Ich täte mich schon gerne verabschieden, wenn es soweit ist. Wenn dann noch jemand da ist, von dem ich mich verabschieden kann.
Manchmal frag ich mich, was besser wäre, zuerst zu sterben oder alle, die ich liebe, zu überleben, so daß sie nicht um mich trauern müssen. Und hält mich dann noch was hier?
Die Welt wird sich weiter drehen, ich werde mich einreihen in die Milliarden, die geboren wurden und gestorben sind. Ein Teil der Ewigkeit des Todes.
Im Prinzip ist das Leben ein einziges Abschiednehmen.
Wir verdrängen den Tod halt so oft und so lange es geht. Erst wenn wieder einmal jemand stirbt, der uns nahe steht, werden wir wieder an unsere eigene Endlichkeit erinnert.
Man kann sichs eh nicht aussuchen, aber wenn man schon in einem gewissen Alter ist, wirds automatisch immer einsamer um einen.
Um meine Mum, die mit 85 starb, hab ich anders getrauert als um meinen Mann, der erst knapp 50 war oder um meinen Sohn, der nicht mal 30 war und das Leben noch vor sich hatte.
Bei meiner Mum war es absehbar. Sie hatte ihr Leben gelebt und war dann schon ziemlich krank. Sie starb dann zwar auch still und leise und eher unerwartet, aber es war zwischen uns alles besprochen. Wahrscheinlich wollte sie allein sterben.
Bei meinem Mann und meinem Sohn kam der Tod Knall auf Fall. Da braucht man sehr viel länger, bis man wieder in die Spur findet, weil so viele offene Fragen übrigbleiben, die einem niemand mehr beantwortet.
Das hätte ich mir gerne alles erspart. Aber wie gesagt, man kann sichs nicht aussuchen und es bleibt einem eh nur, immer wieder zu versuchen, das Leben trotzdem schön und lebenswert zu finden. Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter.
Ich für mich möchte einfach alleine einschlafen. Sind eh nicht mehr allzu viele da, die um mich trauern würden und was ich bis jetzt noch nicht gesagt habe, werde ich auch in meiner letzten Stunde nicht sagen.
Und die, die ich lieb habe, die wissen es.