Der Fahnen-Streit eskaliert
Sind fahnenschwenkende deutsche Fußballfans verkappte Nationalisten? Ein entsprechender Facebook-Post der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz hat einen Shitstorm ausgelöst - inklusive Morddrohungen und Beleidigungen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
"Die Grüne Jugend ist das Ergebnis von fast 50 Jahren Inzucht der 68er-Generation." Das ist noch einer der harmloseren Kommentare, die sich auf der Facebook-Seite der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz (GJ-RLP) findet. Mehr als 24.000 Kommentare stehen mittlerweile unter dem Posting mit dem Titel "Patriotismus = Nationalismus. Fußballfans Fahnen runter! Über 9.000 mal wurde er geteilt (Stand Montagvormittag).
Die Kommentare bestehen überwiegend aus Schmähungen, Beleidigungen bis hin zu offener Nazi-Propaganda und Morddrohungen. Etlichen Kommentarschreibern droht die GJ nun in einem neuen Facebook-Posting mit Strafanzeige. Inhaltlich wird nachgelegt: "Die vielen Hasskommentare, die sexistischen Äußerungen und die Nazi-Propaganda unter unserem Facebook-Post zeigen, dass dieser „unverkrampfte“ Patriotismus doch nicht so harmlos daherkommt, wie es von manchen allzu oft behauptet wird. Mit dem Post haben wir ganz offensichtlich einen Nerv getroffen", heißt es da.
Grüne Jugend: "Wir wollten niemanden angreifen"
Die Sprecherin der GJ-RLP, Jennifer Werthwein, sagte am Montag im SWR, man habe eine Debatte anstoßen wollen. "Die Aktion war provokant, plakativ. Wir wollten niemanden angreifen", betonte sie. Folgende Diskussion gelte es jetzt zu führen: "Wie gehen wir mit nationalen Symbolen um und wie gehen wir mit den Menschen um, die nationale Symbole missbrauchen für ihr nationalistisches Gedankengut?" Weiter sagte Werthwein: "Die Hasskommentare, die uns erreichen, zeigen, dass man das nicht einfach als Partypatriotismus abtun kann." Es gehe nicht darum, nationale Symbole gänzlich abzuschaffen. "Wir wollen kritisches Bewusstsein schaffen." Fußball sollte als Sport betrachtet werden und nicht als Nationen-gegen-Nationen-Kampf, sagte Werthwein.
CDU-Chefin Klöckner: "Das ist unentspannt"
CDU-Landeschefin Julia Klöckner kam zu einer komplett gegensätzlichen Einschätzung. Sie nannte die Haltung der Jung-Grünen unentspannt. Die Debatte führe dazu, "dass man letztlich Rechtspopulisten Wasser auf die Mühlen gibt". Klöckner verwies auf die schwarz-rot-goldene Fahne, die im Plenarsaal des Landtages in Mainz hängt - ein Original vom Hambacher Schloss, das als Ausgangspunkt der deutschen Demokratiebewegung gilt. "Diese Farben stehen für Demokratie und für eine Bürgerbewegung. Und für die muss man sich nicht schämen", sagte Klöckner.
Grüne Mutterpartei geht vorsichtig auf Distanz
Der "Mutterpartei" ist die öffentliche Erregungswelle offenbar eher unangenehm. Landeschefin Katharina Binz betonte im Gespräch mit dem SWR mehrfach, dass die Jugendorganisation eigenständig sei und entsprechend auch eigene Positionen entwickle. Es sei wichtig, auf Nationalismus aufmerksam zu machen. Die generelle Forderung "Fahnen runter" sei allerdings zugespitzt und provokativ. "Man muss sich die Frage gefallen lassen, ob man damit den Zweck, den man damit erfüllen wollte, auch erfüllt", sagte Binz.
Als entsprechend beschwichtigend kann man deshalb auch den Facebook-Post des grünen Landesverbandes von Sonntagabend verstehen: "Ob mit oder ohne Fahne, heute Abend fiebern wir gemeinsam mit allen Fans für einen weltoffenen Sport".