Ich habe einen guten Grundlagenartikel gefunden, der den Placeboeffekt in Studien und seine Wirkungsweise untersucht. Die folgenden Ausführungen in diesem Beitrag beziehen sich auf:
Aaron K. Vallance: Something out of nothing: the placebo effect. In: Advances in Psychiatric Treatment (2000). Bd. 12. S. 287 – 296.
Diesem Artikel zufolge ist der Placeboeffekt am niedrigsten bei Doppelblindstudien, etwas höher bei Einfachblindstudien und am höchsten bei Studien ohne Kontrollgruppe.
Sinnvollerweise wird im Artikel hervorgehoben, dass der Placeboeffekt am sinnvollsten gemessen werden könne, wenn auch mit Versuchsgruppen verglichen würde, die keine – also auch keine Placebobehandlung – Behandlung erhalten. Je nach Studie schwankt der Placeboeffekt zwischen einer kaum signifikanten Wirkung und einer sehr starken Verbesserung im Vergleich zu Versuchsgruppen ohne jegliche Behandlung. Manche Forscher gehen in manchen Bereichen (in diesem Artikel v.a. Psychiatrie, weil das auch in einer psychiatrischen Fachzeitschrift) davon aus, dass etwa 50 % der Pharmawirkung auf Placebo zurückzuführen seien. Problematisch an diesen Zahlen ist jedoch, dass sie auf Übersichtsstudien basieren, wo teils nicht zureichend zwischen „Krankheitsbildern“ differenziert wird. Das mag die ganzen Zahlen verfälschen.
Was beeinflusst nun die Wirksamkeit von Placebos?
Diverse Studien haben sich mit Persönlichkeitsmerkmalen von Patienten befasst und Widersprüchliches gefunden. Manche gehen davon aus, dass die Patienten eher extravertiert sein müssen, um gut auf Placebo anzusprechen. Andere gehen vom Gegenteil aus. Wird die Persönlichkeitsstruktur des behandelnden Arztes und sein Einfluss auf die Placebowirkung untersucht, gelangt man zu ebenso widersprüchlichen Resultaten.
Gemäss einer Studie von 2001 wird durch das Anwenden schmerzhafter, invasiver, unangenehmer oder komplizierter Verfahren der Placeboeffekt verstärkt.
Ebenso gibt es bei der Farbe von Tabletten Wirkungen. So wirkt die Farbe blau auf italienische Frauen angeblich besonders sedierend. Diese Farbuntersuchungen wurden an Pharmaka, nicht an Placebos durchgeführt, allerdings ist anzunehmen, dass auch bei Placebos vergleichbare Wirkungen vorhanden sind.
Ebenso spielt der Name, bzw. die Marke einer Arznei eine Rolle bei ihrer Wirksamkeit. Bei Aspirin bedeutet dies: Placebo < Placebo mit Markennamen < Aspirin < Aspirin mit Markennamen. Bezogen auf psychologische Wirkung von Markennahmen (Viagra wird offenbar von befragten Männern mit Niagara assoziiert) gab es keine Untersuchungen, die sich auf den Placeboeffekt bezogen.
Welche Mechanismen beeinflussen die Placebowirkung?
- Reduktion von Ängstlichkeit: Bildgebende Studien unterstützen die These, dass die Reduzierung von Ängstlichkeit kann die Wirkung von Placebos begünstigen. Da gibt es jedoch auch widersprüchliche Resultate, so dass z.B. Angst in stressinduzierter Analgesie schmerzlindernd wirken kann.
- Erwartungen: Einerseits geht es hier um Erwartungen, die an die medizinische Intervention, an den behandelnden Arzt, an die medizinische Behandlungssituation gestellt werden. Andererseits geht es auch um Erfahrungen, die man von anderen Menschen beobachten konnte, den Einfluss der Medien und kulturelle Aspekte. Weitere Aspekte, die auf die Erwartungen wirken, sind Logik, verbale und nonverbale Informationen, die Haltung gegenüber der medizinischen Intervention, dem behandelnden Arzt und der medizinischen Behandlungssituation. Das individuelle Wissen über relevante Aspekte. Und zuletzt auch die Haltung, Persönlichkeit, das Temperament und die Erfahrungen des behandelnden Arztes. Hier gibt es viele Einzelstudien zu Einzelaspekten, die auch widersprüchlich ausfallen, jedoch bislang keine Gesamtbetrachtung.
- Kontexteffekte (englisch: meaining effects). Dies umfasst sowohl bewusste als auch unbewusste Erwartungen. Dies betrifft sowohl den Makro- als auch den Mikrokontext. Es gibt zahlreiche experimentelle und anekdotische Belege für solche Effekte. Dies umfasst z.B., dass Patienten nach chirurgischen Eingriffen schneller genesen, wenn sie aus dem Fenster ins Grüne schauen können als solche, die nur eine Wand sehen. Ebenso gehört dazu die Verschiebung des Todes nach subjektiv bedeutsame Zeitpunkte.
- Konditionierung. Injiziert man Ratten einen Wirkstoff mit Zuckerwasserlösung, reicht nach einiger Zeit die Injektion der Zuckerwasserlösung für denselben das Immunsystem unterdrückenden Effekt. Dasselbe gilt auch bei Patienten nach Operationen und Salzwasserlösung anstatt Morphium nach einigen Tagen der Konditionierung mit Morphium.
Eine Studie von 2003 geht davon aus, dass unbewusste physiologische Placeboreaktionen durch Konditionierung beeinflusst werden, wohingegen bewusste Placeboreaktionen (also die Reduktion von Schmerzen z.B.) eher durch Erwartungshaltungen beeinflusst werden.