Tarbagan
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Es gab vor einiger Zeit einen Thread mit einem extrem guten Video über Aufgeschlossenheit (link). Leider wurde er großteils ignoriert, wahrscheinlich weil das Video auf Englisch und nach dazu sehr stringent und schnell gesprochen war. Ich habe mir ne Stunde Zeit genommen und die wichtigsten Botschaften dieses Videos übersetzt. Ich habe den Inhalt minimal abgeändert, sodass er vielleicht für die Benutzer dieses Forums eher zutreffend ist.
Der Text ist nicht kurz, aber er lohnt sich zu lesen. Man kann auch nur einzelne Absätze rauspicken, wenn man zu faul ist, das ganze zu lesen. Hoffe mal, hier kommt eine sinnvolle Diskussion zustande.
Es scheint unter Leuten, die nicht an pseudowissenschaftliche oder esoterische Modelle glauben, eine häufige Erfahrung zu sein, mit der Unterstellung von Engstirnigkeit konfrontiert zu werden. Leute, die an derartige Konzepte glauben sagen oft, man solle doch etwas aufgeschlossener sein.
Was bedeutet "Aufgeschlossenheit"?
Es bedeutet die Bereitschaft, neue Ideen zu erwägen. Die Wissenschaft unterstützt und lebt von dieser Bereitschaft.
Wie auch immer, der bloße Glaube an esoterische Konzepte macht einen nicht automatisch aufgeschlossen gegenüber Neuem, es kann sogar das Gegenteil der Fall sein.
Als ich bei meinem Nachbar zu Besuch war, begann der Lampenschirm einer Stehlampe plötzlich zu wackeln, ohne sichtbare äußere Einwirkung. Mein Nachbar darauf: "Oh mein Gott, ein Geist!", worauf ich meinte: "Nein, es ist kein Geist". Er meinte: "Du hast den Beweis direkt vor dir! Du bist bloß zu engstirnig und hast keine Neugier oder Kreativität!"
Als er fertig gesprochen hatte, bückte ich mich und schaltete den Heizlüfter aus, dessen Strom an warmer Luft den Lampenschirm in Bewegung versetzt hatte. In dieser Situation war es nicht ich, sondern mein Nachbar, der keine Neugier und Kreativität gezeigt hat, indem er von einer Beobachtung direkt auf eine Ursache geschlossen hatte und jegliche Alternative ausschloss.
Wenn man ein Ereignis "übernatürlich" nennt, nur weil man selbst keine Erklärung dafür findet, wird man die Beweislage von selbst falsch interpretieren und falsche kausale Zusammenhänge herstellen. Man eliminiert dadurch viele alternative Erklärungen, die vielleicht angebrachter wären als die eigene. Das ist die exakte Definition von Engstirnigkeit.
Menschen, die andere auffordern, aufgeschlossener gegenüber "wissenschaftlich nicht erklärbaren" (übernatürlichen) Konzepten zu sein, führen sehr oft persönliche Anekdoten an, um ihre Einstellung zu erklären. Das ist eine weitere fehlerhafte Herangehensweise. Zuerst bedeutet die mangelnde Erklärbarkeit einer Erfahrung nicht, dass sie Beweis für ein esoterisches Konzept ist. Sie bedeutet nur, dass sie nicht erklärbar ist. Eine Argumentation wie diese ist widersprüchlich, weil ihre Grundaussage ist: "Ich kann etwas nicht erklären, aus diesem Grund kann ich es erklären".
Das Problem an persönlichen Anekdoten ist folgendes: Die Schlussfolgerung "Ich kann diese Erfahrung nicht erklären, deshalb kannst du es auch nicht" ist nicht zwangsläufig richtig. Der Angesprochene hat nur leider keine Möglichkeit, die Anekdote auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, er hat keinen unabhängigen Zugang zu den beschrieben Ereignissen, und er kann nicht nachforschen, welche Details der Erzähler möglicherweise weggelassen oder hinzugefügt hat.
Wenn mein Nachbar zum Beispiel jemandem vom sich bewegenden Lampenschirm erzählt, so weiß der Angesprochene nichts über den Heizlüfter, der sich am Boden befand, und kann sich so kein realistisches Bild der Situation machen.
Ein weiterer Irrtum ist, dass die Forderung von nachvollziehbaren Beweisen (Messungen, Beobachtungen), so wie sie oft von Wissenschaftlern gemacht wird, ein Beweis für deren mangelnde Aufgeschlossenheit sei.
Die Bereitschaft, neue Ideen zu erwägen und darüber zu entscheiden bedeutet nicht, dass man jede neue Idee bedingungslos als wahr annehmen muss oder soll.
Wenn eine geliebte Person schwer verletzt auf dem Gehsteig liegt und ein komplett Fremder kommt des Weges und erzählt euch, er hätte ein magisches Pulver das in die Wunden gestreut eine sofortige Heilung ermöglichen würde, würdet ihr diese Person eine Substanz, von der ihr nichts wisst, in die offenen Wunden einer geliebten Person streuen lassen?
Wenn Alpha nicht skeptisch gegenüber der Existenz von Geistern ist, Beta hingegen schon, wird Beta den bloßen Behauptungen von Alpha nicht einfach glauben. Wenn Alpha nun aber eine nachvollziehbare Definition von "Geist" darbietet und seine Behauptung mit von Beta nachvollziehbaren Beweisen unterstützt, wird Beta vielleicht ihre Einstellung gegenüber Geister ändern. Wenn Leute hingegen Schwierigkeiten damit haben, dass es Menschen gibt, die anderer Meinung sind als sie selbst und sie mit Argumenten konfrontieren, die ihre Meinung nach gängiger Meinung widerlegen würden, führt ihre eigene festgefahrene Einstellung sie dazu, dass sie einen gewissen Sinn für objektive Perspektive verlieren und entwickeln gewisse Vorurteile ("Wissenschaftler sind engstirnig") und gewisse dogmatische, oft logisch nicht nachvollziehbare oder wenig durchdachte Einstellungen. Wenn sie dann in eine Diskussion verwickelt werden, argumentieren sie nicht, sondern wiederholen und bestärken nur ihre eigenen Vorurteile und Dogmen, ohne auf die Perspektive der Gegenseite einzugehen.
Das ist wirklich engstirnig.
Was ist Aufgeschlossenheit nicht?
Manche Leute interpretieren Aufgeschlossenheit fälschlicherweise als "Zustimmung mit meiner eigenen Meinung". Das ist nicht richtig.
Auch scheinen manche Leute zu glauben, Aufgeschlossenheit gehe einher mit dem bedingungslosen Glauben von nicht nachvollziehbaren Geschichten fremder Personen.
Interessant dabei ist, dass diese Personen oft gleichzeitig extrem skeptisch gegenüber der Wissenschaft sind, mit der Begründung, die Wissenschaft öffne sich nie neuen Annäherungsversuchen an eine Thematik oder die Wissenschaft agiere viel zu begrenzt.
Aus dieser Einstellung folgern sich zwei Ironien
Ironie 1: Diese Leute verwenden genau sie gleiche skeptische Attitüde, die sie bemängeln.
Ironie 2: Diese Leute verwenden ihre eigene Skepsis nur auf einen Bereich des Skeptizismus. Sie sind also skeptisch gegenüber Skepsis.
Noch einmal: Aufgeschlossenheit bedeutet nicht, an möglichst viele Dinge zu glauben. Das unkritische Glauben von vielen esoterischen Konzepten macht einen nicht aufgeschlossener, sondern eher leichtgläubig. Sie beweisen dadurch einen Mangel an einem fixem Standpunkt. Eine derartige Einstellung ist nicht praxisfähig - ein Richter, der sowohl dem Kläger als auch dem Angeklagten bedingungslos glaubt, wird keinen Tag im Gerichtssaal bleiben. Ist es engstirnig, nachvollziehbare Beweise für Behauptungen anderer Leute haben zu wollen?
Das Verlangen von Beweisen hilft uns, WAHRE Aussagen von FALSCHEN zu unterscheiden. Das ist eine Fähigkeit, die im täglichen Leben sehr wichtig ist. Das unkritische Glauben von falschen Aussagen kann schwerwiegende Konsequenzen auf die persönliche Gesundheit und das persönliche Vermögen haben.
Zusammenfassung:
Kritisches Denken und Aufgeschlossenheit müssen Hand in Hand gehen. Natürlich ist es so, dass man, wenn man Beweise verlangt eventuell richtige Modelle aufgrund Beweismangels verwirft. Doch durch eine aufgeschlossene Geisteshaltung ist man in der Lage, bei Änderung der Beweislage seine eigene Meinung nochmal zu revidieren und eine valide Theorie schließlich doch zuzulassen. Zusätzlich können durch eine aufgeschlossene Geisteshaltung eventuelle falsche Modelle, die es schon in unsere Weltanschauung hineingeschafft haben wieder eliminiert werden.
Ist das Verlangen von Beweisen nicht vorhanden, lässt man sowohl richtige als auch falsche Modelle in seine Weltanschauung einfließen. Wenn man nun zusätzlich mangelnde Aufgeschlossenheit aufweist (siehe oben), dann verschließt man sich Beweisen, die die eigenen Theorien offensichtlich falsifizieren - auch, wenn die Beweislast noch so erdrückend ist!
Dadurch sabotiert man die eigene Fähigkeit, etwas von der Welt zu lernen.
Der Text ist nicht kurz, aber er lohnt sich zu lesen. Man kann auch nur einzelne Absätze rauspicken, wenn man zu faul ist, das ganze zu lesen. Hoffe mal, hier kommt eine sinnvolle Diskussion zustande.
Es scheint unter Leuten, die nicht an pseudowissenschaftliche oder esoterische Modelle glauben, eine häufige Erfahrung zu sein, mit der Unterstellung von Engstirnigkeit konfrontiert zu werden. Leute, die an derartige Konzepte glauben sagen oft, man solle doch etwas aufgeschlossener sein.
Was bedeutet "Aufgeschlossenheit"?
Es bedeutet die Bereitschaft, neue Ideen zu erwägen. Die Wissenschaft unterstützt und lebt von dieser Bereitschaft.
Wie auch immer, der bloße Glaube an esoterische Konzepte macht einen nicht automatisch aufgeschlossen gegenüber Neuem, es kann sogar das Gegenteil der Fall sein.
Als ich bei meinem Nachbar zu Besuch war, begann der Lampenschirm einer Stehlampe plötzlich zu wackeln, ohne sichtbare äußere Einwirkung. Mein Nachbar darauf: "Oh mein Gott, ein Geist!", worauf ich meinte: "Nein, es ist kein Geist". Er meinte: "Du hast den Beweis direkt vor dir! Du bist bloß zu engstirnig und hast keine Neugier oder Kreativität!"
Als er fertig gesprochen hatte, bückte ich mich und schaltete den Heizlüfter aus, dessen Strom an warmer Luft den Lampenschirm in Bewegung versetzt hatte. In dieser Situation war es nicht ich, sondern mein Nachbar, der keine Neugier und Kreativität gezeigt hat, indem er von einer Beobachtung direkt auf eine Ursache geschlossen hatte und jegliche Alternative ausschloss.
Wenn man ein Ereignis "übernatürlich" nennt, nur weil man selbst keine Erklärung dafür findet, wird man die Beweislage von selbst falsch interpretieren und falsche kausale Zusammenhänge herstellen. Man eliminiert dadurch viele alternative Erklärungen, die vielleicht angebrachter wären als die eigene. Das ist die exakte Definition von Engstirnigkeit.
Menschen, die andere auffordern, aufgeschlossener gegenüber "wissenschaftlich nicht erklärbaren" (übernatürlichen) Konzepten zu sein, führen sehr oft persönliche Anekdoten an, um ihre Einstellung zu erklären. Das ist eine weitere fehlerhafte Herangehensweise. Zuerst bedeutet die mangelnde Erklärbarkeit einer Erfahrung nicht, dass sie Beweis für ein esoterisches Konzept ist. Sie bedeutet nur, dass sie nicht erklärbar ist. Eine Argumentation wie diese ist widersprüchlich, weil ihre Grundaussage ist: "Ich kann etwas nicht erklären, aus diesem Grund kann ich es erklären".
Das Problem an persönlichen Anekdoten ist folgendes: Die Schlussfolgerung "Ich kann diese Erfahrung nicht erklären, deshalb kannst du es auch nicht" ist nicht zwangsläufig richtig. Der Angesprochene hat nur leider keine Möglichkeit, die Anekdote auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, er hat keinen unabhängigen Zugang zu den beschrieben Ereignissen, und er kann nicht nachforschen, welche Details der Erzähler möglicherweise weggelassen oder hinzugefügt hat.
Wenn mein Nachbar zum Beispiel jemandem vom sich bewegenden Lampenschirm erzählt, so weiß der Angesprochene nichts über den Heizlüfter, der sich am Boden befand, und kann sich so kein realistisches Bild der Situation machen.
Ein weiterer Irrtum ist, dass die Forderung von nachvollziehbaren Beweisen (Messungen, Beobachtungen), so wie sie oft von Wissenschaftlern gemacht wird, ein Beweis für deren mangelnde Aufgeschlossenheit sei.
Die Bereitschaft, neue Ideen zu erwägen und darüber zu entscheiden bedeutet nicht, dass man jede neue Idee bedingungslos als wahr annehmen muss oder soll.
Wenn eine geliebte Person schwer verletzt auf dem Gehsteig liegt und ein komplett Fremder kommt des Weges und erzählt euch, er hätte ein magisches Pulver das in die Wunden gestreut eine sofortige Heilung ermöglichen würde, würdet ihr diese Person eine Substanz, von der ihr nichts wisst, in die offenen Wunden einer geliebten Person streuen lassen?
Wenn Alpha nicht skeptisch gegenüber der Existenz von Geistern ist, Beta hingegen schon, wird Beta den bloßen Behauptungen von Alpha nicht einfach glauben. Wenn Alpha nun aber eine nachvollziehbare Definition von "Geist" darbietet und seine Behauptung mit von Beta nachvollziehbaren Beweisen unterstützt, wird Beta vielleicht ihre Einstellung gegenüber Geister ändern. Wenn Leute hingegen Schwierigkeiten damit haben, dass es Menschen gibt, die anderer Meinung sind als sie selbst und sie mit Argumenten konfrontieren, die ihre Meinung nach gängiger Meinung widerlegen würden, führt ihre eigene festgefahrene Einstellung sie dazu, dass sie einen gewissen Sinn für objektive Perspektive verlieren und entwickeln gewisse Vorurteile ("Wissenschaftler sind engstirnig") und gewisse dogmatische, oft logisch nicht nachvollziehbare oder wenig durchdachte Einstellungen. Wenn sie dann in eine Diskussion verwickelt werden, argumentieren sie nicht, sondern wiederholen und bestärken nur ihre eigenen Vorurteile und Dogmen, ohne auf die Perspektive der Gegenseite einzugehen.
Das ist wirklich engstirnig.
Was ist Aufgeschlossenheit nicht?
Manche Leute interpretieren Aufgeschlossenheit fälschlicherweise als "Zustimmung mit meiner eigenen Meinung". Das ist nicht richtig.
Auch scheinen manche Leute zu glauben, Aufgeschlossenheit gehe einher mit dem bedingungslosen Glauben von nicht nachvollziehbaren Geschichten fremder Personen.
Interessant dabei ist, dass diese Personen oft gleichzeitig extrem skeptisch gegenüber der Wissenschaft sind, mit der Begründung, die Wissenschaft öffne sich nie neuen Annäherungsversuchen an eine Thematik oder die Wissenschaft agiere viel zu begrenzt.
Aus dieser Einstellung folgern sich zwei Ironien
Ironie 1: Diese Leute verwenden genau sie gleiche skeptische Attitüde, die sie bemängeln.
Ironie 2: Diese Leute verwenden ihre eigene Skepsis nur auf einen Bereich des Skeptizismus. Sie sind also skeptisch gegenüber Skepsis.
Noch einmal: Aufgeschlossenheit bedeutet nicht, an möglichst viele Dinge zu glauben. Das unkritische Glauben von vielen esoterischen Konzepten macht einen nicht aufgeschlossener, sondern eher leichtgläubig. Sie beweisen dadurch einen Mangel an einem fixem Standpunkt. Eine derartige Einstellung ist nicht praxisfähig - ein Richter, der sowohl dem Kläger als auch dem Angeklagten bedingungslos glaubt, wird keinen Tag im Gerichtssaal bleiben. Ist es engstirnig, nachvollziehbare Beweise für Behauptungen anderer Leute haben zu wollen?
Das Verlangen von Beweisen hilft uns, WAHRE Aussagen von FALSCHEN zu unterscheiden. Das ist eine Fähigkeit, die im täglichen Leben sehr wichtig ist. Das unkritische Glauben von falschen Aussagen kann schwerwiegende Konsequenzen auf die persönliche Gesundheit und das persönliche Vermögen haben.
Zusammenfassung:
Kritisches Denken und Aufgeschlossenheit müssen Hand in Hand gehen. Natürlich ist es so, dass man, wenn man Beweise verlangt eventuell richtige Modelle aufgrund Beweismangels verwirft. Doch durch eine aufgeschlossene Geisteshaltung ist man in der Lage, bei Änderung der Beweislage seine eigene Meinung nochmal zu revidieren und eine valide Theorie schließlich doch zuzulassen. Zusätzlich können durch eine aufgeschlossene Geisteshaltung eventuelle falsche Modelle, die es schon in unsere Weltanschauung hineingeschafft haben wieder eliminiert werden.
Ist das Verlangen von Beweisen nicht vorhanden, lässt man sowohl richtige als auch falsche Modelle in seine Weltanschauung einfließen. Wenn man nun zusätzlich mangelnde Aufgeschlossenheit aufweist (siehe oben), dann verschließt man sich Beweisen, die die eigenen Theorien offensichtlich falsifizieren - auch, wenn die Beweislast noch so erdrückend ist!
Dadurch sabotiert man die eigene Fähigkeit, etwas von der Welt zu lernen.