Der Unfall lag etwa ein Jahr zurück, als sie im September 1926 an Alejandro schrieb:
«Warum studierst Du soviel? Nach welchem Geheimnis suchst Du? Das Leben wird es Dich ohnehin bald lehren. Ich kenne es ja bereits ohne Lesen und Schreiben. Noch vor kurzem, es ist bloß ein paar Tage her, war ich noch ein Kind, das in einer Welt von Farben, von harten und berührbaren Dingen herumlief. Alles war geheimnisvoll, und irgend etwas war in mir, wie mir schien, verborgen; wie im Spiel versuchte ich es zu erraten, was es sein möchte. Aber wenn Du wüßtest, wie schrecklich es ist, plötzlich zu wissen gleichsam als würde die Welt von einem Blitz erleuchtet. Jetzt lebe ich in einem schmerzvollem Planeten, durchsichtig wie Eis; aber es ist, wie wenn ich alles auf einmal innerhalb einer Sekunde gelernt hätte. Meine Freundinnen sind langsam zu Frauen herangereift, ich dagegen wurde alt in einem Nu, und heute ist alles mild und klar. Ich weiß, daß nichts dahinter liegt; wenn da etwas wäre, würde ich es jetzt erkennen. . . »
aus: «Frida Kahlo» von Hayden Herrera