Todesangst und Todessehnsucht haben meiner Ansicht nach identische Ursachen. Beides bezieht sich nicht auf den realen Tod, sondern vielmehr auf die Fusion mit einem omnipotenten Objekt, das beispielsweise die in der frühen Kindheit als allmächtig erlebte Mutter sein kann. Der Tod dient wegen seiner Rigorosität, Allmacht und aufgrund anderer Parallelen als geeignete Projektionsfläche für Verschmelzungswünsche mit einem machtvollen, souveränen, Konstanz vermittelnden Objekt.
Die gleichzeitig in Erscheinung tretende Todesangst repräsentiert die Furcht vor der Unerbittlichkeit und dem Zerstörungspotenzial dieses allmächtigen Objektes, das durch emotionalen Bedingungsgewalten die Identität des Kindes, also ggf. die Deinige, an der Entwickung und Entfaltung hinderte. Das bereitet Ängste, weil es destruktiv für die eigene Persönlichkeit und die psychische Reife ist, die durch ein identitätsheischendes, elterliches Objekt blockiert und negativ manipuliert wird.
Dass man die Angst vor dem biologischen Tod wahrnehmen kann, halte ich kaum für möglich. Diese Angst ist in die Tiefen des Unbewussten verbannt worden, damit sie uns nicht am aktiven Leben hindert. Denn: Sobald wir der tatsächlichen Todesangst gewahr würden, überfiele uns eine totale Akinese, eine Angststarre, um nicht mit dem nächsten Schritt dem Tode zum Opfer zu fallen. Völlige Passivität wäre kontraproduktiv fürs Überleben, weshalb die Todesangst ins Unbewusste verdrängt und abgespalten wird. Deine Todesangst muss demnach aus anderen Faktoren resultieren.