Lieber Trixi Maus,
Ich vergleich's mal einfachst mit nem Auto und nem Motorrad. Beides sind Gefährte, die Dich über Wege bringen. Trotzdem wird der Autofahrer ein ganz anderes Gefühl entwickeln als ein Motorradfahrer. Er wird nicht nur sich selbst, sondern auch die Landschaft ganz anders erleben. Beide machen also unterschiedliche Erfahrungen - selbst wenn sie zum selben Ziel hinfahren.
Im Ziel wird der eine sagen: ich bin Autofahrer und mit dem Auto hier angekommen. Der Motorradfahrer wird behaupten, er sei Motorradfahrer und das Motorrad habe ihn hergebracht. Und dann werden beide ein wunderschönes Gesprächsthema haben: die Unterschiedlichkeit des Auto- und der Motorradfahrens. Und wer weiß? Vielleicht fährt ja dann der Autofahrer mal auf dem Motorrad mit und der Motorradfahrer mal im Auto.
Was hätten beide davon, wenn sie die Unterschiedlichkeit ihrer Gefährte wegließen und sich darauf reduzierten, daß sie beide Fahrer sind und über Wege gerollt sind?
das berührt die Frage, worum es geht. Ich gehe nicht davon aus, dass alle, die diesen thread hier lesen, sich als "am Ziel angekommen" betrachten und nun noch mal so rein theoretisch besprechen wollen, was sie für Unterschiedlichkeiten an ihrem Fahrzeug und an der Art des Fahrens erlebt haben. Vielleicht gibt es hier doch manche, die sich in der Rolle des Fahrschülers erleben, und da können Gemeinsamkeiten der allgemeinen Verkehrsregeln z.B. durchaus verbindende Lernelemente sein - trotz aller Unterschiede zwischen den Fahrzeugen.
Das sehe ich nicht unbedingt so. Ein Buddhist hat ein anderes Innenleben als ein Christ, ein Moslem oder ein Huna-Anhänger. Er bezieht sich auf etwas anderes, führt andere Praktiken aus, löst Probleme im Denken anders, weil sein Oberstübchen auf dem Weg anders gestaltet wurde.
das ist eine Unterschiedlichkeit des Fokus. Man kann ja auf die Unterschiede zwischen Programmiersprachen oder zwischen Psychotherapierichtungen fokussieren und da ist wirklich jede ganz anders.
Doch was kommt unterm Strich bei raus? Ich bin überzeugt davon, dass wir alle sehr ähnlich ticken, weil wir alle Menschen sind. So wie alle Von-Neumann-Rechner ähnlich ticken, auch wenn sie völlig andere Betriebssysteme und Computerprogramme haben.
Auch alle erfolgreichen Psychotherapeuten machen viele Dinge einfach ziemlich gleich... auch wenn sie dazu völlig unterschiedliche Bezeichnungen, Theorien und Konzepte haben.
Das Ergebnis eines spirituellen Weges ist möglicherweise eine Erfülltheit oder Freude oder Glück. Und wie jemand da hinkommt eine Frage des Stils... und doch gibt es dann verbindende Elemente in punkto Neuroanatomie. Es kann nicht sein, dass das Glück eines Moslems so völlig andersartig ist als das eines Schamanen oder eines Christen.
Aber ich würde sagen, daß das außerhalb von Religion o.ä. Gelegene im Menschen stets gleich ist und gleich bleibt. Das war auch nie verschieden. Hängst Du aber in einer Religion und in ihrem Gedankengerüst fest, wirst Du das System, das sie anbietet, ja nicht verlassen. Du wirst daher auch immer nur "eine" Sprache sprechen und eben in dieser Sprache, die Du sprichst, wird Dich die Welt erkennen. Als Schamane, als Buddha, Boddhisattwa oder als Christ usw.
Damit kann ich wenig anfangen. Meintest du noch etwas anderes als die Aussage: "Wenn du in x festhängst, hängst du in x fest." ???
Ich muss doch nicht in einem System festhängen. Aber möglicherweise bin ich dazu einfach viel zu chaosmagisch im Herangehen, als dass ich verstehe was du sagen möchtest.
Ich bleibe also dabei: die Erfahrung wird entschieden durch den Weg, den jemand geht. Und aus dem Weg entsteht seine Bezeichnung. Mache ich eine Bäckerlehre, werde ich Bäcker und nicht Müller.
ok, das sind äußerliche Dinge. Ein Bäcker hat ein anderes Ausgangsmaterial als ein Müller.
Aber in spirituellen Richtungen oder Religionen geht es eben immer um das EINE, Gott/Götter/Bewusstsein/Seele/Geist/das Wesen des Menschen/DAO, wie du es auch nennen magst.
Ja, aber die Zugangswege zur Macht sind anders und daher auch wird auch der Bewußtwerdende eine andere Bewußtwerdung erfahren im Vergleich mit anderen Wegen. Ein Christ wird sich nicht Buddhist nennen, ein Reiki-Meister nicht Taichi-Meister, ein Jesus nicht Schamane.
zumindest solange er in einem System festhängt.

Vielleicht gibt es ja Menschen, deren Erfahrungs- und Beschreibungshorizont ein einzelnes System sprengt?
Oder würdest du es für unmöglich halten, dass ein Mensch sich sowohl als Buddhist wie als Christ bezeichnen könnte?
Wäre ein Reiki-Meister möglich, der gleichzeitig auch Tai-Chi-Meister ist?
Und wenn wir die threadfrage betrachten, ist es ja eine Fremdzuschreibungsfrage, also könnten wir Jesus nicht nur als Hauptfigur des Christentums bezeichnen, sondern auch gleichzeitig als Schamanen? (und ja, an dieser Stelle argumentiere ich tatsächlich mit DEM Christentum, weil imho ein Christentum ohne Jesus Christus keins ist)
Genau. Gehst Du Weg A, siehst Du die Lösung für Problem X nicht. Es wird Dir vielleicht noch nicht mal klar, daß es Problem X überhaupt gibt, weil Dein Glaubens- und Denkraster es Dir gar nicht offenbart. Man denke nur an den Begriff der Seele. Die Vorstellung von so etwas Drittem in der Ganzheit, neben dem Körper und dem Geist, gibt es ja lange nicht überall. Schamanismus dagegen ist ein immanenter Bestandteil jeder Kultur, in denen animistische Züge die Zeit überdauert haben. Er unterscheidet eben nicht, was der christliche Weg unterscheidet, weil er sich vollkommen anders geistig beschäftigt als der Christ.
*lächel* ja. Man mag das ja so sehen. Ich sehe z.B. starke verbindende Elemente in dem, was im Christentum "neschamah" heisst, die "himmlische Seele", die der Mensch von Gott bekommt, und dem, was im Schamanismus als NAW bezeichnet wird...
Nebenbei bemerkt, möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf diese herrliche Ähnlichkeit hinweisen, die sich im WORT äußert: der Mensch im Judentum oder Christentum wird - wenn man das hebräische Wort nimmt - quasi "ge-schamaht", der Schamane schama-nisiert...
Jesus wird in der Jordantaufe mit dem Heiligen Geist getauft, der "schämän" symbolisiert wird, als heiliges Öl der Salbung (so wie "Christ" ja von chrisma, Salbung, kommt, und ein Christ auch jemand sein sollte, wenn man es ernst nimmt, der mit der Welt des Geistes in Berührung gekommen ist, ja, in dem die Welt des Geistes zuhause ist und er in ihr.
Klar: der Christ mit Internet, Zugang zu Büchern, Gruppen und Bildung: der wird alles in sich vermengen und alles in sich als Christ oder Schamane erkennen, was er kann. Aber man muß sich ja immer einen Menschen vorstellen, der ohne Fernseher und Bücher sonntags in die Kirche geht und ansonsten in seinem Dorf nix von der Welt sieht oder hört. Der die Bibel hat oder nur die in der Kirche, und das Gesangbuch und das ist neben den Märchen der Gebrüder Grimm sein Lesestoff. Wer sich so beschäftigt, bemerkt erst, wie anders Christentum ist, wenn man mal die ganze Drumherum-"Bildung" der Neuzeit vergißt. Es hat mit Geistern nix zu tun, es glaubt nicht an Schicksal, das man beeinflussen müßte, nicht an Blockaden, die man lösen müßte und ergo auch nicht an nicht an schamanische Heilung.
Es gibt immer verschiedene Ebenen, auf denen etwas ausgelebt werden kann. Vom Taufscheinchristen bis zum Heiligen ist es ein weiter Weg, und vom ersten Trommelkursus bis zum Schamanen ist es auch ein ganzes Stück. Sowenig wie ein Heiliger irgendeine Kirchenmitgliedschaft oder ein heiliges Buch braucht, sowenig braucht ein Schamane einen Trommelkursus (am besten Wochenends).
Nebenbei bemerkt sind die Märchen der Brüder Grimm ja auch vom Feinsten, was tiefe esoterische Wahrheit betrifft - und das noch auf einer Erzählebene, die direkt zum Herzen sprechen kann.
Das Entscheidende ist doch, daß im Schamanismus der trinitäre Gottesaspekt fehlt.
das wäre wohl ein anderes Thema. Vor allem sollte dann erst einmal sehr klar erlebbar und beschreibbar sein, was diese drei trinitäre Gottesaspekte sind, bevor man bei einem Versuch eines Vergleichs dann feststellen möchte, ob oder ob nicht sie in DEM Schamanismus vorhanden sind oder nicht... - und dabei möchte ich ebenfalls betonen, dass es eben DEN Schamanismus nicht gibt.
Aufgrund dieses Fehlens ist doch die Hinwendung des Schamanen an seinen geistigen Raum eine gänzlich andere als die Hinwendung des Christen es ist. Oberflächlich betrachtet könnte man den schamanischen Geistraum als bunter, farbenreicher, kreativer usw. betrachten. Die Bibel und die Gottesvorstellung, die Jesus Christus vorstellt, bieten eine vollkommen andere Basis für die geistige Arbeit als der Schamanismus. Die Trance, die der Schamane erlebt, ist ein Teilbereich des menschlichen Bewußtseins, der dem Christen nicht als begeisterte Natur erscheint, sondern indem er die biblischen Visionen wiederholt.
halte ich für eine begrenzte, einseitige Sicht. Nur als Anregung: Es gibt verschiedene Formen und Ebenen der Trance im Schamanismus, und ebenso verschiedene Formen des Erlebens eines Christen. Psalm 19 ist übrigens ein guter Ansatzpunkt, wenn man sich als Christ mit der Natur und ihrer Beseeltheit vertraut machen will.
Das Verbundensein des Christen in das Jenseits ist also ein anderes als das beim Schamanen ist. Jesus Christus war Visionär. Seine Visionen bezogen sich auf die reale Welt und waren vermutlich das Ergebnis seiner alleine verbrachten abendlichen und nächtlichen Stunden mit dem üblichen Getränk (Wein).
naja, so spricht und urteilt eben ein jeder aus seiner Erfahrungswelt...
Interessant wäre die Frage, inwiefern christliche visionäre Praktik und schamanische visionäre Praktik ganz einfach nur das "Channeln" visonärer Inhalte sind. Da in diesem Punkt wird's sich ja vielleicht ähneln, aber der Zweck und die Ebene, auf der praktiziert wird, auch die Grundannahmen über das Welt- und Menschenbild halte ich doch für sehr verschieden.
Du setzt in dieser Argumentation voraus, dass DER Schamanismus und DAS Christentum in ihrer Praxis eindeutige Zwecke und Ebenen haben... was ich bezweifle, weil es eben beides nicht in dieser eineindeutigen Form gibt.
Ja, natürlich. Aber deshalb ist doch der Beter kein Schamane. Und genau um diese Frage geht es im Thread. Nicht um die Frage, ob nicht irgendwie doch alles Eins ist. Da stimme ich ja sogar zu, wenngleich ich es wie gesagt nicht für den spirituellen Raum vermute, sondern für die Erde. Die Welten, die sich durch den spirituellen Raum und die unterschiedliche biographische Erfahrung auftun, sind mir zu verschieden. Lassen wir das alles weg ist Hier und Jetzt. Erde. Da, da kommen wir zusammen. Aber öffnen wir auch nur unser Mundwerk, dann betreten wir auch schon verschiedene Welten indem einer redet und einer hört.
ich sehe das nicht so begrenzt. Jesus als der Beter? Viel mehr als das.
Von daher muß man auch aufpassen, daß man sich nicht in Illusion wiegt darüber, ob es überhaupt ein Ziel gibt oder geben kann! Diese Deine Annahme würde ich spasseshalber mal per se in Frage stellen wollen, denn von ihr geht ja Deine Idee der Gleichheit aus.
Es muss in diesem Sinne kein Ziel geben, das erreicht werden kann.
Es kann sein, dass man "ziellos" ist in dem Sinne, dass kein definierbarer Zielzustand existiert, sondern einfach "leben" das Ziel ist. Zurechtkommen.
In der Informatik sind das Programme wie Betriebssysteme. Sie haben kein "Ergebnis", das sie ausrechnen können. Sie ermöglichen unter anderem, dass jemand auf dem Computer Ziele erreichen kann, haben aber selbst nur die Funktion, alle eingehenden und ausgehenden Impulse zu bedienen und zu vernetzen.
So ähnlich wie ein Schamane, der letztlich deshalb Schamane ist, weil er in einer Gesellschaft diese Funktion ausfüllt, und nicht deshalb, weil er irgendein "Diplom" hat.
Aber ist eine interessante Idee, dass Religionen wie Betriebssysteme sind. Ich hab mir beim Schreiben grad über die Schulter geguckt und bin nachhaltig begeistert.
Da sind wir sehr ähnlich in unserem Interesse. Ich betrachte diese Frage sei Jahren auch sehr genau, vergleichend. Und Du hast natürlich Recht: wer eine Religion für einen Menschen bastelt, der muß den Menschen berücksichtigen. Nun sind Religionen nicht gebastelt worden, sondern sie sind über Jahrhhunderte und Jahrtausende im Menschen gewachsen. Und daher ist doch klar, daß alle Wege letztlich überwiegend die gleichen Knöpfe drücken müssen. Das heißt aber weder daß das Ziel identisch sein muß und auch nicht, daß der Buddhist ein Christ ist usw. Begründung siehe oben: anderer Umgang mit dem Geist und mit geistigen Werten, andere Wahrnehmung im doppelten Wortsinne.
ich gehe nicht davon aus, dass Religionen "gebastelt" werden. Ich sehe sie als Ausdruck inneren Erlebens, bezeichnet mit Bildern und Worten des entsprechenden Kulturkreises in ihrer Entstehungszeit.
ja, natürlich. In meinen Augen ist das Spannende, all dies zu differenzieren wie es in den einzelnen Regionen der Erde verstanden wird, in den Kulturen. Jede Kultur beantwortet die Frage, was jeder einzelne Aspekt bedeutet, ja etwas anders. Ich finde es herrlich, diese Diversität stehen lassen zu können. Es ergeben sich durch die Unterschiedlichkeit teilweise völlig verschiedene Welten - wie man zum Beispiel im Vergleich der schamanischen zur christlichen Welt ja sehen kann. (nicht die Religionsgemeinschaft-Christen-
Erde, sondern die christliche Welt. Die bezieht sich auf die Bibel und auf das Christuskind etc. und ist ein ebenso phantastischer Raum wie die begeisterte Welt des Schamanen oder des Shintoisten.)
also weiterhin: kontra gleichmachenwollen.
ja, wobei du aber gerade am gleichmachen bist. Denn es gibt nicht "die begeisterte Welte DES Schamanen" und auch nicht "das Verständnis der Bibel". Jeder Schamane erlebt es anders, jeder Bibelleser fasst sie anders auf. Alles andere ist Gleichmacherei.
Eine schlimme Gleichmacherei übrigens, weil bei allen, die derart argumentieren, nicht nur "DAS Christentum" oder "DER Schamanismus" im Kopfe existiert, sondern implizit gleichzeitig auch noch die irrige Vorstellung, sie hätten den Überblick und völligen Durchblick über "DAS Christentum" und "DEN Schamanismus" (und ihre Ansicht über diese Dinge wäre DIE richtige), denn nur mit einem solchen völligen Durchblick wäre es sinnvoll, solche plakativen Vergleiche anstellen zu wollen wie die, dass "DEM Schamanismus" kein trinitäres Gottesbild eigen ist.