Yin und Yang

Energeia, der Artikel ist super, danke. Es ist einfach haarsträubend, die Beschäftigung mit Günther oder Spencer-Brown ist wie eine Hydra, der man einfach nie alle Köpfe abschlagen kann.

Ich überlege z.B. schon längere Zeit, ob in der Informatik Ontologien durch Ontogenese abgelöst werden können. Aber wie das aussiehen müsste, das habe ich noch nicht verstanden.
 
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Weder Günther noch Spencer-Brown sind heute wirklich von der Wissenschaft verstanden, geschweige denn adäquat gewürdigt worden.
viele Wissenschaftler werden - wenn überhaupt - einfach viel später erst verstanden, weil sie ihrer Zeit voraus waren.
Diejenigen, die in der Community fest verankert sind, erhalten Preise, werden gewürdigt, leisten etwas für die oftmals marktorientierte Forschung...
...ja, so ist es leider...

Übrigens denke ich schon seit längerem darüber nach, Wilbers Holon- und AQAL-Theorie aus der Sicht der Günther'schen Polykontexturalitätstheorie zu interpretieren.
hört sich spannend an.

Nach Wilber besteht die Welt aus Holons. Bloss: Was die Identität eines Holons ist, das weiss auch Wilber nicht so recht.
"Holon" ist natürlich ein sehr abstrakter Begriff. Schon der Begriff einer Gattung "homo sapiens" ist recht abstrakt, in der konkreten Anschauung, in der individuelle Ereignisse wahrgenommen werden, nicht anzutreffen.
Der Holon-Begriff abstrahiert nun über alle Gatten-Klassen bis ins biologische und kosmologische Hinein, ähnlich wie der Substanz-Begriff Spinozas: ein Seiendes, das ist, ist Teil (für sich) und zugleich Ganzes.
Das sagt über das Seiende selbst erst einmal nichts aus, sondern verweist alleine auf den Ordnungszusammenhang in dem das Seiende zu verstehen ist.
Dennoch würde ich dir zustimmen, dass der Begriff bei Wilber recht blass bleibt.

Günther würde vermutlich sagen (und, ich glaube es war, Rudolf Kaehr, der irgendwo sagt), dass die Welt eben weder aus Dingen noch aus Prozessen noch aus Holons besteht, sondern aus locus oder loci. Ein Lokus ist ein logischer Ort, wo eine Unterscheidung stattfindet. Der Lokus ist von der Unterscheidung nicht zu trennen, er ist ident mit der Unterscheidung. Es kann nicht gesagt werden, ob es einen oder mehrere Loki gibt, genauso wenig wie gesagt werden kann, ob ein Lokus einen geographischen Ort hat oder zu einem Zeitpunkt stattfindet. Für alle diese Operationen wäre ein Super-Kontext nötig, also ein weiterer Lokus, in welchem diese Fragen beantwortet würden, was natürlich sofort zu einem infiniten Regress führt.
meine Problem mit derart formalen Ansätzen ist, dass man zwar über formal-logische Ansätze zu formal-logisch schlüssigen Beschreibungskalkülen kommt, dass jedoch (für mich) der empirische Bezug nicht wirklich deutlich wird.
Oder es entsteht, wie auch in deinem Falle, eine irgendwie doch plausible Anwendung, so dass ich mich aber dennoch stets frage: Wie kann es sein, dass diese logisch-künstliche Konzeption hier Anwendung finden kann? Ist das wirklich stimmig?

Aus diesem Grunde, also falls man Atman als Lokus interpretiert, ist auch die Frage hinfällig, ob es nun bloss einen einzigen (monistisch) oder viele Atmans im hinduistischen Sinne gibt. Vergleichbare Gedanken lassen sich über den Buddhismus anstellen. Auch Gott ist somit weder eins noch viele, sondern der Lokus, in welchem diese Unterscheidung stattfindet.
erinnert mich an Luhmann, der Gott als mögliche Einheit der Unterscheidung jenseits der Unterscheidung definiert, die jedoch selbst nicht unterschieden/bezeichnet/beobachtet werden kann.

Und damit wird auch sofort offensichtlich, dass der olle Gott vielleicht viel weniger mit echter Transzendenz zu tun hat, dass also Gott gar nicht unbedingt irgendwo da draussen existiert, sondern vermutlich viel mehr mit der Kapazität des Geistes, der auf unserer tiefsten Ebene nur so funktioniert, dass wir eine Unterscheidung machen können, welche gleichzeitig eine Benennung ist. "Draw a distinction!" lautet der berühmte Satz von Spencer-Brown. Und weiter: "We take therefore the form of the distinction as the form." Was jenseits der Unterscheidung liegt, ist die Transzendenz. Also Gott.
das geht nun noch ein Stück darüber hinaus, da du - wenn ich dich richtig verstehe - Gott als Bedingung der Möglichkeit ansiehst, dass wir überhaupt unterscheiden können. Oder verstehe ich dich da falsch?

Was bedeutet nun Bewusstseinswachstum? Ganz einfach die Anwendung des Transjunktionsoperators, also die Rejektion sämtlicher (innerer, geistiger) Werte und Operationen einer (Bewusstseins-) Ebene und der Wechsel auf eine nächsthöhere Ebene.
das findet sich - nur klassisch-logisch - in Piagets strukturgenetischem Ansatz, der die Genese dieser jeweiligen Ebenenstrukturen beschreibt.
Da ich Günthers Ansatz aber leider zu wenig kenne, kann ich es leider nicht ganz nachvollziehen. Hört sich aber spannend an :)

Also gar nicht viel anders als die berühmte (Hegelsche?) These/Antithese/Synthese.
bei Hegel bezieht sich dies auf einen Erfahrungs/Entwicklungsprozess, in dem der Begriff des Seins mehr und mehr entwickelt, bis er schließlich die ERfahrung des Absoluten bezeichnet. Es handelt sich dabei nicht nur um einen Reflexionsprozess - wie noch bei Schelling -, sondern um einen lebendigen ERfahrungsprozess, z.B. auch im Kapitel "herr und knecht", der sich auch in der Evolution über die Menschheitsgeschichte erstreckt.

Die Quadranten und Linien sind dann nur noch etwas Beigemüse Wilbers.
die Quadranten hat Wilber von Parsons (AGIL) kopiert, deren Einteilung mir schon dort nicht schlüssig erscheint. Und die Linien verlängerte Piaget-Entwicklungen, die irgendwie plausibel erscheinen, aber doch eher als heuristische Forschungsorientierungen anmuten.

Ich überlege z.B. schon längere Zeit, ob in der Informatik Ontologien durch Ontogenese abgelöst werden können.
wie weit geht das darüber hinaus, dass die Programmierung von festen Programmstrukturen zu selbstlernenden Programmen umgestellt wird?

Liebe Grüße!
E.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Holon" ist natürlich ein sehr abstrakter Begriff. Schon der Begriff einer Gattung "homo sapiens" ist recht abstrakt, in der konkreten Anschauung, in der individuelle Ereignisse wahrgenommen werden, nicht anzutreffen.
Der Holon-Begriff abstrahiert nun über alle Gatten-Klassen bis ins biologische und kosmologische Hinein, ähnlich wie der Substanz-Begriff Spinozas: ein Seiendes, das ist, ist Teil (für sich) und zugleich Ganzes.
Das sagt über das Seiende selbst erst einmal nichts aus, sondern verweist alleine auf den Ordnungszusammenhang in dem das Seiende zu verstehen ist.
Dennoch würde ich dir zustimmen, dass der Begriff bei Wilber recht blass bleibt.
Ja, das ist natürlich abstrakt, jedoch nicht abstrakter als beispielsweise "Ding" oder "Prozess". Der entscheidende Punkt ist aber, und dafür habe ich kürzlich extra Wilbers Sex, Ecology and Spirituality herausgekramt, dass Wilber nirgendwo definiert, welches das Kriterium ist, nach welchem ein Holon seine Identität gewinnt. Wie grenzt er ein Holon von einem anderen ab, mit anderen Worten, wie trifft er eine Unterscheidung? Das sagt er nirgendwo - weil er es nämlich gar nicht weiss. (Gleiches würde auch für "Ding" und "Prozess" gelten.) Günther und Spencer-Brown sind sich hingegen dieses Vorgangs sehr deutlich bewusst. Identität ist nicht im Ding/Prozess/Holon bereits ontisch vorhanden, sondern das Resultat, oder noch genauer: der Akt einer Unterscheidung.

Ein Lokus hat somit selbst keine Identität, wenn schon dann ist er Identität im Sinne, dass er ident mit einer Unterscheidung und somit einer Benennung ist.

Günther hat diesen Umstand in seiner Kenogrammatik sehr präzise herausgearbeitet. Ein Kenos wäre demnach eine Leerstelle, also ein Lokus, wo eine Unterscheidung getroffen und ein Zeichen auf eine leere Seite gemalt wird.
meine Problem mit derart formalen Ansätzen ist, dass man zwar über formal-logische Ansätze zu formal-logisch schlüssigen Beschreibungskalkülen kommt, dass jedoch (für mich) der empirische Bezug nicht wirklich deutlich wird.
Oder es entsteht, wie auch in deinem Falle, eine irgendwie doch plausible Anwendung, so dass ich mich aber dennoch stets frage: Wie kann es sein, dass diese logisch-künstliche Konzeption hier Anwendung finden kann? Ist das wirklich stimmig?
Jo, da geb ich dir Recht. Darauf hab ich auch keine schlüssige Antwort.
erinnert mich an Luhmann, der Gott als mögliche Einheit der Unterscheidung jenseits der Unterscheidung definiert, die jedoch selbst nicht unterschieden/bezeichnet/beobachtet werden kann.

das geht nun noch ein Stück darüber hinaus, da du - wenn ich dich richtig verstehe - Gott als Bedingung der Möglichkeit ansiehst, dass wir überhaupt unterscheiden können. Oder verstehe ich dich da falsch?
Also, ich bin hier durchaus kein Atheist, das ist dir sicher auch klar. Transzendenz ist historisch gesehen einfach jeweils das, was sich unserer Erkenntnis entzieht. Früher belegte man jegliche Transzendenz mit Gott, aber heute müssen wir hier etwas vorsichtiger und bescheidener sein. Möglicherweise ist das Transzendente nicht einfach Gott, sondern bloss transzendent. Nur weil es nicht gedacht oder erkannt werden kann, heisst das noch lange nicht, dass das oder dort gleich Gott ist. Und was gedacht oder erkannt werden kann, kann immer nur körperlich-geistig gedacht und erkannt werden. Insofern ist das, was weder körperlich noch geistig ist, was sich also jenseits des benutzten Erkenntnisinstruments befindet, transzendent.

Wenn ich in einem kleinen Zimmer ohne Fenster aufwachse, und das Zimmer hat nur eine Türe, dann ist dort draussen noch lange nicht "Gott", nur weil ich nicht weiss, was sich jenseits der Türe befindet, und ich keine Möglichkeit habe, dort hinzuschauen.
das findet sich - nur klassisch-logisch - in Piagets strukturgenetischem Ansatz, der die Genese dieser jeweiligen Ebenenstrukturen beschreibt.
Da ich Günthers Ansatz aber leider zu wenig kenne, kann ich es leider nicht ganz nachvollziehen. Hört sich aber spannend an :)

wie weit geht das darüber hinaus, dass die Programmierung von festen Programmstrukturen zu selbstlernenden Programmen umgestellt wird?
Also, meine Idee ist in etwa die folgende. In der Informatik ist eine Ontologie eine Ansammlung von Fakten über Dinge, Relationen zwischen Dingen und den Attributen von Dingen (oder den Relationen). Wie das Ding bestimmt ist, wie es also vom Nicht-Ding abgegrenzt ist, mit anderen Worten: woher es seine Identität erhält, das ist nicht näher erläutert. (Das ist in Bezug auf die Ontologie eben "transzendent".)
Das führt genau dann zu grossen Problemen, wenn jemand "Virus" als "Lebewesen" in seiner Ontologie abgespeichert hat, und jemand anderer in einer zweiten Ontologie Virus als "Makromolekül" führt. Was ist ein Virus? Nun, das ist eben kontextabhängig zu beantworten. Aber der Kontext ist dummerweise nicht Teil der Ontologie. Eine Ontologie muss im Normalfall ohne Widersprüche auskommen, sonst ist der Computer überfordert.
Meine Idee wäre nun, nicht Fakten über Dinge abzuspeichern, sondern die Regeln zur Unterscheidung zwischen Ding und Nicht-Ding. Jedesmal, wenn wir wissen wollen, was ein Virus ist, dann müssen wir eben alle Unterscheidungsregeln ausführen (Genese). Und in gewissen Fällen, eben kontextabhängig, ist ein Virus halt ein Lebewesen und in anderen Fällen ist er ein Makromolekül. Die Regeln selbst sind nichts als Unterscheidungen, welche wiederum rekursiv unterschieden werden können.
"Selbstlernend", ja, wobei nicht das Lernen von zentralem Interesse ist, sondern die Tatsache, dass der Computer die notwendigen Unterscheidungen selbständig zur Laufzeit vornimmt.
Viel weiter bin ich bisher noch nicht gekommen, so richtig klar ist mir die Sache nämich nicht.
bei Hegel bezieht sich dies auf einen Erfahrungs/Entwicklungsprozess, in dem der Begriff des Seins mehr und mehr entwickelt, bis er schließlich die ERfahrung des Absoluten bezeichnet. Es handelt sich dabei nicht nur um einen Reflexionsprozess - wie noch bei Schelling -, sondern um einen lebendigen ERfahrungsprozess, z.B. auch im Kapitel "herr und knecht", der sich auch in der Evolution über die Menschheitsgeschichte erstreckt.
Ich kenne ehrlich gesagt Hegel fast nicht, und Schelling leider gar nicht. Aber: Günther würde genau an dem Punkt widersprechen, wo "die Erfahrung des Absoluten" sich einstellen soll. Diesen Punkt wird es nie geben, er wird sich nie einstellen. Nebst Yin und Yang ist die Dynamik zwischen beiden (Information) die dritte treibende Kraft, die weder auf Yin noch auf Yang zurückgeführt werden kann. Es ist ein dialektisches Werden, ein stetiges ("holarchisches", von mir aus) Wachstum von Kontexten, endlos. Es gibt keinen SUPER-Kontext, der alle anderen Kontexte umfasst. Das Sein schliesst das Nichts aus, und wenn wir beide zusammennehmen, dann ist das Werden noch immer nicht erklärt. Und selbst wenn wir auch noch das Werden mit hineinnehmen, so wissen wir noch immer nicht, wo die drei eigentlich stattfinden.

Wobei - und das ist sehr wichtig - das noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Günther hat sich in seinem Werk mit sogenannten Negativsprachen auseinandergesetzt. Aber was das letztlich sein soll, das habe ich bisher noch nicht begriffen. Es dreht sich um das Problem, dass alles, was gesagt werden kann, nur positiv gesagt werden kann. Günther fragt sich, ob eine Negativsprache möglich wäre und wie diese aussehen könnte. Mehr weiss ich dazu nicht.
die Quadranten hat Wilber von Parsons (AGIL) kopiert, deren Einteilung mir schon dort nicht schlüssig erscheint. Und die Linien verlängerte Piaget-Entwicklungen, die irgendwie plausibel erscheinen, aber doch eher als heuristische Forschungsorientierungen anmuten.
Ach, ach, ach, der arme Wilber. Hat sich all sein Wissen nur zusammenkopiert. Macht nichts, gelesen hab ich's trotzdem gerne, und ganz gehörig meinen Geist erweitert haben seine Bücher schon. Aber heute frag ich mich schon ein wenig, ob er sich nicht manchmal ein wenig wie ein Betrüger vorkommt, so ganz heimlich, wenn grad niemand hinguckt.
 
Der entscheidende Punkt ist aber, und dafür habe ich kürzlich extra Wilbers Sex, Ecology and Spirituality herausgekramt, dass Wilber nirgendwo definiert, welches das Kriterium ist, nach welchem ein Holon seine Identität gewinnt. Wie grenzt er ein Holon von einem anderen ab, mit anderen Worten, wie trifft er eine Unterscheidung? Das sagt er nirgendwo - weil er es nämlich gar nicht weiss. (Gleiches würde auch für "Ding" und "Prozess" gelten.) Günther und Spencer-Brown sind sich hingegen dieses Vorgangs sehr deutlich bewusst. Identität ist nicht im Ding/Prozess/Holon bereits ontisch vorhanden, sondern das Resultat, oder noch genauer: der Akt einer Unterscheidung.
dass Wilber noch in alteuropäisches Identitätsdenken fällt, das sich gar nicht bewusst ist, wie etwas seine Identität gewinnt - über Differenz -,... ...ja, da kann ich dir natürlich zustimmen.
Das trifft sicherlich auf viele Philosophen der Zeit Wilbers zu und wurde ja erst etwa in den 70er Jahren einigen wenigen bewusst - z.B. über die Rezeption Heideggers - der sich mit Hegels Identitäts-Ansatz auseinandersetzt - durch Derrida... ...oder eben über die Rezeption Günthers in den 70er Jahren.
Im deutschen Idealismus hat man die Problemstelle auch gesehen, hat aber das Verhältnis von Identität und Differenz nicht als Differenz, sondern als Identität des Absoluten gefasst.
Die Sicht war also 2 Stockwerke höher als bei Wilber, der das alles nicht sieht, und einfach mehr oder weniger populärphilosophisch - was die begriffliche und methodisch, methodologische Vorgehensweise angeht - drauf los werkelt.


Ein Lokus hat somit selbst keine Identität, wenn schon dann ist er Identität im Sinne, dass er ident mit einer Unterscheidung und somit einer Benennung ist.
ja, die ihre Bedeutung lediglich in ihrer Verweisung/Identität/Spur, ihrem Kontext erhält...

Jo, da geb ich dir Recht. Darauf hab ich auch keine schlüssige Antwort.
finde ich spannend, dass du das sagst. Einerseits nehme ich da bei dir viel Enthusiasmus (Leidenschaft?) für die Theorie wahr, geht es dir durchaus darum, einen komplexen, hoch-theoretischen Ansatz zu durchdringen...
...andererseits bist du aber auch bereit, einfach loszulassen und einzugestehen, dass auch ein derartiger polykontext. Differenz-Ansatz nicht einfach die Welt begreift... ...der Ansatz wird dir also nicht zur Ersatzreligion, wie das bei manch anderen Anhängern Günthers, Luhmanns, etc. zu sehen ist...

Also, ich bin hier durchaus kein Atheist, das ist dir sicher auch klar. Transzendenz ist historisch gesehen einfach jeweils das, was sich unserer Erkenntnis entzieht. Früher belegte man jegliche Transzendenz mit Gott, aber heute müssen wir hier etwas vorsichtiger und bescheidener sein. Möglicherweise ist das Transzendente nicht einfach Gott, sondern bloss transzendent. Nur weil es nicht gedacht oder erkannt werden kann, heisst das noch lange nicht, dass das oder dort gleich Gott ist. Und was gedacht oder erkannt werden kann, kann immer nur körperlich-geistig gedacht und erkannt werden. Insofern ist das, was weder körperlich noch geistig ist, was sich also jenseits des benutzten Erkenntnisinstruments befindet, transzendent.
soweit ich weiß, hast du doch auch ausreichend Erfahrung in Zen-Meditation. Du weißt doch auch, dass es Erfahrungen gibt, die nicht gedacht werden, die nicht auf Bedeutungssinn beruhen. Oder siehst du das anders?
Es gibt Erfahrungen, die den Menschen als Pflanze, als Organismus, nähren, die ihn irgendwie erfüllen, ganz ohne großes Gedankenkino...
Nach längerer Meditationspraxis vollziehen sich diese Erfahrungen, ohne dass wir das gleiche "denken" müssten, weil eine tiefere Ebene, eine organischere Ebene angesprochen wird, die tiefer als die sinnhafte Bedeutung im Menschen liegt...
...aus meiner Sicht ist Transzendenz auf dieser Ebene erfahrbar...
...alles, was der Verstand macht, ist reine sinnhafte Bedeutungsebene, die das niemals abbilden kann... ...die vielleicht Theorien, Erklärungen, Konzeptionen erdenken kann, WARUM und WIE sich das vollzieht, die aber niemals die Erfahrung selbst in irgend einer Weise ersetzen oder herbeiführen kann.
Der Verstand ist dazu da, dass wir das, was wir als problematisch wahrnehmen, als "Problem" behandeln können, um Lösungen zu finden.
Wenn wir das Problem gelöst haben, wie wir endlich täglich meditieren können, können wir ihn beiseite legen... ...oder siehst du das anders?

Also, meine Idee ist in etwa die folgende. In der Informatik ist eine Ontologie eine Ansammlung von Fakten über Dinge, Relationen zwischen Dingen und den Attributen von Dingen (oder den Relationen). Wie das Ding bestimmt ist, wie es also vom Nicht-Ding abgegrenzt ist, mit anderen Worten: woher es seine Identität erhält, das ist nicht näher erläutert. (Das ist in Bezug auf die Ontologie eben "transzendent".)
Das führt genau dann zu grossen Problemen, wenn jemand "Virus" als "Lebewesen" in seiner Ontologie abgespeichert hat, und jemand anderer in einer zweiten Ontologie Virus als "Makromolekül" führt. Was ist ein Virus? Nun, das ist eben kontextabhängig zu beantworten. Aber der Kontext ist dummerweise nicht Teil der Ontologie. Eine Ontologie muss im Normalfall ohne Widersprüche auskommen, sonst ist der Computer überfordert.
Meine Idee wäre nun, nicht Fakten über Dinge abzuspeichern, sondern die Regeln zur Unterscheidung zwischen Ding und Nicht-Ding. Jedesmal, wenn wir wissen wollen, was ein Virus ist, dann müssen wir eben alle Unterscheidungsregeln ausführen (Genese). Und in gewissen Fällen, eben kontextabhängig, ist ein Virus halt ein Lebewesen und in anderen Fällen ist er ein Makromolekül. Die Regeln selbst sind nichts als Unterscheidungen, welche wiederum rekursiv unterschieden werden können.
"Selbstlernend", ja, wobei nicht das Lernen von zentralem Interesse ist, sondern die Tatsache, dass der Computer die notwendigen Unterscheidungen selbständig zur Laufzeit vornimmt.
Viel weiter bin ich bisher noch nicht gekommen, so richtig klar ist mir die Sache nämich nicht.
hm, ontologisches Denken feiert ja immer wieder eine Renaissance. zwischen den späten 40er bis fast zu den 90er Jahren gab es nahezu ein Ontologie-Verbot in der Philosophie - wer Ontologie sagte, der war scheinbar irrational, nicht auf dem neusten Stand, ... . Seit einiger Zeit, gerade auch im Zuge der Neurodebatten und der KI-Forschung, seit den 90ern wird Ontologie wieder salonfähig.
Ganz ehrlich kann ich auch nur ein wenig verstehen, wie komplex das Problem ist, das du beschreibst. ...
...es ist so komplex, dass ich das Gefühl habe, dass ich mich lieber auf meine Meditations-Decke setze, da ich davon mehr zu haben glaube... :)
Kennst du das Gefühl?

Ich kenne ehrlich gesagt Hegel fast nicht, und Schelling leider gar nicht. Aber: Günther würde genau an dem Punkt widersprechen, wo "die Erfahrung des Absoluten" sich einstellen soll. Diesen Punkt wird es nie geben, er wird sich nie einstellen.
genau das ist mein Problem mit den formallogischen Ansätzen.
Sie beschreiben in epistemologischer Hinsicht vieles adäquater als naiv-realistische Erkenntnistheorien. Wir wissen mittlerweile, dass wir nicht einfach das "Ding" sehen, sondern das Gehirn vieles konstruiert, ergänzt, etc.
Es ist, was die Erkenntnis des Objektes durch ein Individuum angeht, nicht mehr vertretbar, "realistisch" zu denken: die Welt ist nicht einfach 1-1 da draußen, wie wir sie sehen. Ok.
Daher sind diese Ansätze äußerst fruchtbar, die dieses naive Denken hinterfragen. Angewendet auf spirituelle Erfahrungen suggerieren sie nun jedoch, dass das alles ebenfalls "konstruiert" sei. (Das mag auf vieles Esoterische zutreffen, aber es gibt da mE auch einen anderen Bereich.)
Aber das Interessante ist ja, dass diese spirituellen Philosophien das noch unterschreiben würden, dass sie gerade sagen würden: ja, es ist nicht begrifflich zu fassen und übersteigt unsere gewöhnliche Erfahrung.
Dass all dies aber nun gar nicht existieren soll, nur weil ein formallogischer Ansatz Prämissen setzt, die mit wissenschaftlichen Ergebnissen der Alltagserfahrung und -wahrnehmung besser übereinstimmen, da bin ich nicht einverstanden, da die Basis dieser Theorien formallogischer Natur ist.
Und wir greifen auf diese Logiken zu, weil wir vielleicht ein technisches Problem lösen wollen -z.B. Schaltkreise oder eben Erkenntnistheorien etc. . Sie haben ihren Nutzen.
Aber dadurch lass ich mir nicht meine Erfahrung nehmen :)
Nur, wenn ich sie selbst als "Gott" (begrifflich/denkend) greifen will, dann vollziehe ich natürlich eben jenes identifizierende Denken, das mich allerdings sowieso aus der eigentlichen Erfahrung herausgleiten und mehr in eine Fantasiewelt driften lässt...
Oder verstehe ich dich da falsch?

Nebst Yin und Yang ist die Dynamik zwischen beiden (Information) die dritte treibende Kraft, die weder auf Yin noch auf Yang zurückgeführt werden kann. Es ist ein dialektisches Werden, ein stetiges ("holarchisches", von mir aus) Wachstum von Kontexten, endlos. Es gibt keinen SUPER-Kontext, der alle anderen Kontexte umfasst. Das Sein schliesst das Nichts aus, und wenn wir beide zusammennehmen, dann ist das Werden noch immer nicht erklärt. Und selbst wenn wir auch noch das Werden mit hineinnehmen, so wissen wir noch immer nicht, wo die drei eigentlich stattfinden.
das stimmt alles für die sinnhafte Welt der Bedeutungen, aber gibt es nicht vielleicht etwas, das doch alles durchdringt, auf der elementaren Ebene, die auch der Ebene der sinnhaften Bedeutungen substantiell - in ihren Medien und Formen - zugrunde liegt?
Oder einfach nur Schweigen - meditieren, Gleichmut schulen, Metta praktizieren, ... ..lieben, verzeihen, loslassen... ...?

Ach, ach, ach, der arme Wilber. Hat sich all sein Wissen nur zusammenkopiert. Macht nichts, gelesen hab ich's trotzdem gerne, und ganz gehörig meinen Geist erweitert haben seine Bücher schon. Aber heute frag ich mich schon ein wenig, ob er sich nicht manchmal ein wenig wie ein Betrüger vorkommt, so ganz heimlich, wenn grad niemand hinguckt.
:) :D
 
Zuletzt bearbeitet:
dass Wilber noch in alteuropäisches Identitätsdenken fällt, das sich gar nicht bewusst ist, wie etwas seine Identität gewinnt - über Differenz -,... ...ja, da kann ich dir natürlich zustimmen.
Das trifft sicherlich auf viele Philosophen der Zeit Wilbers zu und wurde ja erst etwa in den 70er Jahren einigen wenigen bewusst - z.B. über die Rezeption Heideggers - der sich mit Hegels Identitäts-Ansatz auseinandersetzt - durch Derrida... ...oder eben über die Rezeption Günthers in den 70er Jahren.
Im deutschen Idealismus hat man die Problemstelle auch gesehen, hat aber das Verhältnis von Identität und Differenz nicht als Differenz, sondern als Identität des Absoluten gefasst.
Die Sicht war also 2 Stockwerke höher als bei Wilber, der das alles nicht sieht, und einfach mehr oder weniger populärphilosophisch - was die begriffliche und methodisch, methodologische Vorgehensweise angeht - drauf los werkelt.
Also, mich erstaunt das schon ein wenig. Wilber gibt ja immerhin mehr oder weniger explizit vor, ganz weit vorne mit dabei zu sein und sowohl Heidegger als auch Derrida und alle diese Leutchen in seine Arbeiten eingebaut zu haben. Und SES hatte er ja Mitte 1990erjahre geschrieben. Was ihn freilich nicht daran hindert, die einzig wahre Landkarte der Bewusstseinsentwicklung zu entwerfen. (Und seine, ähem, Jünger glauben dann auch noch, er habe ihnen soeben die einzig wahre Wahrheit verkündet.) Wie gesagt, ich find's einfach ein wenig verwunderlich. Von irgendeinem dialogischen Vorgehen jedenfalls weit entfernt.
ja, die ihre Bedeutung lediglich in ihrer Verweisung/Identität/Spur, ihrem Kontext erhält...
Wobei sich das Problem natürlich in den berühmten Schwanz beisst, da ja der Kontext selbst wiederum vom Nicht-Kontext abgegrenzt werden müsste. ;)
finde ich spannend, dass du das sagst. Einerseits nehme ich da bei dir viel Enthusiasmus (Leidenschaft?) für die Theorie wahr, geht es dir durchaus darum, einen komplexen, hoch-theoretischen Ansatz zu durchdringen...
...andererseits bist du aber auch bereit, einfach loszulassen und einzugestehen, dass auch ein derartiger polykontext. Differenz-Ansatz nicht einfach die Welt begreift... ...der Ansatz wird dir also nicht zur Ersatzreligion, wie das bei manch anderen Anhängern Günthers, Luhmanns, etc. zu sehen ist...

soweit ich weiß, hast du doch auch ausreichend Erfahrung in Zen-Meditation. Du weißt doch auch, dass es Erfahrungen gibt, die nicht gedacht werden, die nicht auf Bedeutungssinn beruhen. Oder siehst du das anders?
Es gibt Erfahrungen, die den Menschen als Pflanze, als Organismus, nähren, die ihn irgendwie erfüllen, ganz ohne großes Gedankenkino...
Nach längerer Meditationspraxis vollziehen sich diese Erfahrungen, ohne dass wir das gleiche "denken" müssten, weil eine tiefere Ebene, eine organischere Ebene angesprochen wird, die tiefer als die sinnhafte Bedeutung im Menschen liegt...
...aus meiner Sicht ist Transzendenz auf dieser Ebene erfahrbar...
...alles, was der Verstand macht, ist reine sinnhafte Bedeutungsebene, die das niemals abbilden kann... ...die vielleicht Theorien, Erklärungen, Konzeptionen erdenken kann, WARUM und WIE sich das vollzieht, die aber niemals die Erfahrung selbst in irgend einer Weise ersetzen oder herbeiführen kann.
Der Verstand ist dazu da, dass wir das, was wir als problematisch wahrnehmen, als "Problem" behandeln können, um Lösungen zu finden.
Wenn wir das Problem gelöst haben, wie wir endlich täglich meditieren können, können wir ihn beiseite legen... ...oder siehst du das anders?

genau das ist mein Problem mit den formallogischen Ansätzen.
Sie beschreiben in epistemologischer Hinsicht vieles adäquater als naiv-realistische Erkenntnistheorien. Wir wissen mittlerweile, dass wir nicht einfach das "Ding" sehen, sondern das Gehirn vieles konstruiert, ergänzt, etc.
Es ist, was die Erkenntnis des Objektes durch ein Individuum angeht, nicht mehr vertretbar, "realistisch" zu denken: die Welt ist nicht einfach 1-1 da draußen, wie wir sie sehen. Ok.
Daher sind diese Ansätze äußerst fruchtbar, die dieses naive Denken hinterfragen. Angewendet auf spirituelle Erfahrungen suggerieren sie nun jedoch, dass das alles ebenfalls "konstruiert" sei. (Das mag auf vieles Esoterische zutreffen, aber es gibt da mE auch einen anderen Bereich.)
Aber das Interessante ist ja, dass diese spirituellen Philosophien das noch unterschreiben würden, dass sie gerade sagen würden: ja, es ist nicht begrifflich zu fassen und übersteigt unsere gewöhnliche Erfahrung.
Dass all dies aber nun gar nicht existieren soll, nur weil ein formallogischer Ansatz Prämissen setzt, die mit wissenschaftlichen Ergebnissen der Alltagserfahrung und -wahrnehmung besser übereinstimmen, da bin ich nicht einverstanden, da die Basis dieser Theorien formallogischer Natur ist.
Und wir greifen auf diese Logiken zu, weil wir vielleicht ein technisches Problem lösen wollen -z.B. Schaltkreise oder eben Erkenntnistheorien etc. . Sie haben ihren Nutzen.
Aber dadurch lass ich mir nicht meine Erfahrung nehmen :)
Nur, wenn ich sie selbst als "Gott" (begrifflich/denkend) greifen will, dann vollziehe ich natürlich eben jenes identifizierende Denken, das mich allerdings sowieso aus der eigentlichen Erfahrung herausgleiten und mehr in eine Fantasiewelt driften lässt...
Also, die Beziehung zwischen Philosophie, formaler Logik und Bewusstsein (inklusive Techniken wie Meditation usw.), da bin ich weit davon entfernt, das schlüssig zusammenbringen zu können.

Ja, Leidenschaft vor allem für Günther, auch für Spencer-Brown, definitiv. Als ich das erste Mal Günther las, verstand ich nicht die Bohne davon, aber ich wusste intuitiv, dass hier etwas ganz, ganz wichtiges und wertvolles vorhanden sei.

Ich glaube, wir müssen hier wirklich mehr Bescheidenheit lernen. Da die Welt alles enthält, was ich bin, denke, fühle, erkenne, aber darüberhinaus eben noch mehr, finde ich es etwas anmassend zu glauben, man könne die ultimative Ordnung oder Landkarte der Welt erkennen. Alleine schon der Akt des Erkennens fügt dieser Welt ein neues Element hinzu, das für mich erstmal verborgen ist, da ich es noch nicht zum Gegenstand meiner Erkenntnis gemacht habe.

Was die formale Logik anbelangt: Da waren die deutschen Idealisten meines Erachtens allzu vorschnell. Günther sah sich immer eher als Mathematiker denn als Philosoph. Aber mit seinem Ansatz können erstaunlich viele Phänomene der postmodernen Philosophie formal beschrieben werden - wenn man denn nur wollte, und nicht darüber die Nase rümpfen würde. Günther weist aber in seiem Schreiben darauf hin, dass wir eben erst seit heute (d.h. seit ca. 1920) in der Lage dazu sind, weil davor einfach die formale Logik noch nicht weit genügend entwickelt war, damit jemand wie Hegel in der Lage gewesen wäre, seine Aussagen zu formalisieren. Zuerst mussten mehrwertige Logiken entworfen werden, welche wiederum erst die Grundlage für transklassische Logiken (wie jene Günthers, Spencer-Browns u.a.) bilden konnten.

Und die Meditation? Ich weiss es nicht. Die Meditationserfahrung ist ja letztlich bar von jeglichen Qualitäten, aus diesem Grunde ist ein Interpretationsraum nötig, innerhalb dessen sie angesiedelt ist. Das Dharma also. Aber was wird dort eigentlich erfahren? Das Seltsame ist ja, dass wir in einer mystischen Erfahrung (in und ausserhalb der Meditation) oft ganz genau wissen, dass hier eine wahrere Wahrheit vorhanden ist, auch wenn sich diese unseren Worten entzieht. Ich erinnere mich an ein Erlebnis, ungefähr Vorfrühling 2000. Ich ging einen Berg hinunter, und plötzlich war ich "all das". Und ich wusste für eine Viertelstunde lang, dass dies die Wirklichkeit ist. Heute, dreizehn Jahre Meditationspraxis später, kann ich diesen Zustand quasi "willentlich" herstellen. Wie ist das zu erklären? Ist es überhaupt ein "Zustand"? Ich weiss es nicht. Da hilft mir auch Günthers Polykontexturallogik nicht weiter. Gewisse Mysterien bleiben offenbar bestehen.
hm, ontologisches Denken feiert ja immer wieder eine Renaissance. zwischen den späten 40er bis fast zu den 90er Jahren gab es nahezu ein Ontologie-Verbot in der Philosophie - wer Ontologie sagte, der war scheinbar irrational, nicht auf dem neusten Stand, ... . Seit einiger Zeit, gerade auch im Zuge der Neurodebatten und der KI-Forschung, seit den 90ern wird Ontologie wieder salonfähig.
Ganz ehrlich kann ich auch nur ein wenig verstehen, wie komplex das Problem ist, das du beschreibst. ...
Die Informatiker sind da nicht ganz so weit. Im Rahmen des Internetzes wurde mit gemischtem Erfolg daran gewerkelt, unter dem Stichwort "Semantic Web" ein intelligenteres Internetz zu entwerfen. Wenn ich "Hund" eingebe, dann meine ich eben zumeist dasselbe wie "Dog" oder "Chien" (wobei: dummerweise eben nicht immer!). Da wird auch heute noch viel geforscht, und gewisse Anwendungen, v.a. in der Forschung, sind wirklich beachtlich. Aber die von mir erwähnten Problem sind in keiner Weise gelöst. Identität ist das, was der Computer als Bitfolge abspeichern kann. Nicht mehr, nicht weniger.

Nur so ein Beispiel: Wir wissen alle, dass 2 + 3 = 5. Dabei ist das Symbol 2 und 3 je ein Operand, und das + ein Operator, welcher als Anweisung interpretiert wird. Was aber, wenn wir Operator und Operand vertauschen? Warum ist nicht das Symbol 2 der Operator und + der Operand? Lisp (und Clojure) ist eine der wenigen Programmiersprachen, die "homoikonisch" sind. Das heisst, es gibt implizit keinen Unterschied zwischen Operatoren und Operanden. In Lisp ist alles eine Liste, etwa (+ 2 3) kann sowohl eine Liste mit drei Elementen sein als auch eine auszuführende Operation. Das führt zu äusserst interessanten Möglichkeiten der Programmierung, die es sonst so in keiner anderen Programmiersprache gibt.
das stimmt alles für die sinnhafte Welt der Bedeutungen, aber gibt es nicht vielleicht etwas, das doch alles durchdringt, auf der elementaren Ebene, die auch der Ebene der sinnhaften Bedeutungen substantiell - in ihren Medien und Formen - zugrunde liegt?
Oder einfach nur Schweigen - meditieren, Gleichmut schulen, Metta praktizieren, ... ..lieben, verzeihen, loslassen... ...?
Im Vajrayana bzw. Dzogchen (was ich heute u.a. praktiziere; mit Zen habe ich übrigens nicht so viel Erfahrung, mit Therevada/Vipassana bedeutend mehr) ist der Urgrund (gzhi, Ground of Being) sowohl kadag als aus lhundrup. Kadag heisst ungefähr: leer. Lhundrup heisst etwa: Spontan sich manifestierend. Die Vereinigung wäre in etwa: kadag chenpo, also Leerheit, die sich spontan manifestiert. Die Realisation der Einheit von kadag und lhundrup führt zum Regenbogenkörper und zur endgültigen Erleuchtung. Kadag wird durch Trekchöd realisiert, Lhundrup durch Thögyal.
Wenn das stimmt, dann kann man noch nicht einmal von "Durchdringung" sprechen, sondern nur noch von "spontan manifest".
 
Also, mich erstaunt das schon ein wenig. Wilber gibt ja immerhin mehr oder weniger explizit vor, ganz weit vorne mit dabei zu sein und sowohl Heidegger als auch Derrida und alle diese Leutchen in seine Arbeiten eingebaut zu haben. Und SES hatte er ja Mitte 1990erjahre geschrieben. Was ihn freilich nicht daran hindert, die einzig wahre Landkarte der Bewusstseinsentwicklung zu entwerfen. (Und seine, ähem, Jünger glauben dann auch noch, er habe ihnen soeben die einzig wahre Wahrheit verkündet.) Wie gesagt, ich find's einfach ein wenig verwunderlich. Von irgendeinem dialogischen Vorgehen jedenfalls weit entfernt.
ja, Wilber betreibt den Eklektizismus bzw. Synkretismus als populärwissenschaftliche Methode, ohne sich in differenzierte methodische Fragen einzulassen. Dadurch, dass er die Fußnoten entweder nach hinten verschiebt oder ganz weglässt, erzählt er im Haupttext spannende Geschichte - und das ist ja auch eine "Kunst"-, die die Leser oftmals begeistern sowie motivieren, so dass sie Wilber auf ihrem Weg eine Weile begleitet, bis der Leser Wilber als Leiter erkennt, über die er hinaussteigen kann. Mir scheint dies seine spezifische Leistung zu sein.
Er hat damit auch die neurowissenschaftliche Erforschung der Meditation, die seit den fMRT-Untersuchungen im Jahre 2000 rapide ausgebaut wurde, in diesem Sinne eines "Märchenonkels" schon in den 90er Jahren motiviert.
Also, die Beziehung zwischen Philosophie, formaler Logik und Bewusstsein (inklusive Techniken wie Meditation usw.), da bin ich weit davon entfernt, das schlüssig zusammenbringen zu können.
ok

Ja, Leidenschaft vor allem für Günther, auch für Spencer-Brown, definitiv. Als ich das erste Mal Günther las, verstand ich nicht die Bohne davon, aber ich wusste intuitiv, dass hier etwas ganz, ganz wichtiges und wertvolles vorhanden sei.

Ich glaube, wir müssen hier wirklich mehr Bescheidenheit lernen. Da die Welt alles enthält, was ich bin, denke, fühle, erkenne, aber darüberhinaus eben noch mehr, finde ich es etwas anmassend zu glauben, man könne die ultimative Ordnung oder Landkarte der Welt erkennen. Alleine schon der Akt des Erkennens fügt dieser Welt ein neues Element hinzu, das für mich erstmal verborgen ist, da ich es noch nicht zum Gegenstand meiner Erkenntnis gemacht habe.
ja, auf jeden Fall Zustimmung.
Ich finde es schon großartig, dass wir mittlerweile Wirkungen der PRAXIS ganz gut nachweisen können. Das reicht vielleicht schon aus, dass wir in den nächsten Jahrzehnten in den Kindergärten mehr und mehr Entspannungstraining und in den Schulen vielleicht auch Meditation und Yoga einführen können. Mittlerweile ist das an manchen Schulen schon Realität.
Die großen THEORIEN hatten, bevor wir dies nachweisen konnten, oftmals eine Ersatz-Funktion, weil wir es nicht wissenschaftlich nachweisen konnten, aber irgendwie ahnten wir, dass der grinsende Buddhist, Yogi, etc. uns doch einiges voraus ist. Das führte zwar nicht dazu, dass wir die Ideen institutionell verankerten, wie wir das gerade tun, aber das führte immerhin dazu, dass wir uns bemühten, wissenschaftliche Belege zu erbringen, uns für die Forschungsfragen zu interessieren.

Was die formale Logik anbelangt: Da waren die deutschen Idealisten meines Erachtens allzu vorschnell. Günther sah sich immer eher als Mathematiker denn als Philosoph. Aber mit seinem Ansatz können erstaunlich viele Phänomene der postmodernen Philosophie formal beschrieben werden - wenn man denn nur wollte, und nicht darüber die Nase rümpfen würde. Günther weist aber in seiem Schreiben darauf hin, dass wir eben erst seit heute (d.h. seit ca. 1920) in der Lage dazu sind, weil davor einfach die formale Logik noch nicht weit genügend entwickelt war, damit jemand wie Hegel in der Lage gewesen wäre, seine Aussagen zu formalisieren. Zuerst mussten mehrwertige Logiken entworfen werden, welche wiederum erst die Grundlage für transklassische Logiken (wie jene Günthers, Spencer-Browns u.a.) bilden konnten.
ja, und 1920 war ja schon ein Quantensprung. Frege hatte ja gerade erst (1879) die zwei-wertige Aussagen- und Prädikaten-Logik etabliert, die selbst ich noch im Philosophie-Grundstudium lernen musste (und mehr nicht!); viele konnten seine Begriffsschrift anfangs gar nicht lesen, verstehen. Der junge Wittgenstein wurde davon beeinflusst, Carnap, der Wiener Kreis, und es entstand die Bewegung des logischen Empirismus und des Positivismus, die erst einmal - noch im Programm-Sinne Kants - die gesamte Philosophie auf einerseits zweiwertige Logik und andererseits empirische Wahrnehmung umstellen wollten. Dass schon nach so kurzer Zeit manche hier schon viel, viel weiter waren, das ahnte damals keiner/kaum einer.
Da wurden alle lange in einen Topf der Irrationalisten geworfen.


Und die Meditation? Ich weiss es nicht. Die Meditationserfahrung ist ja letztlich bar von jeglichen Qualitäten, aus diesem Grunde ist ein Interpretationsraum nötig, innerhalb dessen sie angesiedelt ist. Das Dharma also. Aber was wird dort eigentlich erfahren? Das Seltsame ist ja, dass wir in einer mystischen Erfahrung (in und ausserhalb der Meditation) oft ganz genau wissen, dass hier eine wahrere Wahrheit vorhanden ist, auch wenn sich diese unseren Worten entzieht. Ich erinnere mich an ein Erlebnis, ungefähr Vorfrühling 2000. Ich ging einen Berg hinunter, und plötzlich war ich "all das". Und ich wusste für eine Viertelstunde lang, dass dies die Wirklichkeit ist. Heute, dreizehn Jahre Meditationspraxis später, kann ich diesen Zustand quasi "willentlich" herstellen. Wie ist das zu erklären? Ist es überhaupt ein "Zustand"? Ich weiss es nicht. Da hilft mir auch Günthers Polykontexturallogik nicht weiter. Gewisse Mysterien bleiben offenbar bestehen.
genau - und ich finde es vollkommen in Ordnung und belasse es dabei.
Ich gieße die Pflanze und die Pflanze beginnt zu blühen. DAs machen Menschen schon seit Jahrtausenden. Und wir brauchen hierfür keine Theorien und Erklärungen, warum die Pflanze blüht, was das Wasser macht.
Daher gieße ich die Pflanze, meditiere ich, und lasse die theoretischen Fragen los.

Die Informatiker sind da nicht ganz so weit. Im Rahmen des Internetzes wurde mit gemischtem Erfolg daran gewerkelt, unter dem Stichwort "Semantic Web" ein intelligenteres Internetz zu entwerfen. Wenn ich "Hund" eingebe, dann meine ich eben zumeist dasselbe wie "Dog" oder "Chien" (wobei: dummerweise eben nicht immer!). Da wird auch heute noch viel geforscht, und gewisse Anwendungen, v.a. in der Forschung, sind wirklich beachtlich. Aber die von mir erwähnten Problem sind in keiner Weise gelöst. Identität ist das, was der Computer als Bitfolge abspeichern kann. Nicht mehr, nicht weniger.
verstehe.

Nur so ein Beispiel: Wir wissen alle, dass 2 + 3 = 5. Dabei ist das Symbol 2 und 3 je ein Operand, und das + ein Operator, welcher als Anweisung interpretiert wird. Was aber, wenn wir Operator und Operand vertauschen? Warum ist nicht das Symbol 2 der Operator und + der Operand? Lisp (und Clojure) ist eine der wenigen Programmiersprachen, die "homoikonisch" sind. Das heisst, es gibt implizit keinen Unterschied zwischen Operatoren und Operanden. In Lisp ist alles eine Liste, etwa (+ 2 3) kann sowohl eine Liste mit drei Elementen sein als auch eine auszuführende Operation. Das führt zu äusserst interessanten Möglichkeiten der Programmierung, die es sonst so in keiner anderen Programmiersprache gibt.
hört sich interessant an.

Im Vajrayana bzw. Dzogchen (was ich heute u.a. praktiziere; mit Zen habe ich übrigens nicht so viel Erfahrung, mit Therevada/Vipassana bedeutend mehr) ist der Urgrund (gzhi, Ground of Being) sowohl kadag als aus lhundrup. Kadag heisst ungefähr: leer. Lhundrup heisst etwa: Spontan sich manifestierend. Die Vereinigung wäre in etwa: kadag chenpo, also Leerheit, die sich spontan manifestiert. Die Realisation der Einheit von kadag und lhundrup führt zum Regenbogenkörper und zur endgültigen Erleuchtung. Kadag wird durch Trekchöd realisiert, Lhundrup durch Thögyal.
Wenn das stimmt, dann kann man noch nicht einmal von "Durchdringung" sprechen, sondern nur noch von "spontan manifest".
hauptsache es IST... ...und wir lassen die Begriffe los... ...dachte ich die letzten Jahre :D

Aber ich merke jetzt, dass mich das Gespräch an (mindestens) einem Punkt weiter gebracht hat. Ich habe vor einigen Jahren meinen Job an der Uni als Dozent gekündigt. Ich wollte nur noch in die Praxis, keine Fußnoten mehr sehen. Ich war und bin der festen Meinung, dass es vollkommen ausreicht, einfach zu praktizieren, ohne die 1000 theoretischen Fragen zu stellen und zu beantworten, auch wenn das anscheinend mein Weg war, dass ich überhaupt mit der Praxis begann.
In unserem Gespräch habe ich mich aber zum ersten Mal gefragt, ob es nicht doch seinen Sinn haben kann, ob es nicht vielleicht doch auch die gesamte PRAXIS weiterführen kann, wenn wir sie wissenschaftlich erforschen. Sicherlich gibt es gute Meditationstechniken, aber vielleicht führt die wissenschaftliche ERforschung der Techniken, die differenzierte Erforschung ihrer Elemente, ihrer Systematiken, dazu, dass wir viel effektivere Techniken entwickeln können...
Wie siehst du das?
 
ja, Wilber betreibt den Eklektizismus bzw. Synkretismus als populärwissenschaftliche Methode, ohne sich in differenzierte methodische Fragen einzulassen. Dadurch, dass er die Fußnoten entweder nach hinten verschiebt oder ganz weglässt, erzählt er im Haupttext spannende Geschichte - und das ist ja auch eine "Kunst"-, die die Leser oftmals begeistern sowie motivieren, so dass sie Wilber auf ihrem Weg eine Weile begleitet, bis der Leser Wilber als Leiter erkennt, über die er hinaussteigen kann. Mir scheint dies seine spezifische Leistung zu sein.
Er hat damit auch die neurowissenschaftliche Erforschung der Meditation, die seit den fMRT-Untersuchungen im Jahre 2000 rapide ausgebaut wurde, in diesem Sinne eines "Märchenonkels" schon in den 90er Jahren motiviert.
Ich wollte schreiben: "Ja, ich glaube, so muss man Wilber lesen: Als eine Art Onkel, der wirklich tolle Geschichten erzählt." Aber das schmeckt mir als Formulierung noch nicht ganz. Mir scheint, da ist eben doch mehr, als nur Geschichten. Aber da ist wiederum nicht das, was Wilber gerne möchte, dass da wäre. Naja, wie auch immer. So wichtig finde ich das am Ende dann auch wieder nicht.
ja, und 1920 war ja schon ein Quantensprung. Frege hatte ja gerade erst (1879) die zwei-wertige Aussagen- und Prädikaten-Logik etabliert, die selbst ich noch im Philosophie-Grundstudium lernen musste (und mehr nicht!); viele konnten seine Begriffsschrift anfangs gar nicht lesen, verstehen. Der junge Wittgenstein wurde davon beeinflusst, Carnap, der Wiener Kreis, und es entstand die Bewegung des logischen Empirismus und des Positivismus, die erst einmal - noch im Programm-Sinne Kants - die gesamte Philosophie auf einerseits zweiwertige Logik und andererseits empirische Wahrnehmung umstellen wollten. Dass schon nach so kurzer Zeit manche hier schon viel, viel weiter waren, das ahnte damals keiner/kaum einer.
Da wurden alle lange in einen Topf der Irrationalisten geworfen.
Das Wahnsinnige ist ja, dass selbst heute noch ansonsten gescheite Leute behaupten, jemand wie Spencer-Brown habe lediglich die Binärlogik wiedererfunden. Oder dass sich Leute noch zu Lebzeiten Günthers weigerten (sic!), seine Schriften zur Morphogrammatik zu lesen mit dem Hinweis, sie verstünden von all dieser Mathematik nicht das geringste, das sei alles viel zu formal. Dabei ist das, was er dort beschreibt, letztlich noch einfacher als das Einmaleins. Man muss allerdings einige liebgewonnene Denkgewohnheiten erstmal loslassen.
genau - und ich finde es vollkommen in Ordnung und belasse es dabei.
[...]
hauptsache es IST... ...und wir lassen die Begriffe los... ...dachte ich die letzten Jahre :D
Das finde ich ebenfalls vollkommen in Ordnung - unter der Voraussetzung, dass sich das spontan einstellt aufgrund einer inneren Sättigung. Jeder wissbegierige Mensch startet ja irgendwo mit einem Bedürfnis, mit einem Drang oder Wunsch nach (intellektueller) Erkenntnis, welche zumeist auch schon den Funken für tiefere, letztlich spirituelle Erkenntnis in sich trägt. Und wenn jemand durch die ganzen Institutionen gegangen ist und dann irgendwann erkennt, dass spirituelle Praxis eben tiefer geht als all die Bücher, die man davor gelesen hat, dann finde ich das alles vollkommen in Ordnung. Aber nicht vorher.
Hast du eigentlich mal "Razor's Edge" gelesen von Somerset Maugham? Liest sich m.E. sehr gut in den Ferien. Dort wird das alles recht schön an der Figur des Larry Darrell beschrieben. Bei "Sri Ganesha", der im Buch erwähnt wird, handelt es sich offenbar um niemand geringeren als Ramana Maharshi, den Maugham in den 30erjahren in Indien getroffen hatte. Ich vermute, dass das Buch weitgehend reale Personen beschreibt und nur sehr wenig von Maugham zusätzlich hinzugedichtet wurde.
Aber ich merke jetzt, dass mich das Gespräch an (mindestens) einem Punkt weiter gebracht hat. Ich habe vor einigen Jahren meinen Job an der Uni als Dozent gekündigt. Ich wollte nur noch in die Praxis, keine Fußnoten mehr sehen. Ich war und bin der festen Meinung, dass es vollkommen ausreicht, einfach zu praktizieren, ohne die 1000 theoretischen Fragen zu stellen und zu beantworten, auch wenn das anscheinend mein Weg war, dass ich überhaupt mit der Praxis begann.
Eben das meine ich. Offenbar war/ist das alles dein Weg. Ich sehe diesen Begriff "Weg" bedeutend umfassender als "bloss" formale spirituelle Praxis. Die Leute tun in ihrem Leben oft seltsame Dinge, die aber, wenn man die tieferen Zusammenhänge erkennen würde, ihren eigenen Sinn ergäben. (Die Astrologie beschreibt einige dieser Zusammenhänge von aussen.)
In unserem Gespräch habe ich mich aber zum ersten Mal gefragt, ob es nicht doch seinen Sinn haben kann, ob es nicht vielleicht doch auch die gesamte PRAXIS weiterführen kann, wenn wir sie wissenschaftlich erforschen. Sicherlich gibt es gute Meditationstechniken, aber vielleicht führt die wissenschaftliche ERforschung der Techniken, die differenzierte Erforschung ihrer Elemente, ihrer Systematiken, dazu, dass wir viel effektivere Techniken entwickeln können...
Wie siehst du das?
Meine Hoffnung ist das schon. Ich hoffe, es gibt irgendeinst jemanden oder eine Stelle oder sowas, wo ich hingehen kann, und sagen kann: Hey, Leute, ich will erleuchtet werden! Und dann sagen die: "Okay, als erstes brauchen wir mal deine Adresse und Personalien. Dann machen wir mal ein paar Tests mit dir. Und dann lernst du eine Reihe netter Leute kennen, die bereit wären, dich auf dem Weg zu begleiten. Wir schlagen dir eine Reihe von Dingen vor, die du tun kannst, du kannst teilweise wählen, manches ist auch obligatorisch, du wirst einige Prüfungen ablegen müssen und so weiter." Selbstverständlich ist das alles nicht einfach "mechanisch", sondern es ist ein dialogischer, letztlich sozialer Prozess der Auseinandersetzung mit der gesamten Umwelt. In gewisser Weise tun die meisten (quasi-) religiösen Organisationen heute schon genau das. Mit mehr oder weniger Erfolg, mit mehr oder weniger präzisem Verständnis ihres Tuns und mehr oder weniger wissenschaftlich. Wobei ich mit "wissenschaftlich" keineswegs eine kalte, einseitig rationale Wissenschaft meine, wie sie heute noch vielfach ausgeübt wird, aber genauso wenig ein Abdriften in hanebüchene prärationale Glaubensgrundsätze.

Um es kurz zu machen: Ich hoffe, dass dereinst die Menschen an einen Punkt kommen, an welchem sie bewusst verstehen, dass sie für ihr eigenes Wachstum etwas aktiv tun können und auch sollen. Stell dir das mal vor, was das für eine Umwälzung nach sich ziehen würde. Es ist diese kritische Schwelle, wo die Menschen die Verantwortung für ihr eigenes Wachstum annehmen.
 
Ich wollte schreiben: "Ja, ich glaube, so muss man Wilber lesen: Als eine Art Onkel, der wirklich tolle Geschichten erzählt." Aber das schmeckt mir als Formulierung noch nicht ganz. Mir scheint, da ist eben doch mehr, als nur Geschichten.
ja, es sind mehr als bloße Geschichten; für viele Wegweiser und Quelle der Motiviation - und mehr.

Das Wahnsinnige ist ja, dass selbst heute noch ansonsten gescheite Leute behaupten, jemand wie Spencer-Brown habe lediglich die Binärlogik wiedererfunden. Oder dass sich Leute noch zu Lebzeiten Günthers weigerten (sic!), seine Schriften zur Morphogrammatik zu lesen mit dem Hinweis, sie verstünden von all dieser Mathematik nicht das geringste, das sei alles viel zu formal. Dabei ist das, was er dort beschreibt, letztlich noch einfacher als das Einmaleins. Man muss allerdings einige liebgewonnene Denkgewohnheiten erstmal loslassen.
ja, Denkgewohnheiten oder "Denkstil", wie Ludwik Fleck sagen würde. (Fleck ist ja auch einer, der erst nach Kuhn wiederentdeckt wurde, obwohl er Kuhn ein halbes Jahrhundert voraus war.)

Das finde ich ebenfalls vollkommen in Ordnung - unter der Voraussetzung, dass sich das spontan einstellt aufgrund einer inneren Sättigung. Jeder wissbegierige Mensch startet ja irgendwo mit einem Bedürfnis, mit einem Drang oder Wunsch nach (intellektueller) Erkenntnis, welche zumeist auch schon den Funken für tiefere, letztlich spirituelle Erkenntnis in sich trägt. Und wenn jemand durch die ganzen Institutionen gegangen ist und dann irgendwann erkennt, dass spirituelle Praxis eben tiefer geht als all die Bücher, die man davor gelesen hat, dann finde ich das alles vollkommen in Ordnung. Aber nicht vorher.
Hast du eigentlich mal "Razor's Edge" gelesen von Somerset Maugham? Liest sich m.E. sehr gut in den Ferien. Dort wird das alles recht schön an der Figur des Larry Darrell beschrieben. Bei "Sri Ganesha", der im Buch erwähnt wird, handelt es sich offenbar um niemand geringeren als Ramana Maharshi, den Maugham in den 30erjahren in Indien getroffen hatte. Ich vermute, dass das Buch weitgehend reale Personen beschreibt und nur sehr wenig von Maugham zusätzlich hinzugedichtet wurde.
werde ich mir ansehen :)

Eben das meine ich. Offenbar war/ist das alles dein Weg. Ich sehe diesen Begriff "Weg" bedeutend umfassender als "bloss" formale spirituelle Praxis. Die Leute tun in ihrem Leben oft seltsame Dinge, die aber, wenn man die tieferen Zusammenhänge erkennen würde, ihren eigenen Sinn ergäben. (Die Astrologie beschreibt einige dieser Zusammenhänge von aussen.)
ich habe mich ja auch schon viel mit Astrologie beschäftigt, vor allem Persönlichkeitsanalyse, und fand hier die Position thomas Rings überzeugend.
Mit der Transiten-Astrologie habe ich mich auch immer wieder beschäftigt, aber letztlich war sie mir zu unübersichtlich, bzw. ich konnte die Strukturen nicht so klar wahrnehmen, wie ich das bei Persönlichkeiten kann. Kannst du hier ein übersichtliches und zugleich differenziertes Buch empfehlen?

Meine Hoffnung ist das schon. Ich hoffe, es gibt irgendeinst jemanden oder eine Stelle oder sowas, wo ich hingehen kann, und sagen kann: Hey, Leute, ich will erleuchtet werden! Und dann sagen die: "Okay, als erstes brauchen wir mal deine Adresse und Personalien. Dann machen wir mal ein paar Tests mit dir. Und dann lernst du eine Reihe netter Leute kennen, die bereit wären, dich auf dem Weg zu begleiten. Wir schlagen dir eine Reihe von Dingen vor, die du tun kannst, du kannst teilweise wählen, manches ist auch obligatorisch, du wirst einige Prüfungen ablegen müssen und so weiter." Selbstverständlich ist das alles nicht einfach "mechanisch", sondern es ist ein dialogischer, letztlich sozialer Prozess der Auseinandersetzung mit der gesamten Umwelt. In gewisser Weise tun die meisten (quasi-) religiösen Organisationen heute schon genau das. Mit mehr oder weniger Erfolg, mit mehr oder weniger präzisem Verständnis ihres Tuns und mehr oder weniger wissenschaftlich. Wobei ich mit "wissenschaftlich" keineswegs eine kalte, einseitig rationale Wissenschaft meine, wie sie heute noch vielfach ausgeübt wird, aber genauso wenig ein Abdriften in hanebüchene prärationale Glaubensgrundsätze.

Um es kurz zu machen: Ich hoffe, dass dereinst die Menschen an einen Punkt kommen, an welchem sie bewusst verstehen, dass sie für ihr eigenes Wachstum etwas aktiv tun können und auch sollen. Stell dir das mal vor, was das für eine Umwälzung nach sich ziehen würde. Es ist diese kritische Schwelle, wo die Menschen die Verantwortung für ihr eigenes Wachstum annehmen.
ich habe oft den Eindruck, die hoffnung (?), dass wir hier gerade sind.
Siehst du das anders?
 
Zu den Transiten weiss ich auch nicht irgendein bestimmtes Buch, das ich sofort empfehlen kann. Bisher finde ich Frank Felber recht tiefgründig (allerdings manchmal ein wenig schwülstig), vielleicht muss ich auch mal Döbereiner anschauen. Und ich habe gewisse Sympathien für die Huber-Schule. Das Betrachten von Transiten wurde für mich erst dann wirklich interessant, als ich es mit der Traumanalyse zusammengebracht habe. Es ist verblüffend, wie Transite und Träume zusammenhängen, und ich würde wirklich jedem Astrologen, der sich für Transite interessiert, raten, auf seine Träume zu achten (hier ein hervorragender Blog, der genau das tut). Ganz besonders viele Träume habe ich bei: Sonne über Hausspitzen, Langsamläufer über Hausspitzen und im Aspekt zu anderen Planeten. Venus/Mars/Merkur/Mond hingegen betrachte ich wenig/selten, wobei ich jetzt grade eben tVenus Konj. DC, QU rPluto usw., und sich das wiederum ganz deutlich in meinen Träumen geäussert hat.
ich habe oft den Eindruck, die hoffnung (?), dass wir hier gerade sind.
Siehst du das anders?
Ich bin da etwas gespalten. Zum einen, warum sollte rein statistisch gesehen das ausgerechnet jetzt passieren, wo ausgerechnet ich lebe? Die Leute glauben ja immer gerne daran, dass gerade sie in einer ungewöhnlichen Zeitspanne leben. Ich glaube eher, jetzt ist das Zeitalter, wo zum ersten Mal eine ganze Menge tiefgründiger, spiritueller Techniken für einen grösseren Teil der Menscheit verfügbar wird. Ob diese Menschen diese dann aber auch benutzen werden - wohl nur zu einem relativ kleinen Teil. Die Mehrheit der Menschen wir wohl weiterhin in erster Linie damit beschäftigt sein, in erster Linie möglichst viel Geld zu verdienen. (Und das ist für gar nicht so wenige Menschen ja immer noch so wenig, dass es erstmal darum geht, ein halbwegs angenehmes Leben führen zu können, also regelmässig einen satten Bauch zu haben.) Wenn Wilbers/Becks Theorien stimmen, dann wird erstmal die Mehrheit der Menschen beispielsweise das orange Meme erreichen müssen. Da kommt dann noch einiges auf uns zu (v.a. auch was die Umweltverschmutzung anbelangt).
 
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Ich bin da etwas gespalten. Zum einen, warum sollte rein statistisch gesehen das ausgerechnet jetzt passieren, wo ausgerechnet ich lebe? Die Leute glauben ja immer gerne daran, dass gerade sie in einer ungewöhnlichen Zeitspanne leben. Ich glaube eher, jetzt ist das Zeitalter, wo zum ersten Mal eine ganze Menge tiefgründiger, spiritueller Techniken für einen grösseren Teil der Menscheit verfügbar wird. Ob diese Menschen diese dann aber auch benutzen werden - wohl nur zu einem relativ kleinen Teil. Die Mehrheit der Menschen wir wohl weiterhin in erster Linie damit beschäftigt sein, in erster Linie möglichst viel Geld zu verdienen. (Und das ist für gar nicht so wenige Menschen ja immer noch so wenig, dass es erstmal darum geht, ein halbwegs angenehmes Leben führen zu können, also regelmässig einen satten Bauch zu haben.) Wenn Wilbers/Becks Theorien stimmen, dann wird erstmal die Mehrheit der Menschen beispielsweise das orange Meme erreichen müssen. Da kommt dann noch einiges auf uns zu (v.a. auch was die Umweltverschmutzung anbelangt).
Wilber hat vielleicht nicht an eine natürliche (exponentielle) Wachstumskurve gedacht :D

Mal sehen. Ich denke, dass es ausreichen wird, wenn es in einigen Ländern mehr und mehr etabliert/institutionalisiert wird (in Kindergärten, Schulen, Universitäten), wenn die Forschung es mehr und mehr klar herausstellt, so dass dann auch viele andere Länder sich überzeugen lassen.

Es ist schon richtig, dass viele Generationen oft denken, dass sie in einer ganz besonderen Zeit leben. Gerade z.B. Hegel dachte, dass sich in seinem Buch, in seiner Generation, in seinem Zeitalter, das Absolute zum ersten Mal in der Geschichte selbst erkennen, erfahren könnnte...
...obwohl Napoleons Armeen gar nicht weit von ihm die Städte verwüsteten... ...recht optimistisch :love2:

Aber wenn ich mein Leben (40 Jahre) zurückblicke, dann unterscheidet sich die Zeit gerade doch schon deutlich von den 80er und 90er Jahren...
...wir werden sehen...
 
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