„Ursein“? Das halte ich für eine feministische Verklärung. Im Myhos wurde Lilith von Gottvater erschaffen, es handelt sich also um einen Komplex, der ausserhalb einer patriarchalischen Gesellschaft wohl gar nicht existiert. Dem jetzt ein Ursein zu unterschlagen, das ist etwas gewagt, und es ist aus der Erzählung auch nicht abzuleiten. Die fälschliche Gleichsetzung von „Dunkelheit“, „Unbewusstem“ und „Ursein“ zeugt gerade von einem grundlegenden Missverständnis in Bezug auf Schattenthemen: nur weil Schatten Abwesenheut von Licht implizieren und es im „Ursein“ offenbar „dunkel“ ist, heisst das bei weitem nicht, dass beide Arten von Dunkelheiten auch nur annähernd gleich seien. Lilith ist das, was durch Eva - bei uns meist in Form der mütterlichen Maria-Figur - verdrängt wird. Eine Verdrängung ist ein Komplex, kein Ursein. Im Ursein konnten sich noch keine Komplexe ausbilden, diese entstehen erst später. (Insofern ist Lilith auch nicht vergleichbar mit Kali, denn Kali ist vielschichtiger als Lilith. Kali gibt es in Dutzenden Emanationen, und es sind diverse, auch auch widersprechende mythologische Geschichten über sie bekannt. Des weiteren ist Kali eine tantrische Gottheit und insofern gibt es hochkomplexe philosophische Abhandlungen über ihre Natur, sowie meditative Systeme und Traditionen die auf ihr beruhen. Das gibt es für Lilith nicht, wenn wir mal von paar Neo-Wicca Kulten absehen.)
Lilith ist dunkel, weil sie auf eine gesellschaftliche Verdrängung hinweist. Ursein ist noch nicht einmal wirklich dunkel, weil sich der Gegensatz von Licht (Bewusstsein) und Dunkelheit (Unbewusstsein) noch gar nicht ausgebildet hat.