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magdalena
Guest
ich denke, es handelt sich um verdrängte schuldgefühle.Es gibt Menschen, die haben Angst, die Trauer in sich ganz zu zulassen. Sie befürchten, sie kommen dann nie wieder da raus. Vermeidungsstrategie. Das ist gar nicht mal so selten, wie man denkt.
Meist kann man es daran erkennen, dass der Hinterbliebene sehr viel und sehr lange von dem Verstorbenen redet oder aber, auf einmal eine ganz andere Nähe / Distanz zu dem Verstorbenen entwickelt als zu Lebzeiten.
Nicht selten hilft dann nur noch eine professionelle Trauerbegleitung.
aus irgendeinem grund gibt sich ein hinterbliebener schuld am tod des geliebten menschen - was sich dann im allgemeinen in schuldzuweisungen anderen gegenüber äußert - manchmal wird auch dem toten selbst schuld zugewiesen.
dazu kommt eine ordentliche portion selbstmitleid.
weinen entspannt, genauso wie lachen.
jeder, der aus tiefster seele heraus weinen, aber auch lachen kann, wird es nachfühlen können.
ich habe um meinen sohn sehr viel geweint - nie vor anderen - aber es hat mich erleichtert.
die tränen sind ganz einfach aus mir herausgeflossen.
die feuerbestattung habe ich ganz alleine gestaltet - meine abschiedsworte gerichtet an ihn, so als wäre er noch am leben.
ich war absolut gefasst und habe da keine einzige träne vergossen.
auch als ich die urne abholen gegangen bin, war es nicht anders, als ginge ich irgend eine bestellung abholen.
ich war mit seinem gehen vollkommen einverstanden, vom ersten moment an, als ich ihn tot aufgefunden hatte.
es war seine entscheidung, die ich voll akzeptieren konnte.
womit ich lange zeit nicht klar gekommen bin, war die frage, was seine krankheit nun tatsächlich ausgemacht hat.
zu untypisch für die diagnose schizophrenie waren seine verhaltensformen, war, wie ich ihn erfahren habe.
die ungewissheit hat genagt an mir.
ungewissheit ist für mich, die ich immer nach wahrheit strebe, schwer zu ertragen.
dann, eines tages, habe ich per zufall erfahren, dass ein erhöhter hirndruck sehr ähnliche symptome hervorrufen kann.
ich hab' mir das obduktionsprotokoll nochmals hergenommen und mit erstaunen festgestellt, dass er tatsächlich eine erhöhten hirndruck hatte. ich hatte vorher drüber weggelesen - nicht verstanden.
damit, dass ich nun eine mögliche erklärung hatte, konnte ich abschließen.
ganz kurz habe ich die ärzte verflucht - aber sehr schnell eingesehen, dass schuldzuweisung weder meinen sohn wieder lebendig macht, noch mir gut tun kann -
und in seinem sinn wäre es auch nicht gewesen.
so konnte ich abschließen.
ein wenig wehmut kommt manchmal immer noch auf -
aber in der hauptsache nur noch liebevolles gedenken.
ich träume auch im allgemeinen nicht von ihm - vielleicht zweimal in den neun jahren. da sind offensichtlich noch ungelöste fragen aus meinem unbewussten emporgestiegen, auf die mir die träume antwort gegeben haben.
seine asche habe ich da verstreut, wo er immer gesagt hat, dass er für immer bleiben will.