Hallo Toffifee,
Toffifee schrieb:
Ich persönlich kenne nur eine Geschichte meines Großvaters, der im Krieg am Rußlandfeldzug teilnehmen musste. Sein bester Freund wurde von einer Granate in Stücke gerissen und mein Großvater wurde von dessen Blut über und über besudelt. Später geriet er in Kriegsgefangenschaft und kam erst in den 50er Jahren nach Hause zurück. Mein Großvater war ein wundervoller und herzensguter Mensch. Aber all die furchtbaren Erlebnisse lassen sich wahrscheinlich in einem Leben kaum aufarbeiten...
wo war denn Dein Großvater im Russlandfeldzug und wo ist er in Kriegsgefangenschaft geraten? Interessiert mich sehr, da ich ja zufällig über beides seit drei Jahren intensiv forsche

und viele Betroffene eben leider nicht gerne darüber sprechen. Was man aber durchaus verstehen kann.
Ich kenne einen Journalisten, der jahrelang versuchte über die Geschehnisse an der Ostfront zu recherchieren und zu schreiben. Leider völlig erfolglos zunächst, da er kaum jemanden gefunden hat, der bereit war darüber zu sprechen. Sogar Drohbriefe bekam er, da er das alles ruhen lassen sollte. Hat er aber nicht!

Daraufhin reiste er nach Russland, um dort etwas zu erfahren. Aber auch das war und ist schwierig, wie ich es bei meinen eigenen Forschungen in Belarus erlebt habe. Die Menschen haben die Kriegsereignisse dort ebenso nicht verarbeitet und haben Fragen nach dieser Zeit nur widerwillig beantwortet. Obwohl sie andererseits dankbar waren, dass man sich dafür interessierte und es für die Nachwelt aufschreiben wollte!
Nur waren meine Forschungen besonders schwierig, da meine Dolmetscherin ausgerechnet Jüdin war und ich sie mit diesen Interviews sehr belastet habe, da sie bei den Erlebnisberichten an ihre eigenen Kriegserfahrungen erinnert wurde. Aber sie war nicht davon abzubringen mit mir dorthin zu reisen, wie beschwerlich es auch für sie war. Manchmal habe ich mein schlechtes Gewissen damit beruhigt, dass ich mir überlegte, dass es für sie vielleicht auch wichtig war, um ihre eigenen Erlebnisse zu verarbeiten?!
Auch wenn es ihr schwer fiel, hat sie auf der Reise doch auch vieles erzählt, was sie selbst im Krieg erlebt und erlitten hat und ich habe sie ermuntert, dies mit ihren 80 Jahren nun endlich aufzuschreiben und damit vielleicht weiter aufzuarbeiten.
Es ist unglaublich, was manche Menschen erleiden mussten: Ihre Familie ist Ende der 30er Jahre von Deutschland zunächst nach Frankreich und dann nach Russland geflohen, da sie Juden waren. Und in Russland waren sie dann plötzlich Deutsche und wurden ins Gulag verschleppt und mussten jahrelang Zwangsarbeit leisten. Sie hat also die ganze Palette mitbekommen und leidet noch heute an Folgeschäden. Doch ich bewundere sie wirklich, wie sie es verkraftet hat und wie sie damit umgeht. Und doch ist da noch viel zu viel verdrängt, was sie in diesem Leben nicht mehr aufarbeiten kann, mit ihren 80 Jahren.
Und ihren Glauben hat sie wohl auch deswegen verloren und ist heute überzeugte Atheistin... In diesem Bereich kann man mit ihr gar nicht sprechen, was Träume, die Seele, den Tod angeht. Sicher auch Verdrängung und kann ich verstehen!
@ Evy:
Ich bewundere ebenso, dass Du für Deine Oma sorgst, trotz all der Entbehrungen und Beschwernisse, die damit sicher verbunden sind. Vielleicht magst Du einen Thread darüber eröffnen, wie an anderer Stelle schon vorgeschlagen wurde. Es wird sicher auch andere ermutigen, diese Herausforderung anzunehmen.
Liebe Grüße
Kristalllicht