es aber nichts anderes als auch sonst: Annehmen, was ist. Was wirk - lich ist. Da muss (und kann) nichts wiedergutgemacht werden, und was an systemischem Ausgleich geboten erscheint, wird ohnedies im Leben geleistet.
Ich frage mich dann aber schon, was die Entrüsteten treibt. Empfindet man/frau es als ungerecht, dass auch jemand mit Schwangerschaftsabbruch in der Biographie nur mit dem "davonkommen" könnte, was sie individuell an Wirkungen auf sich gezogen hat? Fühlen sich jene, die sich gegen Abtreibung entschieden haben, da womöglich manchmal "ungerecht" behandelt? Ich frage mich auch, wie der vielschichtige soziale Druck auf Frauen manche Folgen erst bewirkt oder verstärkt, die als allgemeine Abtreibungsfolgen gelten.
Zu den Gesetzmäßigkeiten wollte ich noch etwas sagen: Kausale Zusammenhänge wären nicht nur völlig unsystemisch, sondern auch methodisch nicht beweisbar. Es kann nur um empirische Beobachtungen gehen, und in diesem Sinn wären Gesetzmäßigkeiten so etwas wie systemische Muster, die gesehen werden können. Muster sind allerdings Funktionen des Hinschauens und nichts, was im System selbst enthalten wäre. Nicht das Geschehen bildet das Muster, sondern es wird durch den Blick geformt, durch die Hypothese, die das Muster postuliert. Und so kann es naheliegend sein, dass es zu massiven Selbstverstärkungseffekten kommt: Wenn ich eine Hypothese habe, steigt die Wahrscheinlichkeit ganz enorm, dass ich auch ein entsprechendes Muster erkenne, im Vergleich zu einem Aufstellen aus "der leeren Mitte" (Hellinger), das sich offen und ohne den Wunsch, sich selbst im Wiederfinden der Hypothese zu bestätigen, dem stellt, was sich - je unterschiedlich - zeigt. Schönes Beispiel ist da für mich Hellinger selbst, der auch anfänglich die "Gesetzmäßigkeit" postulierte, dass sich Mörder außerhalb des Systems stellen und der sie später dann wieder hereinkommen ließ, weil aus der Perspektive größerer Zusammenhänge sich zeigte, dass auch Mörder ihren Platz im System haben. Womit die "Gesetzmäßigkeit" zur zeitweiligen Arbeitshypothese geworden war. M. Varga von Kibed meinte mal polemisch: "Wenn Dir beim Aufstellen eine Hypothese kommt, dann nimm ein Aspirin und fang von vorne an..."
Alles Liebe,
Jake
Ich habe in vielen (und es war für mich erstaunlich, in wie vielen) Aufstellungen systemische Wirkungen von Abtreibung beobachtet, und was für mich dabei vor allem als Gesetzmäßigkeit (zu dem Begriff später noch) herausgekommen ist, war das Konkrete, Unvergleichbare, Einmalige. Da standen keine Fälle, sondern Menschen, und auch dort, wo die Rahmensituation "typisch" erschien, war es ausschließlich die individuelle Verstrickung mit dem Geschehen, die , wenn sie angeschaut wurde, Lösung auf den Weg bringen konnte. Es erschien mir i.d.R. auch ziemlich unerheblich, welche mentalen Konstrukte die Akteure der jeweiligen Aufstellung wählten - wo es gelang, hinzuschauen und hineinzuspüren, waren die heilenden, bewegenden Prozesse (das ist nun meine Einschätzung) jenseits alles Sagbaren.
Wo das moralische Unterfutter von Zuschauern fett ist, erscheint es freilich fast als Frivolität, hier von "Lösung" zu sprechen. Letzten Endes ist es aber nichts anderes als auch sonst: Annehmen, was ist. Was wirk - lich ist. Da muss (und kann) nichts wiedergutgemacht werden, und was an systemischem Ausgleich geboten erscheint, wird ohnedies im Leben geleistet.
Ich frage mich dann aber schon, was die Entrüsteten treibt. Empfindet man/frau es als ungerecht, dass auch jemand mit Schwangerschaftsabbruch in der Biographie nur mit dem "davonkommen" könnte, was sie individuell an Wirkungen auf sich gezogen hat? Fühlen sich jene, die sich gegen Abtreibung entschieden haben, da womöglich manchmal "ungerecht" behandelt? Ich frage mich auch, wie der vielschichtige soziale Druck auf Frauen manche Folgen erst bewirkt oder verstärkt, die als allgemeine Abtreibungsfolgen gelten.
Zu den Gesetzmäßigkeiten wollte ich noch etwas sagen: Kausale Zusammenhänge wären nicht nur völlig unsystemisch, sondern auch methodisch nicht beweisbar. Es kann nur um empirische Beobachtungen gehen, und in diesem Sinn wären Gesetzmäßigkeiten so etwas wie systemische Muster, die gesehen werden können. Muster sind allerdings Funktionen des Hinschauens und nichts, was im System selbst enthalten wäre. Nicht das Geschehen bildet das Muster, sondern es wird durch den Blick geformt, durch die Hypothese, die das Muster postuliert. Und so kann es naheliegend sein, dass es zu massiven Selbstverstärkungseffekten kommt: Wenn ich eine Hypothese habe, steigt die Wahrscheinlichkeit ganz enorm, dass ich auch ein entsprechendes Muster erkenne, im Vergleich zu einem Aufstellen aus "der leeren Mitte" (Hellinger), das sich offen und ohne den Wunsch, sich selbst im Wiederfinden der Hypothese zu bestätigen, dem stellt, was sich - je unterschiedlich - zeigt. Schönes Beispiel ist da für mich Hellinger selbst, der auch anfänglich die "Gesetzmäßigkeit" postulierte, dass sich Mörder außerhalb des Systems stellen und der sie später dann wieder hereinkommen ließ, weil aus der Perspektive größerer Zusammenhänge sich zeigte, dass auch Mörder ihren Platz im System haben. Womit die "Gesetzmäßigkeit" zur zeitweiligen Arbeitshypothese geworden war. M. Varga von Kibed meinte mal polemisch: "Wenn Dir beim Aufstellen eine Hypothese kommt, dann nimm ein Aspirin und fang von vorne an..."
Alles Liebe,
Jake