Lieber Gawyrd,
Als einschlägig vorgeprägter Theologe hätte ich früher solchen Anschauungen durchaus etwas abgewinnen können. Die Erfahrungen in der Aufstellungsarbeit haben meine Sichtweise VÖLLIG verändert. Ich habe NICHT die Erfahrung gemacht, dass Abtreibung mit Mord gleichzusetzen wäre.
Es lag mir fern, Deine Erfahrungen als Leiter Deiner (was auch immer füpr ein methodischer Hintergrund dafür da ist) Aufstellungen oder gar Dich als Person in Frage zu stellen oder abzuwerten. Du hingegegen tust dies mir gegenüber. Schade. Was mag dahinter stecken? Was ist hier die Dynamik?
Wie wurden die Aufstellungen, welche Basis Deiner Erfahrungen sind, geleitet und wie hat es sich gezeigt, müsste ich fragen. Das ist natürlich nun schwer zu klären, ohne aus dem Nähkästchen zu plaudern... Hm... Was machen wir da?
Nebenbei habe ich an keiner Stelle meines Beitrages behauptet, dass "Abtreibungen=Mord". Man lese doch mal genauer hin. Ich sagte:
In der Tat sind die Wirkungen in der Seele nicht nur nach meinen Erfahrungen denen von Mord ähnlich.
In welcher Weise und warum habe ich erläutert, denke ich.
Es haben in den Aufstellungen auch nie die (abgetriebenen) Kinder wie Mordopfer reagiert.
Wie reagieren denn Mordopfer nach Deiner Erfahrung? Was haben sie in ihren Reaktionen gemeinsam? Und in welcher Weise unterscheiden sich die pauschalen Rektionen abgetriebener Kinder nach Dieiner Erfahrung? Welche Regelmäßigkeiten konntest Du aufgrund welcher Erfahrungen entdecken?
Ich möchte Dir - wenn wir denn schon so pauschalieren - insofern zustimmen, dass ich sehr häufig beobachtet und erlebt habe, dass abgetriebene Kinder z.B. sehr schnell bereit waren, die Versöhnung mit ihren Müttern herbei zu führen. Das war, wonach sie dürsten. Und genau das geschieht (oft zudem vorschnell von Stellvertreter/innen "angeboten, die "hilfreich" sein wollen) aus dieser von mir auch benannten unendlichen, ergebenen Liebe bis in den Tod, den diese Kinder gegenüber der Mutter haben. Da ist kein Vorwurf bei ihnen.
Das heißt aber nicht, dass die Fakten, welche in der Seele wirken, ausgehebelt sind. Da heißt es (und zwar v.a. im Sinne der Interessen der Mutter, die das in einer Aufstellung anschauen will) als Leiter sehr achtsam zu sein und sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Es ist verlockend angesichts der Ergebenheit des toten Kindes anzunehmen: "es war ja nicht so schlimm, was die Mutter getan hat". Allerdings ist dann auch genau zu beobachten, wie schwer es der Mutter (bzw. besser der Stellvertreterin) fällt, diesem Kind als ihrem Kind in die Augen zu schauen - ebenso lang, wie das Kind es tut. (Häufig kann man ja die Ergebenheit des Kindes an diesen unendlichen tiefen Blicken - wie ein Kind das gestillt wird - erkennen. Mutter ist dann alles.)
Einschub: Ich erlebe jetzt gerade, wie unendlich diffizil es ist, von dieser Ebene zu schreiben, wenn man nicht wieder missverstanden werden will.
Mörder und ihre Opfer sind zwar ebenfalls extrem verbunden aber das ist doch mit Kindern und ihren müttern schwer verhgleichbar, weil es i.d.R. zwischen Mörder und seinem Opfer nicht die systemische Mutter-Kind-Bindung durch Geburt gibt. Aber schau mal auf Aufstellungen von Müttern, die ihre kinder ermordet haben. Da wirst Du wieder die Ergebenheit sehen.
Interessant aber bei den Mördern: ich habe Aufstellungen erelbt von Mördern des 3. Reiches, in denen die Opfer (mit zunächst viel mehr "Format" als die Täter, nebenbei) völlig im Einklang mit ihrem Gastod waren (was die Tat nicht ungeschehen oder weniger schlimm machte!). Sie waren eher bereit, den Tätern mit einer erstaunlichen Menschen liebe ins Auge zu sehen. Und die Täter konnten angesichts dieser Liebe sie wieder nicht ansehen, weil sie so ihrer Schuld bewusst wurden. Die Opfer sagten einmal in einer solchen Austellung, sie seien im Einklang mit einer großen Kraft, die hinter allem stehe und sie hätten die Einschätzung, ihr Tod ebenso wie die Handlungen der Täter wären in etwas Größerem aufgehoben. (Achtung: Dies enthebt die Täter nicht ihrer Verantwortung, wie sich herausstellte!!!) Die gleiche Bewegung ergab sich bei den Tätern nachdem sie sich ihrem Teil der Schuld gestellt und den Opfern in die Augen (sehr lange!) und sich ihrem Schmerz gestellt hatten. Sie äußerten z.B.: "Ich fühle mich wie der Finger an einer riesengroßen Hand."
Was die Ähnlichkeiten angeht, so habe ich die Erfahrungen gemacht, dass einerseits der Täter sich seiner Tat und den Folgen stellen muss und andererseits die Opfer (obwohl die Toten das zumeist schon tun) und ihre Nachfahren (denen fällt es schwerer) den Täter als Mensch und damit als ebenbürtig und genauso zugehörig erleben können müssen, damit Frieden ist. Und das gilt bei beiden Fällen.
Dauerhaft (systemisch und persönlich) wirksame Lösungen sind sehr wohl möglich, ohne Abtreibung als Mord zu brandmarken.
Ich meine, ich habe an keiner Stelle "gebrandmarkt". Mag sein, Du hast es so gelesen. Aber das ist Deine Leistung.
Das ist für mich nicht Empirie sondern Ideologie.
Wäre es so, würde ich Dir zustimmen. Wer "brandmarkt", der will bei Dritten etwas - nämlich Empörung und mitunter Mord - bewirken, um sich die Finger nicht schmutzig zu machen. Täter brandmarken oft... jene, die es hinterher nicht gewesen sein wollen. Täter des Wortes zum Beispiel, die andere zum Morden aufhetzen und sich selbst unschuldig wähnen. Brandstifter....
Ich frage mich, wie Du meine Empirie, meine konkrete Erfahrung kennen kannst? Warst Du bei mir dabei?
Nebenbei: ich fühle mich von Dir gebrandmarkt als einer der Mörder verurteilen würde und als einer der abtreibende Mütter daher zu Mördern erklären würde, damit sich andere über sie hermachen würden. Mein Bild vom Jesus hast Du offenbar gar nicht gelesen. Der Stier wird durch das rote Tuch erst blind. Du kannst das Tuch herunter nehmen und darüber hinweg schauen, wenn Du willst.
Die Behauptung, dass das einfach so wäre und stimmt ist aus meiner Sicht (und nach über 10jähriger beruflicher Erfahrung) nicht aufrechtzuerhalten.
Nun das mag sein, meine berufliche Erfahrung von tausenden von Austellungen und Arbeit mit zigtausend Menschen in den letzten 30 Jahren ist sicher nicht so viel wert wie Deine nehme ich an ;-) Und Du kannst sie, die meine, ganz sicher einschätzen. Besser als ich.
Was soll das hier werden? Ein Hahnenkampf? Danke!
Therapeutisch wirksam ist nach meiner Erfahrung nicht die Mordbezeichnung - sondern die Annahme und Versöhnung zwischen Kind und Eltern : das Ende der (Selbst)Beschuldigungen.
Lass uns hier mal differenzieren, bitte: Beides ist notwendig - sagte ich, glaub ich vorher schon: Anerkennen was ist und der Durchbruch der Liebe. Aber die Lösung gibt es nach zumindest meiner unerheblichen Erfahrung kaum ohne das Anerkennen der Fakten und das damit verbundene Tremendum.
Man kann allerdings solange Frauen suggerieren, dass Abtreibung Mord ist, bis sie es tatsächlich so erleben und sich wirklich bis in die Seele hinein als Mörderin fühlen. Hilfreich und therapeutisch sinnvoll ist das meiner Erfahrung nach nicht - ganz im Gegenteil.
Was um Himmels Willen machst Du mit einem Mörder, der zu Dir kommt? Treibst Du den in den Selbstmord? Oder machst Du es anders: sagst ihm: es war schon nicht so schlimm.... Kann der sich dann dem Seinen stellen? Ganz offensichtlich hast Du ein Problem damit, Täter und insbesondere Mörder als Menschen zu sehen? Hast Du schon mit welchen gearbeitet? Ich schon. und wäre ich da moralisch gewesen, hätte ich nicht helfen können. Sehr interessant war das und lehrreich für mich. Ich halte es mit dem Jesus derweil... und damit: Was wir ablehnen so werden wir.
Ich meine, auf solche persönliche Verurteilung und Hetze brauche ich nicht noch weiter einzugehen. Fühl Dich besser als ich, bitte!
Und? Hast Du nun mehr Rechte als ich? ;-)
Ich habe hier ohnehin schon öfters Beispiele von Erfahrungen mit Aufstellungsarbeit beschrieben, die völlig andere Bilder zeigen - als das des Mordes. (Ich möchte sie nur nicht ständig neu wiederholen.)
Wo zum Beispiel?
Dass A. nach monatelanger Abwesenheit hier im Teilforum wieder auftaucht, nur um seine alte These Abtreibung = Mord neu aufzuwärmen, finde ich sehr eigenartig.
Gawyrd
Interessant - was bezweckst Du hier bei den anderen Zulesenden? Sie sollen mich ausgrenzen und ablehnen. So wie Du meine Erkenntnis und Erfahrung einfach ausgrenzen möchtest. Das ist schlimm für Dich. In Dir wird gerade etwas ausgegrenzt. Und schlimm für Deine Klienten. Auch ihnen geht etwas verloren.
Hat einer, der auf die Wirklichkeit hinweist, wie sie wirkt (und Dir nicht passt), und einer, der ein paar Monate nichts geschrieben hat, weil er zu viel zu tun hatte (oder/und weil ihm genau solche Ausgleitungen ins Persönliche einfach über waren) weniger Recht, seine Erfahrungen zu berichten und etwas beizutragen? Sind dessen Erfahrungen weniger wert als Deine? Wo steht das?
Wer mich so behandelt, hat meine Beiträge und Mühe nicht verdient.
Ich neige mein Haupt vor Dir in Demut.
A.