Tod Einer Unschuldigen

Felice

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3. April 2008
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7.536
Ort
Wien
TOD EINER UNSCHULDIGEN

Ich ging zu einer Party, Mami, und dachte an
Deine Worte.
Du hattest mich gebeten, nicht zu trinken, und
so trank ich keinen Alkohol.
Ich fühlte mich ganz stolz, Mami, genauso, wie
Du es vorhergesagt hattest.
Ich habe vor dem Fahren nichts getrunken, Mami,
auch wenn die anderen sich mokierten.
Ich weiß, dass es richtig war, Mami, und dass
Du immer Recht hast.
Die Party geht langsam zu Ende, Mami, und alle
fahren weg.
Als ich in mein Auto stieg, Mami, wusste ich,
dass ich heil nach Hause kommen würde: aufgrund
Deiner Erziehung - so verantwortungsvoll und
fein.
Ich fuhr langsam an, Mami, und bog in die
Strasse ein.
Aber der andere Fahrer sah mich nicht, und sein
Wagen traf mich mit voller Wucht.
Als ich auf dem Bürgersteig lag, Mami, hörte ich
den Polizisten sagen, der andere sei betrunken.
Und nun bin ich diejenige, die dafür büssen muss.
Ich liege hier im Sterben, Mami, ach bitte,
komm' doch schnell.
Wie konnte mir das passieren? Mein Leben
zerplatzt wie ein Luftballon.
Ringsherum ist alles voll Blut, Mami, das meiste
ist von mir.
Ich höre den Arzt sagen, Mami, dass es keine
Hilfe mehr für mich gibt.
Ich wollte Dir nur sagen, Mami, ich schwöre es,
ich habe wirklich nichts getrunken. Es waren die
anderen, Mami, die haben einfach nicht
nachgedacht.
Er war wahrscheinlich auf der gleichen Party wie
ich, Mami.
Der einzige Unterschied ist nur: Er hat
getrunken, und ich werde sterben.
Warum trinken die Menschen, Mami? Es kann das
ganze Leben ruinieren.
Ich habe jetzt starke Schmerzen, wie
Messerstiche so scharf.
Der Mann, der mich angefahren hat, Mami, läuft
herum, und ich liege hier im Sterben. Er guckt
nur dumm.
Sag' meinem Bruder, dass er nicht weinen soll,
Mami. Und Papi soll tapfer sein. Mami schreibt "Papis Mädchen" auf meinen Grabstein.
Jemand hätte es ihm sagen sollen, Mami, nicht
trinken und dann fahren.
Wenn man ihm das gesagt hätte, Mami, würde ich
noch leben.
Mein Atem wird kürzer, Mami, ich habe große
Angst. Bitte, weine nicht um mich, Mami. Du
warst immer da, wenn ich Dich brauchte.
Ich habe nur noch eine letzte Frage, Mami, bevor
ich von hier fortgehe: Ich habe nicht vor dem
Fahren getrunken, warum bin ich diejenige, die
sterben muss?
 
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Als ich das gelesen habe, hatte ich Tränen in den Augen. Wie kann sowas passieren? Man fühlt sich so machtlos, wenn man das liest, weil man weiss, es passiert jeden Tag, immer wieder.
 
Ich habe nur noch eine letzte Frage, Mami, bevor
ich von hier fortgehe: Ich habe nicht vor dem
Fahren getrunken, warum bin ich diejenige, die
sterben muss?
Tja... diese Frage ist ganz leicht zu beantworten. Ein minimaler Zeitunterschied, irgendwo in der Zeit vor dem Unglück, hätte alles verändert. Da hätte schon ein Glas Bier gereicht denke ich .... :D :escape:
 
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Hallo Felice,
finde ich auch sehr berührend.

Als ich das gelesen habe, hatte ich Tränen in den Augen. Wie kann sowas passieren? Man fühlt sich so machtlos, wenn man das liest, weil man weiss, es passiert jeden Tag, immer wieder.

Ich denke, es geschieht, ob unschuldig oder nicht, allen. Wenn die Stoßgebete, letzten Gedanken, Versuche noch zu bereinigen, ... hörbar wären, von Menschen kurz vor dem Hinübergehen, wäre es immer berührend.

Ich finde deinen Text sehr schön und einladend, sich mit dem Weggehen von Menschen auseinanderzusetzen.

lieben Gruß Atreya
 
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