Trauer

Mein Vater starb letzten Sommer, ein Schlag für mich. Auch ich gestattete mir erstmal nach aussen hin keine Trauer zu zeigen, im Team am nächsten Tag wisperte ich kurz mit tränenerstickter Stimme, dass er tags zuvor gestorben wäre.
Keine Reaktion, lediglich in einer Pause kamen einige zum Umarmen und Trösten, ein junger Mann, der als Auszubildender dabei ist, sagte nichts, es kam keine Regung von ihm. An diesem Tag fühlte ich mich doch sehr alleingelassen.

Trauer ist doch auch ein Gefühl, ebenso wie Freude. Eigenartig, in unserem Kulturkreis, das es unangenehme Gefühle bei trauernden Menschen hervorruft und bei Freude, ist alles aus dem Häuschen.
ich ging drei tage nach dem tod meines sohnes zum yoga.
ich hab' niemandem etwas gesagt.
ganz am ende der praxis kamen die tränen.
eine teilnehmerin hat mich kurz umarmt - eine andere sagte -
da bleibt man doch zu hause.
 
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Weinen hat aber vor allem den besonderen Effekt, dass es die Trauer kompensiert.
Weil eben die Trauer alles andere als entspannt, sie verkrampft regelrecht.
das ist so deine erfahrung.
meine ist eine andere.
Ich weiß, dass viele glauben, es sei unmöglich, nicht mehr trauern zu müssen, wenn man Verluste erlebt. Aber das ist ein Glaubenssatz.
sehr gut möglich, dass ich dem noch vor 9 jahren zugestimmt hätte -
nach sehr vielen toten, die meinen bis dahin 60jährigen lebensweg säumten.
die arroganz von jugend und unerfahrenheit muss die erfahrung nicht schmerzen.
 
Eigenartig, in unserem Kulturkreis, das es unangenehme Gefühle bei trauernden Menschen hervorruft und bei Freude, ist alles aus dem Häuschen.
Ich erlebe das gottseidank anders in meinem Umfeld....
Das Trauer unangenehme Gefühle verursacht, kann ich verstehen, weil beim nichtbetroffenen Menschen eine Art Hilflosigkeit entsteht...noch stärker wird diese Hilflosigkeit, wenn die Personen im Umfeld Tod und Sterben tabuisieren und möglichst nicht daran erinnert werden wollen...
Ich selbst beschäftige mich seit meinem 17.Lebensjahr mit diesem Thema ( da fiel mir zufällig das *Tibetische Totenbuch* in die Hände) und ja, ich kann sogar behaupten, daß das eines meiner Lebensthemen ist...(deswegen will ich noch unbedingt eine Ausbildung zur Sterbe-Amme machen...)
Ich sah mit 22 den ersten aufgebahrten Toten ( unser Zivi ) und habe später, als ich schon längst Mutter war, auch meine Kinder so früh wie möglich zu Aufbahrungen und Beerdigungen mitgenommen, damit sie den Tod als selbstverständlich wahrnehmen lernen...meine mittlere Tochter war anscheinend deswegen auch schon mit Anfang 20 in der Lage, sich als Rettungssanitäterin um Selbstmörder und Unfalltote zu kümmern, was ihr ziemlichen Respekt verschaffte...

Eigentlich sollte das Thema * Tod* durchaus ein Schulthema sein und das nicht nur im Ethik-Unterricht..
 
ich würde kaum hier schreiben, was mich traurig macht - ich öffne mich eher den Nahestehenden (realen) Menschen gegenüber. Wenn ich im Forum über mein Erleben schreibe, dann hat Alles längst stattgefunden, ist abgeschlossen.
In der WG wird alles besprochen, was uns betrifft. Der Bedarf an Aussprache kann außerdem in meinem engen Freundeskreis gedeckt werden. Und ich kann auch mit mir noch Zwiesprache halten.

Aus meiner Sicht sind meine Interessenbereiche ein ganz guter Ventil, um zu reflektieren, sich zu erinnern, ich kann zudem sie in meine Arbeit einfliessen lassen...Alles, was wir erleben, hat seinen Sinn.
in den jahrzehnten in denen ich einen riesigen bekanntenkreis hatte, einige, die ich echte freunde nannte, ein offenes haus führte, ein intaktes familienleben hatte und mein leben als heil betrachtete, wäre ich nicht auf die idee gekommen in einem forum zu schreiben.
jetzt schätze ich hier nicht zuletzt von schicksalen zu erfahren, die mir in meinem früheren leben nicht begegnet sind - einblicke in empfindungsleben zu bekommen, wie sie in dieser offenheit im realen leben selten geteilt werden mit anderen.
sie erweitern meinen horizont.
es erweitern aber auch jene meinen horizont, die in (für mich) erkennbarem selbstbetrug leben, jene, die über ihren eigenen tellerrand nicht hinausschauen können und jene, die über so wenig menschenkenntnis verfügen, dass es mich vor allem traurig macht für sie.
 
Ich sah mit 22 den ersten aufgebahrten Toten ( unser Zivi ) und habe später, als ich schon längst Mutter war, auch meine Kinder so früh wie möglich zu Aufbahrungen und Beerdigungen mitgenommen, damit sie den Tod als selbstverständlich wahrnehmen lernen...
ich sah meinen ersten aufgebahrten toten mit 6. (großvater)
mit 8 war ich dabei als großmutter starb und wurde losgeschickt um die todesnachricht der wartenden familie zu überbringen.
möglich, dass für mich dadurch der tod so selbstversdtändlich teil des lebens geworden ist. aber speziell die erfahrung als kind so eine last aufgebürdet zu bekommen eine todesnachricht zu überbringen - noch dazu einer familie, die sich ihrer heuchelei nicht bewusst gewesen ist - empfand ich als absolut nicht lustig.
ich wäre nie auf die idee gekommen meinen kindern bewusst die selbstverständlichkeit des todes in dieser form näher zu bringen.
 
ich ging drei tage nach dem tod meines sohnes zum yoga.
ich hab' niemandem etwas gesagt.
ganz am ende der praxis kamen die tränen.
eine teilnehmerin hat mich kurz umarmt - eine andere sagte -
da bleibt man doch zu hause.
Meine Chefin fragte am Telefon, als ich ihr die Nachricht mitteilte, ob ich zu Hause bleiben möchte. NEIN, was soll ich denn da!?
Ein paar Tage später hatte ich einen Termin vergessen und in der Bahn Nasenbluten bekommen. Da wusste ich, ich verdränge das. Krankmeldung, eine andere Kollegin sagte, lass es raus!
Ich hatte Tagebuch geschrieben, jeden Tag, seitenweise. Und immer wieder meinen Tränen freien Lauf gelassen. Manchmal kommt sie noch auf leisen Sohlen, die Trauer, dann habe ich eben in der Strassenbahn nasse Augen. Ich verdränge das nicht mehr.
 
Meine Chefin fragte am Telefon, als ich ihr die Nachricht mitteilte, ob ich zu Hause bleiben möchte. NEIN, was soll ich denn da!?
Ein paar Tage später hatte ich einen Termin vergessen und in der Bahn Nasenbluten bekommen. Da wusste ich, ich verdränge das. Krankmeldung, eine andere Kollegin sagte, lass es raus!
Ich hatte Tagebuch geschrieben, jeden Tag, seitenweise. Und immer wieder meinen Tränen freien Lauf gelassen. Manchmal kommt sie noch auf leisen Sohlen, die Trauer, dann habe ich eben in der Strassenbahn nasse Augen. Ich verdränge das nicht mehr.
ich denke, dass jeder seine individuellen strategien entwickelt, und dass auch (vor)erfahrungen und rahmenbedingungen völlig unterschiedlich sein können.
 
das ist so deine erfahrung.
meine ist eine andere.

sehr gut möglich, dass ich dem noch vor 9 jahren zugestimmt hätte -
nach sehr vielen toten, die meinen bis dahin 60jährigen lebensweg säumten.
die arroganz von jugend und unerfahrenheit muss die erfahrung nicht schmerzen.
Es geht nicht um Erfahrung oder Unerfahrenheit. Ich habe auch unlängst geliebte Menschen "verloren".
Was allerdings dich trauern lässt und mich nicht, ist unsere unterschiedliche Einstellung zum Thema Tod.
Mit Arroganz hat das meinerseits überhaupt nichts zu tun.
 
Es ist meines Erachtens ganz normal, dass jede/r unterschiedlich trauert und da gibt es kein "richtig" oder "falsch", sondern nur den individuellen Weg. Wie man das verarbeitet und bewältigt - das sollte doch bitte jedem selbst überlassen sein. Von Empfehlungen oder gar dogmatischen Richtlinien halte ich da gar nichts, zumal auch jede Beziehung zu einem Verstorbenen unterschiedlich ist und ebenso die Abschiede, das Fehlen und die Sehnsucht.
Meinen Mann würde ich z.B. nicht nur auf der Seelenebene, sondern auch konkret körperlich äußerst schmerzlich vermissen, da würde mir die geistige Verbindung nicht helfen, das zu kitten, weil ich ihn gerne spüre, schmecke, rieche, einfach mit allen Sinne wahrnehme und das ein wichtiger Teil unserer Beziehung im Hier und Jetzt ist.
 
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in den jahrzehnten in denen ich einen riesigen bekanntenkreis hatte, einige, die ich echte freunde nannte, ein offenes haus führte, ein intaktes familienleben hatte und mein leben als heil betrachtete, wäre ich nicht auf die idee gekommen in einem forum zu schreiben.
jetzt schätze ich hier nicht zuletzt von schicksalen zu erfahren, die mir in meinem früheren leben nicht begegnet sind - einblicke in empfindungsleben zu bekommen, wie sie in dieser offenheit im realen leben selten geteilt werden mit anderen.
sie erweitern meinen horizont.
es erweitern aber auch jene meinen horizont, die in (für mich) erkennbarem selbstbetrug leben, jene, die über ihren eigenen tellerrand nicht hinausschauen können und jene, die über so wenig menschenkenntnis verfügen, dass es mich vor allem traurig macht für sie.

Meine prägenden Wurzeln liegen im Slawischen und im Jüdischen und hier ist - zum Teil leider war! - es selbstverständlich, für einander da zu sein. So erlebte ich es daheim, so erlebe ich es in meiner eigenen WG-Familie. Ich mag dem Menschen in die Augen schauen, wenn ich mich mit ihm unterhalte, mich ihm öffne. Der enge Freundeskreis blieb mir erhalten, Menschen sind zwar weggegangen, aber es war der unvermeidliche Abschied. Es sind Einige dazugekommen, und ich schätze diesen Umstand als ehemaliger Flüchtling, der als Teenager sagen mußte "nie wieder", besonders, mir ist mein Freundeskreis sehr wichtig.
Ich würde mir wünschen, daß Online nicht Real ersetzt, wie wir es immer mehr erleben.

Glaubst Du, man belügt sich, wenn die engen Kontakte über Jahrzehnte bestehen, wenn man miteinander Leid und Freude teilt?
Ich denke, die Beziehungen wären auf der oberflächlichen Basis nicht möglich, schließlich brauchen wir die Anderen kaum in existenzieller Hinsicht, also kann das Zusammensein nur freiwillig sein.
 
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