@ Trixi Maus: Vielen Dank, genau das habe ich gemeint. Nur bei mir ist es noch so dass ich die Gedanken zwar beobachte aber dennoch darunter leide bzw mich irgendwann davon mitreissen lasse da Sie mich einfach total erschrecken...
Was sind denn die erschreckenden Gedankeninhalte, wenn ich fragen darf?
Wie machst du wenn die Gefühle total stark sind? Kannst du diese dann noch als beobachtender Part objektiv benennen?
Nein, Gefühle sind ja auch erschreckend, in ihrer Vehemenz. Gerade als Mann nimmt man sie, denke ich, oft nur untergeordnet wahr. Ich erinnere mich, daß ich den Gefühlen, die ich wahrgenommen habe, Ausdruck verliehen habe. Bemerkte ich, wie traurig ich bin, habe ich geweint. Mahrmals, eigentlich jahrelang immer wieder bis Traurigsein "gut" war. Bemerkte ich Wut, schrie ich. War ich verzweifelt, heulte ich. War ich hoffnungslos, wurde ich still und besann mich auf mich selbst.
Andere malen ihre Gefühle, tanzen sie, verdichten sie in Gedichte aus Worten - hab ich auch alles gemacht.
Ich denke es nützt nichts, Gefühle "weg" bekommen zu wollen. Im Gegenteil ist es wohl ein Geschenk, das der Mensch mit sich herumträgt, daß er ein so reiches Gefühlsleben hat. Das Gefühl hat aber die Eigenart, an Gedanken und Erinnerungen gebunden zu sein, die man negativ bewertet, weil man die Gedanken nicht haben will oder weil man die Erinnerungen noch nicht verarbeitet hat. Dann werden Gefühle "verstellt" und man hat schlecht Zugang zu ihnen. Bricht man dann in der Meditation die Mauer zwischen sich selbst und einem Gefühl auf, erschreckt das, wird teilweise unerträglich - aber das Unerträgliche ist nur gefühlt und das Gefühl ist ja verstellt. Tatsächlich sind Gefühle ein Geschenk, gerade freie Gefühle, offene Gefühle sind Geschenke an uns selbst und andere. Es lohnt sich also, die eigenen Gefühle und Gefühlsverquerungen kennen zu lernen.
Was bei mir in letzter Zeit auch öfters passiert und mich sehr verängstigt, ist dass ich denke dass ich Stimmen höre. Ich denke aber dass dies eine Fehlinterpretation meines Geplappers im Hirn ist. Da ich aber grundsätzlich ein ängstlicher Typ bin, ist dies ein Beispiel wo ich dann nicht mehr beobachten kann bzw mich mitreissen lasse.
Ich finde für unseren Geist, mit dem wir Gedanken ja nun mal innerlich hören und so wahrnehmen, das Bild eines Sees sehr schön. Ein See hat eine Oberfläche, die mal wellig, mal gekräuselt ist und mal glatt. Die Oberfläche des Sees und ihr Wasser steht für die Gedanken, die wir alltäglich wahrnehmen, die "oberflächlich" sind und das Wasser beinhalten, die wir an Land tragen, die wir also in unseren Alltag einfliessen lassen.
Ein See hat aber nicht nur die Oberfläche, sondern auch Tiefen. Auch in den Tiefen eines Sees bewegt sich das Wasser, insbesondere dann, wenn oben Wellen sind. Normalerweise sieht man die Tiefenbewegungen aber nicht, genausowenig wie man die tieferen Gedankenschichten wahrnimmt. In der Meditation taucht man aber sinnbildlich gesprochen ein in den Gedankensee und daher erscheint es einem so, daß man auf mehreren Ebenen denkt. Das ist bei Tageslicht betrachtet auch so: unser Unterbewusstsein verwendet Worte (und Bilder), um unseren uns bewussten geistigen Inhalt herzustellen.
Deshalb spricht man tatsächlich von unseren geistigen Stimmen eher als von einem Orchester als von einer Einzelstimme. Es ist natürlich, daß man beim Meditieren in derjenigen Phase, in der man die eigene Oberfläche verlässt, mehrere Stimmen gleichzeitig in sich "denken" hört. Der Vergleich mit einem Orchester ist tatsächlich ziemlich gut, denn auch die Stimmen im Geist erscheinen in unterschiedlichen Stimmhöhen und spielen alle eine etwas andere Melodie. Aber insgesamt machen sie eine Gesamtmusik. Und diese Gesamtmusik, die kann man beobachten. Die Aufmerksamkeit springt dann von Stimme zu Stimme, grad so, wie der Komponist - das wäre dann wohl die eigene Psyche - es vorsieht.
Oft denk ich dass ich erst so richtig deprimiert werden wenn ich mir den ganzen negativen Gedanken und Gefühlen in meinem Kopf erst bewusst werde..
tja, das kann ich nicht wissen, ob das so passieren wird. Bei mir war es eher so, daß mir klar war, daß ich das Wasser unterhalt der Oberfläche und seine Bewegungen kennen muß, weil ich mit der Bewegung an der Oberfläche nicht zufrieden war. Diese machte mich nämlich depressiv. Es war zwar mühsam und ein hartes Stück Arbeit, aber es lohnt sich, unter der Angst und der Depressivität die wahren Gefühle zu entdecken. Bei mir ist die Lebensqualität damit zurückgekommen.
Das mit der Verrücktheit ist aber durchaus so eine Sache. Ich weiß nicht, in welcher Lebenssituation Du bist, aber bei mir war es so, daß ich Folgendes wußte: wenn ich mich nicht grundlegend in der Bewertung meines Erlebens und in meiner Art, mich selbst und andere wahrzunehmen verändere, dann wird in meinem Leben nichts besser, sondern es wird immer schlimmer. Und daher habe ich persönlich in den sauren Apfel gebissen und daß ich zwischenzeitlich "verrückt" wurde war mir herzlich egal. Natürlich verschiebt sich die Wahrnehmung durch Meditation und phasenweise ist man eher lebensuntüchtig, wenn man wirklich in die Tiefen gehen muß und an bisher nicht gelebten Gefühlen nicht vorbei kommt. Manchmal hat man keine Alternative, denke ich.
darf ich fragen wie lange du schon meditierst und nach welcher Zeit sich ungefähr dein Hirn an das Weglassen von gewissen Gedanken gewöhnen konnte?
Das müssten jetzt so etwa 15 Jahre sein, daß ich meditiere. Bezüglich der Regulierung der Gedanken würde ich sagen, daß bei mir die Voraussetzung dafür ist, daß ich mein Gefühl geklärt habe. Es sind immer wieder die gleichen Dinge, die in mir die gleichen Gefühle auslösen, es ist eine Art Muster. Man muß dieses Muster der Gefühlsauslösung in sich erkennen - das gelingt eben durch Gedankenbeobachtung ganz gut - und das Gefühl neu erleben. Dann werden die Gedanken weniger ausgelöst. Ich kann nicht genau sagen, wie lange das nun bei mir gedauert hat - bezüglich einiger Gefühle Jahre. Andere gingen schneller, an wieder anderen Gefühlen habe ich vermutlich noch gar nicht die Nase dran, weil mein Muster das so nicht vorsieht. Ich glaube also nicht, daß man da einen Zeitrahmen nennen kann, das dürfte individuell sein.
Vielen lieben Dank auf jeden Fall dass du dir die Zeit genommen hast!
oh ja bitte gerne.
Sag mal,eine Frage öffnet sich mir gerade zum Schluß: wie sieht es denn bei Dir mit inneren Bildern aus? Arbeitest Du mit Bildern, visualisierst Du sie? Dieser See, von dem ich oben geschrieben habe, ist zum Beispiel ein typisches Meditationsbild, das auch ich seit Jahren verwende. Wenn ich unruhig bin, dann blicke ich innerlich auf den See. Über die Jahre hinweg ist es so geworden, daß ich eigentlich jeden Winkel dieses inneren Ortes beschreiben kann. Das ist so eine Art Kraftort, würde ich sagen, für mich. Ich denke man braucht so etwas manchmal, wenn die Gedankengefühle einen überschwappen.
lg