Wahrnehmung und Stimmigkeit

Die Annahme eines Zufallsprinzips finde ich ja durchaus interessant. Man hat zwar keinen freien Willen, wenn alles geschieht aufgrund einer kausalen Ursache oder Zufall, aber es ist dennoch interessant, anzunehmen, dass immer wieder neue Anfangspunkte der Kausalität entstehen. (Die Annahme einer steuernden Intelligenz wirft diesbezüglich nicht weniger Probleme auf).

Es fragt sich allerdings auch, ob Ockhams Rasiermesser bei derart verschiedenen Annahmen (kein Zufall vs. Zufall) überhaupt angemessen ist. Überhaupt beruht das Ockhams Rasiermeser auf der Annahme, das weniger wahrscheinlicher ist als mehr (also dass ein "Nichts" wahrscheinlicher ist als ein "Alles"). Das Ockhams Rasiermesser ergibt also nur Sinn, wenn du eher von einem Nichts ausgehst als von einem Universum, das "Alles" beinhaltet. Ich denke, die Variablen und Annahmen, die man in Überlegungen oder Formeln einbezieht, hängen meistens eher von der Alltagserfahrung ab als von Ockhams Rasiermesser. Manchmal liefern diese beiden Entscheidungsheuristiken (Alltagserfahrung vs. Ockhams Rasiermesser) dieselben Resultate, sodass die beiden Heuristiken auch verwechselt werden können.

Es liegt offensichtlich auch im Auge des Betrachters, wieviele Zusatzannahmen eine Hypothese (Zufall vs. steuernde Intelligenz vs. physikalischer Determinismus) braucht, also was man zu einer zusätzlichen Annahme zählt und was nicht.
 
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Die Annahme eines Zufallsprinzips finde ich ja durchaus interessant. Man hat zwar keinen freien Willen, wenn alles geschieht aufgrund einer kausalen Ursache oder Zufall, aber es ist dennoch interessant, anzunehmen, dass immer wieder neue Anfangspunkte der Kausalität entstehen. (Die Annahme einer steuernden Intelligenz wirft diesbezüglich nicht weniger Probleme auf).

Die Annahme eines "echten Zufalls" erzeugt ja keine neuen Anfangspubnkte der kausalität, sondern bricht diese ewige Warum-Kette ja gerade ab...

Es fragt sich allerdings auch, ob Ockhams Rasiermesser bei derart verschiedenen Annahmen (kein Zufall vs. Zufall) überhaupt angemessen ist.

Nicht unbedingt.

Überhaupt beruht das Ockhams Rasiermeser auf der Annahme, das weniger wahrscheinlicher ist als mehr (also dass ein "Nichts" wahrscheinlicher ist als ein "Alles"). Das Ockhams Rasiermesser ergibt also nur Sinn, wenn du eher von einem Nichts ausgehst als von einem Universum, das "Alles" beinhaltet.

Nein. Ockhams Rasiemesser hilft bei der Vorauswahl von Hypothesen, wenn mehrere Hypothesen die Begebenheiten relativ gleich gut beschreiben. Und wir haben als Begebenheit nunmal ein Universum. "Nichts" beschreibt das Universum herzlich schlecht.

Ich denke, die Variablen und Annahmen, die man in Überlegungen oder Formeln einbezieht, hängen meistens eher von der Alltagserfahrung ab als von Ockhams Rasiermesser. Manchmal liefern diese beiden Entscheidungsheuristiken (Alltagserfahrung vs. Ockhams Rasiermesser) dieselben Resultate, sodass die beiden Heuristiken auch verwechselt werden können.

Manchmal auch nicht - und gerade diese Fälle finde ich irrsinnig spannend: Wenn aus sehr wenigen Grundannahmen extrem weitreichende Folgen entspringen.
Z.B.: Ein Computerprogramm zu schreiben, welches eine mathematische Funktion auf der komplexen Zahlenebene immer wieder iterativ ausführt und schaut, ob vom Anfangswert abhängig eine gewisse Grenze überschritten wird oder nicht, ist recht einfach und für Anfänger eine gute Programmierübung. Die Bilder, die aus solchen Berechnungen entstehen (Mandelbrotmenge, Juliamenge - Fraktale) sind von enormer Komplexität (und für mich auch Ästhetik), aufgrund derer man nicht erahnen könnte, wie einfach es ist, das Bild zu erstellen.

Es liegt offensichtlich auch im Auge des Betrachters, wieviele Zufallsannahmen eine Hypothese (Zufall vs. steuernde Intelligenz vs. physikalischer Determinismus) braucht, also was man zu einer zusätzlichen Annahme zählt und was nicht.

Ja. Das ist einer der Schwächen von Ockhams Rasiermesser. Es ist nicht immer eindeutig.
 
aber was ist denn wichtig bei Wahrnehmung und Stimmigkeit???

Ist es nicht so dass es Dinge gibt die nicht mit meinem Wesen übereinstimmen,
und die Psyche ausmachen???

Wenn ich mich selbst auf das Wesentliche, das Essentielle, das Sein reduzieren würde, würden Gedanken und Handlung im Einklang sein, und keine besonderen Probleme
auftauchen. Vorausgesetzt ich habe kein Schicksal, bzw. mit keinem Schicksal konfrontiert werde.

Es muss ja stimmig werden, sonst wäre ja die kosmische Ordnung eine Lüge.
 
Dann musst du mir aber erklären, auf welchen Annahmen das Ockhams Rasiermesser beruht, wenn nicht auf der Annahme, dass weniger wahrscheinlicher ist als mehr.
 
Dann musst du mir aber erklären, auf welchen Annahmen das Ockhams Rasiermesser beruht, wenn nicht auf der Annahme, dass weniger wahrscheinlicher ist als mehr.

Doch, damit hast Du schon recht. Nur folgt daraus nicht, dass "Nichts" wahrscheinlicher ist als "Alles". Sondern nur, dass zwei Hypothesen, die die begebenheiten in etwa gleich gut beschreiben, die mit "weniger" als plausibler anzunehmen ist.
Das hat auch keinen endgültigen Wahrheitsanspruch... und wie Du selbst schon geschrieben ahst: Es ist nicht immer eindeutlig feststellbar.
 
Plausibel ist ja ein anderes Wort für eine subjektiv eingeschätzte Wahrscheinlichkeit...

Wenn man annimmt, dass weniger wahrscheinlicher ist als mehr, nimmt man doch auch an, dass Nichts wahrscheinlicher ist als Alles?!
Oder setzt man eine Grenze, bevor man ein Nichts annimmt? Sodass man dann halt annimmt, dass "fast nichts" wahrscheinlicher ist als "fast alles"?
 
Plausibel ist ja ein anderes Wort für eine subjektiv eingeschätzte Wahrscheinlichkeit...

Jain. Nach dem Sprachgebrauch ist "plausibel" tatsächlich ein rein subjektives Attribut einer behauptung. Es gibt aber durchaus objektive Kriterien - oder zumindest teilweise objektive:
Wird bisherigen Erkenntnissen widersprochen?
Und eben auch Ockhams Rasiermesser.

Wenn man annimmt, dass weniger wahrscheinlicher ist als mehr, nimmt man doch auch an, dass Nichts wahrscheinlicher ist als Alles?!

Nein, diese Aureihung macht man ja nur bei Hypothesen, die auch etwas mit der Realität zu tun haben - die die beobachtungen widergeben. Wir haben aber nunmal ein Universum. Da ist die Hypothese "nichts" eine extrem schlechte Beschreibung für. Diese Hypothese wird nicht durch Ockhams Rasiermesser favourisiert, weil die Hypothese "da ist ein Universum" die Begebenheiten wesentlich besser beschreibt.
 
Nach dem Sprachgebrauch ist "plausibel" tatsächlich ein rein subjektives Attribut einer behauptung. Es gibt aber durchaus objektive Kriterien - oder zumindest teilweise objektive:
Wird bisherigen Erkenntnissen widersprochen?
Und eben auch Ockhams Rasiermesser.
Klingt irgendwie nach Zirkelschluss: Das Ockhams Rasiermesser beruht auf der Vorannahme, dass weniger plausibler (wahrscheinlicher) ist als mehr.
Danach sagt man, dass weniger plausibler ist als mehr, WEIL man das Ockhams Rasiermesser als "objektives" Kriterium anwendet.

Ich werde deshalb den Eindruck nicht los, dass es eben doch die Alltagserfahrung ist (sowie Beobachtungen bei Experimenten oder beim Programmieren), auf welchen die Entscheidungsheuristik beruht, in den meisten Fällen eher weniger Variablen miteinzubeziehen. Schliesslich merkt man schon beim Wurf eines Balles, dass die Flugbahn durch wenige Variablen (Muskelkraft etc.) beschrieben werden kann. Das ist unsere Alltagserfahrung. Also zieht man den Schluss, dass alles durch recht wenige Variablen am besten beschrieben werden kann. Wenige Variablen (nicht keine und auch nicht viele!) entsprechen also am besten der Alltagserfahrung, daher wird eine solche Lösung bevorzugt.
 
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Klingt irgendwie nach Zirkelschluss: Das Ockhams Rasiermesser beruht auf der Vorannahme, dass weniger plausibler (wahrscheinlicher) ist als mehr.
Danach sagt man, dass weniger plausibler ist als mehr, WEIL man das Ockhams Rasiermesser als "objektives" Kriterium anwendet.

Ich werde deshalb den Eindruck nicht los, dass es eben doch die Alltagserfahrung ist (sowie Beobachtungen bei Experimenten oder beim Programmieren), auf welchen die Entscheidungsheuristik beruht, in den meisten Fällen eher weniger Variablen miteinzubeziehen. Schliesslich merkt man schon beim Wurf eines Balles, dass die Flugbahn durch wenige Variablen (Muskelkraft etc.) beschrieben werden kann. Das ist unsere Alltagserfahrung. Also zieht man den Schluss, dass alles durch recht wenige Variablen am besten beschrieben werden kann. Wenige Variablen (nicht keine und auch nicht viele!) entsprechen also am besten der Alltagserfahrung, daher wird eine solche Lösung bevorzugt.

Mal ein anderes Beispiel (was ich schon einige Male brachte, und was auch nicht auf meinen Mist gewachsen ist):
Viele kennen das Phänomen, dass man in der Wäsche eine unerade Anzahl an Socken vorgefunden werden. Wie kommt das?
Hypothese 1: Bei schlechten Waschmaschienen gibt es manchmal eine Lücke zwischen Waschtrommel und gehäuse, wo kleine Wäschestücke durchrutschen können. Desweiteren werden Socken auch gerne auf dem Weg zum Waschkeller und ähnliches verloren.
Hypothese 2: In der Waschmaschiene hockt ein Monster, welches sich vereinzelt von Socken ernährt.

Das ist ein Beispiel, wo Ockhams Rasiermesser ziemlich eindeutig ist, und wohl fast jeder Mensch dem Urteil, dass Hypothese 1 plausibler ist, zustimmen wird.
 
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