Ich hänge hier eine Datei der DGSP an, die wahrscheinlich wieder kaum jemand lesen wird. Deshalb zitiere und markiere ich die Stellen, die ich für wichtig halte:
"In den letzten Jahren wird der Einsatz von Antidepressiva zunehmend kritisch diskutiert,
da sich
immer deutlicher die Nachteile ihrer Nutzung zeigen. Den von den britischen
Autorinnen und Autoren genannten Nachteilen ist noch hinzuzufügen, dass
Langzeitstudien in der Schweiz und den Niederlanden gezeigt haben, dass der
mehrjährige Konsum von Antidepressiva aufgrund von depressiven Verstimmungen
das
Risiko für deren chronischen Verlauf sowie erneute depressive Episoden um den Faktor
1,7-1,8 erhöht (Hengartner 2018; Ten Have 2017). Unklar ist die Bedeutung von
langfristigen Antidepressiva-Verordnungen bei Angststörungen und deren
Genesungschancen, d.h. ob sie einen ungünstigen oder letztlich neutralen Einfluss
haben (vgl. Ten Have 2021
). Diese Studien zeigen, dass Antidepressiva hinsichtlich des
Genesungsverlaufs langfristig weitgehend wirkungslos sind – was eigentlich auch
bekannt ist. Sie zeigen aber auch, dass sie wohl doch nicht einfach nur harmlos sind. Da
wir u.a. auch aus den genannten Studien wissen, dass kindliche Traumatisierungen in
ihrer ganzen Bandbreite die entscheidenden Faktoren für spätere anhaltende
Beschwerdeverläufe darstellen, wäre es dringlicher, traumasensible und
traumaspezifische Psychotherapie verstärkt anzubieten und zu fördern.
Antidepressiva
bieten hingegen bei traumatischen Folgeeffekten keine wirklichen Vorteile."
"
Da die gesellschaftlich-kulturelle Prägung seit
Jahrzehnten intensiv darauf ausgerichtet ist, den Einsatz von Psychopharmaka bei
psychischen Krisen und Störungen zu forcieren,
sehen wir die Gesundheitspolitik in der
Pflicht, hier entgegenzuwirken. Eine gesamtgesellschaftliche Aufklärung über die Risiken
des undifferenzierten Einsatzes von Antidepressiva ist eine Aufgabe, die nicht nur von
einer kritischen Gruppe der Leistungserbringer geleistet werden kann."
Literatur:
Michael P. Hengartner, Jules Angst, Wulf Rössler: Antidepressant use prospectively
relates to a poorer long-term outcome of depression: Results from a prospective
Community Cohort Study over 30 years. Psychother Psychosom 2018;87(3):181-183.
DOI: 10.1159/000488802
Margreet ten Have, Brenda W. J. H. Penninx, Marlous Tuithof, Saskia van Dorsselaer,
Marloes Kleinjan, J. Spijker, Ron de Graaf, Ten Have et al.: Duration of major and minor
depressive episodes and associated risk indicators in a psychiatric epidemiological
cohort study of the general population. Acta Psychiatr Scand 2017;136:300-312
Margreet ten Have, Marlous Tuithof, Marloes Kleinjan, Brenda W. J. H. Penninx, Neeltje
M. Batelaan, Ron de Graaf: Duration of anxiety disorder and its associated risk
indicators: Results of a longitudinal study of the general population. Depress Anxiety.
2021;38:328-336
S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörungen:
register.awmf.org
S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depressionen:
register.awmf.org
19.04.2024
Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
Der Fachausschuss Psychopharmaka und der Vorstand