Fordert Amnesty eine Legalisierung von Prostitution?
Nein, Amnesty fordert Entkriminalisierung, nicht aber Legalisierung des Sexgewerbes. Das ist nicht dasselbe. Entkriminalisierung bedeutet, dass einvernehmliche sexuelle Beziehungen unter Erwachsenen, auch wenn diese bezahlt sind, nicht strafrechtlich verfolgt werden. Dies entspricht einer international gültigen Menschenrechtsnorm. Auch mit der Ausübung von Prostitution verbundene Aktivitäten wie Vermittlung/Zuhälterei, Wohnungsvermietung, Unterstützung in sozialen Fragen etc. sollen nicht dem Strafgesetz unterstellt werden, ausser wenn Straftatbestände wie Ausbeutung, Nötigung, Gewalt, Erpressung vorliegen oder Menschenhandel im Spiel ist. Solche Straftaten sollen weiterhin klar verfolgt werden. Dort, wo das Gewerbe aus dem Schatten der Illegalität geholt wird, lassen sie sich auch viel besser verfolgen.
Legalisierung hingegen bedeutet, dass Prostitution z.B. über Gewerbegesetze, Arbeitsgesetze oder Gesetze zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt wird. Dazu, ob und wie Staaten dies tun, äussert sich Amnesty bewusst nicht. Staaten müssen jedoch sicherstellen, dass sich solche Gesetze nicht zum Nachteil (eines Teils) der Prostituierten auswirken, diskriminierend sind oder anderweitig zu Menschenrechtsverletzungen an Prostituierten führen. Wenn Prostituierte z.B. derart hohe administrative Hürden überwinden müssen, um legal arbeiten zu dürfen, dass sie wiederum in die Abhängigkeit von grossen BordellbesitzerInnen, in die Fänge des organisierten Verbrechens oder in die Illegalität gedrängt werden, kann dies erneut zu strafrechtlicher Verfolgung führen, aber auch zu höherer Verletzlichkeit. Viele Betroffene, mit denen Amnesty im Rahmen der Untersuchungen gesprochen hat, fordern deshalb Entkriminalisierung des Gewerbes, fürchten aber die Folgen einer Legalisierung, von der sie womöglich erneut an den Rand gedrängt würden.