Trauer

Es geht nicht um Erfahrung oder Unerfahrenheit. Ich habe auch unlängst geliebte Menschen "verloren".
Was allerdings dich trauern lässt und mich nicht, ist unsere unterschiedliche Einstellung zum Thema Tod.
Mit Arroganz hat das meinerseits überhaupt nichts zu tun.
wenn du am ende deines lebens niemals trauer erfahren haben wirst, darfst du dich dann sehr glücklich schätzen.
wenn eltern sterben ist das der natürliche lauf von leben und sterben.
wenn kinder vor den eltern sterben, ist das so natürlich nicht.
dennoch - der knapp ältere bruder meines vaters ist mit 20 jahren einem lawinenunglück zum opfer gefallen.
großmutter konnte ihn ihr leben lang nicht loslassen und hat ihren zweiten sohn, meinen vater, ersatzweise so sehr an sich gebunden, dass sie in der folge sehr viel zerstört hat dadurch.
in einem bild hab' ich sie mal gesehen - ein nest in der hand mit jungen vögeln, das sie zerquetscht hat.
es war mir eine lehre für meinen jüngeren sohn von anfang an nicht die trauernde bedürftige zu sein, vielmehr jene, die ihn unterstützt hat in seiner trauer, seinen selbstvorwürfen entgegen gewirkt hat -
niemals die bedürftige, die sich einmischt in sein leben oder mehr von ihm verlangt, als er freiwillig und aus eigenem wunsch und antrieb heraus bereit ist zu geben.
möglich, @Wellenspiel, dass du in deiner familie eine trauer erlebst, die geprägt ist von selbstmitleid und dich diese form der trauer abstößt.
vielleicht kannst du deshalb nicht nachvollziehen, dass eltern/elternteile, aber auch geschwister, die viele jahre gekämpft haben um ein junges leben, einerseits glücklich sein können, dass der sohn/der bruder/die schwester nun erlöst sind - noch nicht einmal die körperliche abwesenheit bedauern, weil die jahre davor eine ungeheure belastung gewesen sind - für den damals noch lebenden wie auch die angehörigen - aber dennoch trauern -
noch nicht mal 'über die zeit hinaus' - aber sich sehr wohl erinnern.
 
Werbung:
Es ist meines Erachtens ganz normal, dass jede/r unterschiedlich trauert und da gibt es kein "richtig" oder "falsch", sondern nur den individuellen Weg. Wie man das verarbeitet und bewältigt - das sollte doch bitte jedem selbst überlassen sein. Von Empfehlungen oder gar dogmatischen Richtlinien halte ich da gar nichts, zumal auch jede Beziehung zu einem Verstorbenen unterschiedlich ist und ebenso die Abschiede, das Fehlen und die Sehnsucht.
Meinen Mann würde ich z.B. nicht nur auf der Seelenebene, sondern auch konkret körperlich äußerst schmerzlich vermissen, da würde mir die geistige Verbindung nicht helfen, das zu kitten, weil ich ihn gerne spüre, schmecke, rieche, einfach mit allen Sinne wahrnehme und das ein wichtiger Teil unserer Beziehung im Hier und Jetzt ist.

Da gebe ich Dir Recht, Melodia Desenca - es soll nicht darauf auslaufen, daß Normen, wie man richtig trauert, vorgeschrieben werden und danach noch geurteilt, wer der Gute, wer der Böse, wer empathisch, wer kaltherzig, dabei suhlt man sich im eigenen Gutmenschenbild.
 
wenn du am ende deines lebens niemals trauer erfahren haben wirst
Hab ich längst, also tu nicht so, als wüsstest du es besser. Wie gesagt, es geht nicht nur um Erfahrung, sondern eine innere Einstellung.
Ich kann Trauer sehr gut nachvollziehen, aus unterschiedlichen Perspektiven. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man sie auch dauerhaft ablegen kann.
 
Hab ich längst, also tu nicht so, als wüsstest du es besser. Wie gesagt, es geht nicht nur um Erfahrung, sondern eine innere Einstellung.
Ich kann Trauer sehr gut nachvollziehen, aus unterschiedlichen Perspektiven. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man sie auch dauerhaft ablegen kann.
ich empfinde es als äußerst anmaßend erfahrungen zu kritisieren, die in dieser form noch nie selbst gemacht wurden.
 
Meine prägenden Wurzeln liegen im Slawischen und im Jüdischen und hier ist - zum Teil leider war! - es selbstverständlich, für einander da zu sein. So erlebte ich es daheim, so erlebe ich es in meiner eigenen WG-Familie. Ich mag dem Menschen in die Augen schauen, wenn ich mich mit ihm unterhalte, mich ihm öffne. Der enge Freundeskreis blieb mir erhalten, Menschen sind zwar weggegangen, aber es war der unvermeidliche Abschied. Es sind Einige dazugekommen, und ich schätze diesen Umstand als ehemaliger Flüchtling, der als Teenager sagen mußte "nie wieder", besonders, mir ist mein Freundeskreis sehr wichtig.
Ich würde mir wünschen, daß Online nicht Real ersetzt, wie wir es immer mehr erleben.

Glaubst Du, man belügt sich, wenn die engen Kontakte über Jahrzehnte bestehen, wenn man miteinander Leid und Freude teilt?
Ich denke, die Beziehungen wären auf der oberflächlichen Basis nicht möglich, schließlich brauchen wir die Anderen kaum in existenzieller Hinsicht, also kann das Zusammensein nur freiwillig sein.
ich erlebe dich in deinen beiträgen als einen menschen, der sich in lebenssituationen, die ihm völlig fremd sind, nicht hineindenken kann.
 
Mein Mann hat alte Eltern. (Im Alter meiner Großeltern, während mein Mann etwas jünger ist als ich)
Von klein auf hat ihm seine Mutter immer wieder gesagt:" Dein Papa und ich sind schon alt. Wir werden bald sterben, daher sei immer brav und artig." Und damit ihm bewusst wurde, dass der Tod das Ende bedeutet und es dann Mama und Papa nicht mehr gibt, hat sie ihn auch zu jedem Begräbnis mitgenommen. Die Familie war/ ist groß und entsprechend den Eltern waren/sind viele Familienmitglieder in einem fortgeschrittenerem Alter und somit waren es sehr, sehr viele Beerdigungen zu denen er mitgehen durfte.
Leider hat seine Mutter damit genau das Gegenteil bewirkt, als was sie erreichen wollte. Mein Mann ist total abgestumpft. Seine Teilnahmslosigkeit als sein Vater starb, hat mich regelrecht erschreckt. Er meinte, dass er traurig sei, aber tot ist tot, er kann nichts daran ändern. :dontknow:
Ich denke, wenn er nichts verdrängt und er damit gut leben kann ... Warum nicht?
Eine Zeit lang überlegte ich, ob es mich stört, dass er nicht allzu bekümmert sein wird, wenn ich sterbe. :schmoll:
Aber eigentlich ... ich habe dann bestimmt auch etwas Besseres zu tun als nachzuforschen ob er traurig ist. :geist:
 
ich erlebe dich in deinen beiträgen als einen menschen, der sich in lebenssituationen, die ihm völlig fremd sind, nicht hineindenken kann.
Ist auch sehr schwierig, finde ich.
Drum lässt sich da auch kein gemeinsamer Nenner finden.
Jeder kann nur aus seinem ureigensten Inneren und seiner Gefühlswelt berichten und jede soll ihren Platz hier haben, ohne den anderen belehren zu müssen.

Ich habe - wie die meisten Menschen im fortgeschrittenen Alter - schon viele Abschiede hinter mir.
Doch jeder war anders.
Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch sein Leben gelebt hat, man sich langsam an den Abschied gewöhnen kann, alles besprochen hat - wie es z.b. bei meiner Mum war. Da war alles gesagt, es war der natürliche Lauf der Dinge. Da hab ich, wenn überhaupt, kurz und intensiv geweint und das wars.

Meinen Mann fand ich - völlig unerwartet - tot in einer Blutlache liegend im WC unserer Firma.
Wie sich später herausstellte, wurde er erschossen.

Ebenso wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf mich der Tod meines Sohnes.

Wenn von jetzt auf gleich das Kind auf einmal nicht mehr da ist, hauts Dich einfach aus den Latschen.
So ein abgeklärtes Verhältnis zum Tod kann man gar nicht haben, dass einen so ein Erlebnis nicht aus der Bahn wirft.

Natürlich hilft die persönliche Einstellung zum Tod ganz allgemein bei der Verarbeitung, das schon.
 
Werbung:
es ist auch etwas Anderes, mit Menschen zu kommunizieren, die GERADE ein Schicksalschlag ereilt hat und mit denen, die über bereits zurückliegendes verarbeitetes Erleben schreiben.
Ich darf zudem schreiben, wie ich mit Trauer umgehe - Trauern ist nunmal für mich persönlich und intim.
 


Schreibe deine Antwort....
Zurück
Oben