Nichts

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»Anstrengung und Angst und Hoffnungslosigkeit beim ersten Aufstieg hatte ich inzwischen vergessen.
Oder verdrängt? Mit welcher Selbstverständlichkeit wir Bergsteiger uns selbst belügen.
Man muss sich das Leben dort oben nur vorstellen: immerzu kalte Füße; feuchte Socken im Zelt;
immerzu Durst, Kopfschmerzen, Röcheln, Erbrechen; dann diese Übelkeit erregenden Suppen;
die Enge im Zelt, Erstickungsängste, Panik. Aber der Selbstbetrug geht weiter - vor allem
wir Höhenbergsteiger sind erfinderisch: Wir erfinden immer neue Ziele.

1980, im letzten Biwak, fühlte ich mich am Morgen genauso elend wie am Abend zuvor.
Miserabel dieses Leben im Zelt. Von Erholung keine Rede. Schlafen kommt ganz oben nicht in Frage.
Mein Gesicht, die Hände, die Füße - alles eisig kalt. Und die Sonne hatte keine Kraft.
Die Wand unter mir war steil; wenn der Schnee nicht hielt, war es ein hoffnungsloses Treten,
bis ich mit den Steigeisen auf Fels stieß. Nicht die Lawinengefahr ängstigte mich,
nur die Entfernung. Und die Sorge, nicht zurückzukommen.

Am Gipfel sah ich nichts. Er steckte im Nebel.

Keine göttliche Aussicht, keine Freude, kein Stolz. Nichts. Auch keine erhabenen Gedanken.
Automatisch tat ich, was zu tun ich mir vorgenommen hatte: Fotos, Keuchen, Hinhocken,
Rast mit geschlossenen Augen.

Dann der Abstieg.«

aus: Reinhold Messner. Mount Everest - der Gipfel des Selbstbetrugs ...
 
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Reinhold Messner scheint ein spannendes Buch geschrieben zu haben. Ehrlich vor allem, nichts von Bergsteigerromantik (wie man das als Flachlandtiroler vllt. meinen könnte).
Hab mir vorgenommen, dass jetzt zu lesen.
Danke für den Ausschnitt. :)
 
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