Wege der Poesie

Ein (moderner)Mensch
(nach Eugen Roth)

Ein Mensch, als solcher sehr modern,
hält sich von Hergebrachtem fern,
da dieses, wie er es vermeint,
als viel zu unmodern erscheint.

Für ihn, der nach der Werbung lebt,
wird altes Leben nicht erstrebt,
denn nur was neu, und damit hipp,
geht ihm beim Einkauf letztlich mit.

Die Paste, die den Zahn poliert,
damit sein Strahlen stets verführt,
Tabletten, die nur glücklich machen,
und wo beim Sex die Betten krachen.

Dazu ein Sack mit Vitaminen,
die zwar nur dem Erzeuger dienen,
und Fruchtgetränke, noch und nöcher,
zur Stärkung seiner Muskellöcher.

So ausgestattet, nimmt er an,
wird er damit zum Mustermann,
wie der, den auch die Werbung zeigt,
und sich die Weiblichkeit verneigt.

Allein, was auch das Menschlein nimmt,
davon ihm nichts Erfüllung bringt,
und bitter er dies auch beklagt,
dass, was er schluckt, bei ihm versagt.

Und die Moral, last but not least,
auch was modern ist oft nur Mist,
der, selbst ins Ofenrohr gezielt,
das Konto des Erzeugers füllt.

H. G. W.
 
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...und es genießen, alt zu sein.


© Christa Kluge, Lehrerin in Ruhestand, *1941


Gesegnetes Alter

Gesegnet, sagt man unverfroren,
ist wer länger schon geboren,
so, als wäre es ein Segen
kann man sich kaum mehr bewegen.

So, als wär’s das reinste Glück
wenn eine Reihe Jahre zwickt
und ein jeder Freude hätt'
wenn er an die Achtzig geht.

Aber keiner, der das sagt,
denkt, wie so ein Segen plagt.
Gesegnet ist man höchstens dann,
wenn man noch halbwegs sitzen kann.

Sitzen, weil man dann nicht kennt,
wie das Kreuz gar teuflisch brennt
und die Beine, die sonst tragen,
vielleicht auch noch den Dienst versagen.

Lesen mit ganz dicken Brillen,
mit dem Rollator Fangen spielen,
welcher Narr sagt da verwegen,
dass das Alter ist ein Segen?

Segen wär's, wenn man bisweilen,
das Lebensalter könnte teilen
und statt Achtzig sich im Leben,
zweimal Vierzig könnte geben.

H. G. W.

Zum allgemeinen Verständnis aus der Mundart
in die Schriftsprache umgeschrieben.
 
Die lebensrechte Sicht

Mag uns das Leben auch die Wunden schlagen
und ist es manchmal auch zu Gram bereit,
so lohnt es dennoch dazu „Ja“ zu sagen,
denn viel zu schön ist letztlich doch die Zeit.


Sind alle Stunden, selbst auch noch im Leiden,
denn rückbesinnend zählt was man erreicht.
Bleibt unterm Strich ein Plus gelebter Freuden,
die niemand mehr aus deinen Sinnen streicht.


Und schöne Stunden, die dir mitgegeben,
im Kreise jener Menschen die du liebst.
Bedenke, wahres Glück im Leben,
entsteht ja nur wenn du es weiter gibst.


So spielen Jahre, welche dann vergehen,
auch kaum noch Rolle denn sie stören nicht.
Wer glücklich lebt, wer lernt es zu verstehen,
hat damit auch die lebensrechte Sicht.

H. G. W.
 
Wenn du so fühlst, solltest du
an der nächsten Haltestelle aussteigen,
auch wenn deine Fahrkarte auf ein anderes Ziel lautet.

© Kristiane Allert-Wybranietz
(*1955), deutsche Dichterin und Lyrikerin


Der Lebenszug

Viel zu schnell vergeh’n die Jahre.
Rasend, wie im raschen Flug.
Ohne irgendwo zu halten,
braust dahin dein Lebenszug.

Fährt durch alle Stationen.
Bleibt auch nirgends einmal steh’n.
Wo es schön wär’, das bekommst du,
meistens viel zu spät zu seh’n.

Dabei läge auf der Strecke
vieles was des Haltens wert.
Doch der Fahrplan deines Lebens
hindert was den Ablauf stört.

Fährt mit dir der Zug der Jugend
langsam noch und völlig leise,
wird mit jedem Lebensjahre
immer schneller deine Reise.

Kommt es auf dem Weg zum Alten
dennoch später noch zum Halten,
wird dir dieser Halt nichts geben.
Letztlich, kostet er dein Leben.

H. G. W.
 
dann würde ich dir
deinen Platz wegnehmen.

©Edwin Ehrlich
(Schriftsteller)

Meinen Platz den kenne ich,
selbst dann, wenn er verborgen liegt.
Er ist nicht dort im Rampenlicht,
nein, die Bescheidenheit obsiegt.

Ich dränge mich nicht gerne vor
und will dir nicht die Freiheit nehmen,
o nein, ich bin nicht jener Tor
der es drauf anlegt dich zu grämen.

Denn was dir heilig gilt auch mir,
da braucht es keine langen Reden.
Ich bin wie du stets nur dafür,
dass jedem auch sein Platz gegeben.

Dass jeder seine Kreise zieht
in denen er auch glücklich wird,
damit er dort, wenn es beliebt,
sein ihm gewohntes Leben führt.

Wobei, wo Kreise sich berühren,
man dort sich ja begegnen kann,
um hier die Liebe auch zu spüren
als Bindung zwischen Frau und Mann.

H. G. W.
 
Ich wollte leben....

Autor: Michael Jung

Was nützt es

Ich wollte leben, mir nur Freude geben,
doch scheinbar ließ das Schicksal das nicht zu.
Es führte mich nicht ins erhoffte Leben,
im Gegenteil, es raubte mir die Ruh'.

Ich wollte Nähe, sie war nicht zu finden,
da ich im Grunde immer Abseits stand.
Was ich auch tat, es war nie zu ergründen,
warum sie mich im Dasein niemals fand.

Ich wollte Liebe, wahre Herzenswärme,
nach der man sich als Mensch halt eben sehnt.
Allein, ich sah auch diese nur von ferne,
wenn, wie zum Hohn, sie andere verwöhnt.

Ich wollte frei sein, doch ich war gefangen,
mein eigen Ich hat Grenzen mir gesetzt.
Noch ehe ich den ersten Schritt gegangen,
war ich in Ketten und mein Sinn verletzt.

Ich wollte hoffen, wollte vorwärts streben,
doch wo nur Nacht erkennt man auch kein Ziel.
Was nützt es also, hat man so ein Leben,
wenn dieses keinen Wunsch gewähren will.

H. G. W.
 
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Sie ging niemals aus, an sich dachte sie nicht.
Sie kannte nur eins und das war ihr Pflicht.


In Gedanken

Und immer nur hast du gegeben.
Fand jeder Mensch bei dir Gehör.
Wie eigentlich dein ganzes Leben,
obwohl dir kaum ein Dank gegeben,
und mancher Tag besonders schwer.

Allein, du kanntest keine Klage.
Das Leben stand halt nicht dafür.
Was anderen erschien als Plage
bedurfte niemals einer Frage,
du liebtest, das genügte dir.

Genügte, dass in all‘ den Jahren
du immer sehr verständig warst.
Wo dir nur wichtig zu bewahren,
selbst noch mit Silber in den Haaren,
damit du Kummer mir ersparst.

Dabei lag bis zur Lebensfrist,
dein eigen Leid stets gut verborgen.
Erst heute, wo du nicht mehr bist
und nur noch große Leere ist,
wird sichtbar was du trugst an Sorgen.

H. G. W.
 
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