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Es ist also festzuhalten, daß der magische Schutzkreis im Ritual den Magier in erster Linie eher vor eigenen Unzulänglichkeiten schützen soll als vor störenden Einflüssen anderer, welche fast immer bloß Einbildung sind. Diese paranoiden Einbildungen gehören übrigens auch zu den erwähnten eigenen Unzulänglichkeiten, die der Kreis dadurch nimmt, indem er Sicherheit gegenüber der Außenwelt vermittelt. Man täuscht sich zum Teil also wieder mal selbst. Dennoch ist der Schutzkreis gerade für den Anfänger sehr wichtig und in seiner psychologischen Schutzfunktion für diesen nicht zu unterschätzen.
Um zu verstehen, welche Bedeutung ein magischer Schutz hat, muß man sich bewußt machen, daß bei einem Ritual eben nicht nur willkommene Kräfte auftreten können. Auch sekundäre, ungewollte Kräfte können entstehen. Diese wurden früher Engel, Elementale, Geister oder Dämonen genannt. Natürlich gibt es solche Wesen nach meiner Auffassung zwar nicht wirklich, aber sie sind sogenannte Psychogone (psychisch geladene Gedankenformen) des Magiers und werden deshalb von diesem unter Umständen nicht weniger real wahrgenommen, obwohl sie nur in seiner Einbildung existieren und ihm von seinem Unterbewußtsein vorgegaukelt werden.
Dies ist zwar nicht die Regel, kann aber eben doch vorkommen. Diese "Wesen" partizipieren an der Energie des Rituals oder des Magiers und schwächen beide durch diesen Energieverlust (in Wirklichkeit benötigt natürlich das Unterbewußtsein diese Energie für die Projektion des Psychogons). Solche Psychogone können als Projektionen negativer Gefühle (Aggressionen, Ängste, Paranoia etc.) aus dem Unterbewußtsein (man erschafft sich seine eigenen Dämonen) in ihren psychologischen Auswirkungen ebenso schädlich sein wie wenn sie wirklich existent wären. Für den Magier, dessen Unterbewußtsein für ihn Realität wird, können diese Erscheinungen somit sogar ebenfalls Realität werden, wenn er unbewußt tief im Inneren fest an sie glaubt.
Auch wenn dem Magier die wahre Natur solcher Erscheinungen bewußt ist, kann er ohne Schutz häufig nichts gegen sie tun, denn ihr Angriffspunkt ist gerade das Unterbewußtsein, für das sie eben real sind. Ohne Schutz zu arbeiten, bedeutet ein Risiko, und in seltenen Fällen können Poltergeist-Erscheinungen, gesundheitliche und psychische Störungen bishin zu Besessenheitsproblemen auftreten. Der Kreis schützt auch psychologisch davor, mit solchen unterbewußten Projektionen konfrontiert zu werden, weil er dem Magier einfach das Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Wie gesagt, solche Erscheinungen sind Ausnahmen, und Schwarzmalerei ist hier sicher übertrieben, aber beim Autofahren schnallt man sich ja auch an, obwohl ein Unfall bei einer einzelnen Fahrt unwahrscheinlich ist. Doch wer häufiger Auto fährt, erhöht auch sein Risiko. Also sollte sich auch der Magier regelmäßig "anschnallen", mit einem Schutzkreis nämlich.
Dieser gaukelt dem Unterbewußtsein Schutz und Sicherheit vor, so daß es frei und ungezwungen arbeiten kann. Alle eventuell auftretenden Psychogone bleiben auf diese Weise entweder schön außerhalb des Kreises und stören das Ritual und den Magier nicht oder sie entstehen gar nicht erst. Sich zu schützen hat hier nichts mit Paranoia zu tun (die sollte man gar nicht erst aufkommen lassen), sondern ist wie das Anschnallen auch einfach nur eine wichtige Vorsichtsmaßnahme.
Den Schutzkreis sollte derjenige ziehen, der sich am besten darauf versteht. Es schadet aber auch nicht, wenn mehrere dies nacheinander tun und somit den Schutz verstärken, ganz im Gegenteil. Am sichersten fühlt man sich doch immer noch dann, wenn man seinen eigenen Schutz auch selbst aufgebaut hat.
Das Ziehen des Kreises kann an einem beliebigen Punkt beginnen (traditionell meist die Altarseite), aber wichtig ist es natürlich, daß man ihn später an dem Anfangspunkt auch wieder schließt. Sicherheitshalber kann man ihn etwas über den Ausgangspunkt hinaus ziehen, und manche Magier ziehen den Kreis auch noch etwa eine Vierteldrehung weiter, damit er auch wirklich versiegelt ist.
Während man den Kreis zieht, visualisiert man den Aufbau einer Barriere gegen alle Einflüsse von Außerhalb, in welche die erzeugte Energie strömt. Man kann sich de Kreis z.B. als Lichtkreis, als zylindrische Wand, Kuppel oder Kugel vorstellen, am wirksamsten ist das persönliche Schutzsymbol. Der Kreis ist ja nur ein optisches Symbol, in Wahrheit schützt man natürlich einen räumlichen Bereich überall um sich herum, und nicht nur eine Fläche auf dem Boden.
Von jetzt an ist man von der Alltagswelt getrennt, und wenn man sich darauf konzentriert, spürt man, wie sich die Energie innerhalb des Kreises verändert hat. Erst wenn man sicher ist, daß der Kreis "gut" genug ist, sollte man weitermachen. Notfalls zieht man ihn einfach noch einmal, so lange, bis man zufrieden ist und sich darin sicher fühlt.
Das Ziehen des Kreises ist eine wichtige Bannung. Es darf keine oberflächliche Geste sein, die aus der vagen Hoffnung heraus geschieht, irgendwelche Dämonen damit zu vertreiben, sondern muß eine hochwirksame psychologische Struktur verkörpern, die sozusagen das Arbeitsgerüst für das gesamte folgende Bauwerk des Rituals bildet. Sie blendet Zeit, Raum und äußere Ereignisse aus und schafft dem Magier ein eigenes Universum, in dem er als bewußter Schöpfer frei wirken kann. Wenn erst einmal die Zeit-Raum-Ereignisse irgendeiner Welt aufhören, den Magier zu beherrschen, werden sie für ihn beherrschbar.
Für den Magier ist das Innere seines Kreises "heiliger Boden", sein Sanktuarium, in dem er frei und sicher magisch arbeiten kann. Der Kreis ist ebenso ein geweihter Raum wie ein Tempel, der von allen alltäglichen Dingen und allem Negativen gereinigt wird. Mit dem Ziehen des Kreises errichtet der Magier quasi einen Tempel. Es ist ein geschützter Ort, dem Alltag enthoben, an dem man ohne Furcht alle Schilde und Grenzen fallen lassen und seine eigenen Energien mit denen der Natur verbinden kann. Hier kann und darf man sein, wie man wirklich ist.
Manche Magier ziehen auch zwei Kreise umeinander, einen bannenden im Uhrzeigersinn, um sich zu schützen, und einen anrufenden entgegen dem Uhrzeigersinn, um Kräfte herbeizulocken. Je nach Art und Zweck des Rituals sowie persönlicher Vorliebe kann entweder der eine oder andere Kreis innen oder außen gezogen werden. Man zieht zuerst den äußeren, danach den inneren Kreis, sonst würde der Innere ja wieder durchbrochen. Auch sollte man nicht beide Kreise exakt auf derselben Linie ziehen, da sich ihre gegensätzlichen Funktionen sonst gegenseitig aufheben würden. Manche Magier ziehen auch drei Kreise, viele ordnen auf oder zwischen den Kreisen Kerzen oder magische Symbole an.
Zusätzlich kann man den Kreis nach dem Ziehen mit einer Kerze oder Räucherung abschreiten und geweihtes Salz und Wasser in alle vier Himmelsrichtungen des Kreises zu sprenkeln und dabei bekräftigende reinigende und weihende Worte zu sprechen, um den Kreis noch zu verstärken.
Bei Beschwörungen ist es üblich, am Rande des Schutzkreises vorher ein diesen berührendes, doch flächenmäßig außerhalb dessen liegendes Dreieck in bannender Richtung zu zeichnen, in welchem sich das gerufene "Wesen" sicher eingeschlossen manifestieren kann (das Dreieck muß entsprechend groß sein).
Nach dem Schließen des Kreises ist es wichtig, den Kreis nicht mehr zu verlassen, zu betreten oder sonstwie zu durchbrechen, weder mit einem Körperteil noch einem Gegenstand, bis er wieder aufgelöst wird, damit er nicht in seiner Funktion gestört wird oder sich gar verflüchtigt. Deshalb sollten sich selbstverständlich auch alle Teilnehmer und alle für das Ritual benötigten Dinge bereits innerhalb des Schutzkreises befinden, bevor dieser gezogen wird, damit nichts fehlt oder man später den Kreis nicht unnötig durchbrechen muß. Falls man während des Rituals eine Musikuntermalung wünscht, sollte man die Lautstärke und Spielzeit entsprechend vorher regeln, ebenso die Beleuchtung, damit man nicht unterbrochen wird und genötigt ist, den Kreis zu verlassen.
Wenn man den Schutzkreis dennoch verlassen muß, sollte man es vermeiden, ihn dabei zu zerstören, denn dabei würde sich alle angesammelte Energie schlagartig zerstreuen. Das kann man z.B. dadurch umgehen, indem man ein Tor visualisiert, um das herum die Energien weiterströmen können. Es kann bei der Visualisierung helfen, das imaginäre Tor mit dem Ritualdolch zu zeichnen (alle vier Seiten rundum). Nach der Rückkehr schließt man dieses Tor wieder durch Visualisierung und zeichnet es mit dem Ritualdolch sozusagen umgekehrt wieder weg. Dieser Trick funktioniert aber nicht immer, und manchmal ist der Kreis durch eine solche Maßnahme nachhaltig gestört. In diesem Fall kann man mit dem Ritual wieder von vorn anfangen, sofern das dann noch möglich und sinnvoll ist.
Ziel sollte es sein, beim Ziehen des Kreises das Schutzsymbol derart intensiv zu projizieren, daß man es selbst wie eine Art bewußter Halluzination wahrnehmen kann. Je intensiver diese Wahrnehmung ausfällt, desto besser ist die Schutzqualität. Im Idealfall kann auch eine anwesende Zweitperson das Schutzsymbol wahrnehmen, wenn sie hinreichend sensitiv oder geschult ist, und zwar auch ohne vorher darauf aufmerksam gemacht worden zu sein oder überhaupt von seiner Existenz zu wissen.
Doch bis das so weit ist, vergehen meistens viele Jahre. Es ist nicht schlimm, das weniger gut zu vollbringen, dennoch sollte dies stets das Ziel der magischen Projektion sein, weil sich an seiner Erreichung die wirkliche Meisterschaft zeigt und man dann sicher sein kann, weitgehend fehlerfrei zu arbeiten.
Magier, die einen starken Willen haben, brauchen sich prinzipiell nicht zu schützen, weil die widrigen Einflüsse ohnehin von ihnen abprallen oder ignoriert werden können. Die meisten tun es aber trotzdem, wenn auch nicht unbedingt immer durch aufwendiges Ziehen eines Schutzkreises oder ähnliche Maßnahmen. Oft genügt es ihnen auch, die Abtrennung des Ritualplatzes und damit eine diesen umgebende, unüberwindliche Barriere einfach nur "haben zu wollen", also zu visualisieren, und schon ist sie da. Das bedarf, wie gesagt, langer Übung, eines starken Willens und innerer Stärke. Wer sich selbstbewußt genug weiß, kann also auf den optischen Schutz verzichten, aber im Inneren schützt er sich meist trotzdem, auch wenn der Außenstehende es nicht wahrnimmt.
Weil es sich aber als psychologisch hilfreich erwiesen hat, einen Schutz optisch und durch eine tatsächliche Handlung aufzubauen, und sei es auch nur improvisiert, weil das Unterbewußtsein sich dann auf sich selbst konzentrieren kann und nicht mehr nach außen hin wachsam sein muß, ist ein Schutz jedoch zu empfehlen.
Gerade Anfängern wird ein Schutzritual mit Ziehen des Schutzkreises empfohlen, einmal um sie dies und den Umgang mit der Visualisierung eines festen Willens (Abgrenzung) üben zu lassen und zum anderen, weil es wichtig für sie ist, sich auf dem Ritualplatz sicher fühlen zu können. Das Ziehen des Kreises dient außerdem auch mit zur Einstimmung auf die eigentliche Operation.
Schutzmaßnahmen sind unbedingt auch dann zu empfehlen, wenn beim Ritual mit starker Gegenwehr oder geistigen Angriffen Dritter zu rechnen ist, wenn mehrere, einander noch nicht so vertraute Personen am Ritual teilnehmen oder Kräfte angerufen werden sollen, mit denen man noch keine Erfahrung hat.
Viele Magier sind der Meinung, daß jedwede magische Arbeit in einem Schutzkreis getan werden sollte. Mir genügt es dagegen, wenn ich mich bei richtigen Ritualen oder größeren Operationen mit einem Kreis schütze, da bei spontanen Zaubern oder "Alltagsmagie" mein Wille allein bereits stark genug ist, die üblichen Unbillen abzuwehren.
Man sollte auch nie vergessen, daß der Schutzkreis nicht nur unerwünschte Kräfte außerhalb hält, sondern ebenso die erwünschten innerhalb des Kreises einschließt. Der Kreis ist auch nicht vollkommen undurchlässig, sondern hält nur Unerwünschtes fern. Gewolltes läßt er dagegen hinein und hält es im Kreis, bis die Energie schließlich wieder während der eigentlichen magischen Operation nach außerhalb, auf das Ziel, projiziert wird. Dazu muß der Kreis die gewünschten Energien jeweils hinein- und hinauslassen, unerwünschte Energien aber blockieren. Der Schutzkreis wirkt daher nicht wirklich wie eine Wand, sondern eher wie eine Art Filter.
Man kann es als Ungeübter zunächst auch bei dem Kreis bewenden lassen, ihn sozusagen üben. Zum Anfang kann man sich einfach in die Mitte setzen und den Kreis auf sich wirken lassen. Mit etwas Sensitivität wird man die veränderte Energie innerhalb des Kreises wahrnehmen. Wichtig ist später auch, den Kreis sanft aufzulösen und seine Energie abfließen zu lassen (zu erden). Er sollte nicht einfach durchbrochen oder aufrechterhalten werden, da dies schädliche Auswirkungen auf den Energiehaushalt des Magiers haben kann (evtl. droht ein Magiekater).
Schutzkreise haben seltsame Eigenschaften. Sie dienen nicht nur dem Schutz, sondern schaffen eine andere Realität. Sie werden praktisch zum Universum des Magiers. Nicht nur das Zeitempfinden ändert sich völlig (nach einer empfundenen Stunde im Kreis stellt man häufig fest, daß außerhalb bereits vier Stunden vergangen sind), sondern auch das Temperaturempfinden kann in ihnen eingeschränkt werden. Selbst bei kühler Witterung kommt es selten vor, daß jemand im Kreis friert, aber das bewahrt ihn nicht unbedingt vor einer Erkältung am nächsten Tag.