Die Rastafari-Bewegung hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte von Jamaica ausgehend über weite Teile der englischsprachigen Antillen ausgebreitet. Sie ist vor allem durch die Reggaemusik in Europa und Nordamerika bekannt geworden. Sie hat ihren Ursprung in der Lehre eines Marcus Garvey, der in Jamaica geboren wurde und in New York die Universal Negro Improvement Society sowie die New African Orthodox Church gründete.
Seiner Meinung nach sind die Schwarzen das auserwählte Volk. Gottvater, Christus und die hl. Maria sind schwarz, der Satan hingegen weiß. Er propagierte die Rückkehr aller amerikanischen Schwarzen nach Afrika. Zu diesem Zweck gründete er sogar eine Schifffahrtsgesellschaft, die aber bald bankrott machte, denn kein afrikanisches Land wollte die Auswanderer aufnehmen. Schließlich wurde Garvey als unerwünschter Ausländer aus den Vereinigten Staaten in seine Heimat abgeschoben und starb dort während des zweiten Weltkriegs.
Schon vor Garvey, kurz nach der Sklavenbefreiung, kehrten einige nordamerikanische ehemalige Sklaven nach Afrika zurück und errichteten in Liberia, gegen den Willen der dort beheimateten Stämme, eine Republik, die von den Vereinigten Staaten unterstützt wurde. Ehemalige Sklaven aus Brasilien siedelten sich am Ende des vorigen Jahrhunderts in den Küstenstädten Togos, Benins und Nigerias an, wo ihre Häuser noch heute durch eine besondere Architektur auffallen.
Um das Jahr 1930 entstand die Rastafari-Bewegung in Jamaica. Für ihre Anhänger waren die amerikanischen Schwarzen die Reinkarnation der alten Israeliten, die wegen ihrer Sünden in die Antillen verbannt worden seien. Jamaica selbst sei Babylon die Hölle. Die schwarze Rasse stehe aber über der weißen Rasse, und in Zukunft würden die Weißen den Schwarzen dienen müssen. In ihrem Glauben war Haile Selasse, der damalige Kaiser von Äthiopien, der Vertreter Gottes auf Erden, der die Wiedereingliederung der Verbannten nach Afrika in Angriff nehmen würde. In den dreißiger Jahren war er der einzige Potentat eines schwarzafrikanischen Landes, der vor allem durch seinen Kampf gegen die italienischen Imperialisten und Mussolini auch im karibischen Raum bekannt wurde. Allerdings hatte der Kaiser weder die Möglichkeit noch die Absicht, die amerikanischen Schwarzen in ihre Heimat zurückzuführen. Zudem wusste in Jamaica auch niemand, wohin genau die schwarzen Massen eigentlich gebracht werden sollten.
Rastafari ist ein politisch-religiöser Kult: Seine Anhänger entwickeln nicht nur ihre eigene Spiritualität, sondern verherrlichen vor allem den Kampf für die sogenannte black power, das Ziel einer alleinherrschenden schwarzen Rasse.
Allerdings werden in ihren Meetings auch Bibeltexte vorgelesen und protestantische Hymnen gesungen. Frauen spielten übrigens in dieser Bewegung bis vor kurzem keine Rolle.
Bis 1950 waren Rastas meist nur im städtischen Subproletariat von Kingston anzutreffen. Die Rastas rauchen Marihuana (ganja), lassen ihre Haare in schmutzigen Locken wachsen und waschen sich selten. Sie verwenden eine bestimmte Terminologie, die nur von ihnen verstanden wird.
Rastas halten sich für Inkarnationen bekannter alttestamentlicher Gestalten (Moses, Jesaja, Jeremias, Joschua und andere Propheten). Auch heute noch halten sie an der Göttlichkeit Haile Selassies fest und sind von ihrer Sendung, alle Schwarzen zu befreien, überzeugt.
In den sechziger Jahren fanden die Rastas auch auf anderen Inseln, auf denen das Black Power Movement von Bedeutung war, Anhänger. Sie bildeten städtische Wohngemeinschaften und landwirtschaftliche Kooperationen, die neben Gemüse auch Marihuana anpflanzten. Die politische Brisanz dieser Sekte wird an einem drastischen Beispiel deutlich: 1974 wurden die Dreads, wie die Rastas auf Dominica genannt wurden, beschuldigt, dort neun Touristen und mehrere Geschäftsleute umgebracht zu haben; daraufhin wurde die Rastafari-Bewegung auf dieser Insel verboten.
In den achtziger Jahren waren die Rastas für Rassenunruhen in Trinidad verantwortlich. Sie stachelten die schwarzen Massen gegen Weiße und Inder auf. Die Rastas wollen Babylon zerstören, um für Schwarze ein Paradies auf Erden zu errichten. Gerade in den letzten Jahren kann man vor allem in Jamaica verstärkte Aktivitäten der Bewegung beobachten, was wohl nicht nur auf eine Proletarisierung der Massen zurückgeht, sondern auch mit der Infiltration von revolutionären Intellektuellen in ihren Reihen zu erklären ist. Der Gebrauch von Marihuana in ihren Ritualen wird in der Öffentlichkeit stillschweigend geduldet.
Die Reggaemusik, die ursprünglich nur bei den religiösen Zusammenkünften der Rastas gespielt wurde, begann ihren kommerziellen Siegeszug um die Welt. Die Gesänge wurden zum verbalen Ausdruck der Unzufriedenheit und der revolutionären Ideen der Schwarzen Amerikas. Reggae, Tanz und Beat hatte aber auch einen großen Erfolg bei der weißen Jugend. Dies führte dazu, dass die für amerikanische und europäische Verhältnisse wild aussehenden Reggaesänger bald zu Publikumslieblingen in deren Heimat wurden, wo sie Millionen verdienen und ihre politische Mission darüber vergessen.
Quelle: Kleine Bibliothek der Religionen von Angelina Pollak-Eltz