Frl.Zizipe
Sehr aktives Mitglied
Ich weiß genau, was Du meinst, und ich bin da auch hin- und hergerissen.
Ich denke schon, dass die "Humorpolizei" durchaus wirklich was mit Empathie und Achtsamkeit zu tun hat, indem sie nachvollziehbar aufzeigt, dass und wie ein Spruch oder Witz auch verletzend wirken kann, und so durchaus die Gesellschaft für die Gefühle von Minderheiten, Randgruppen oder Gruppierungen sensibilisiert.
ABER der nachfolgende Shitstorm, den einige Comedians dann ernten... der hat meiner Ansicht nach NICHTS mehr mit Achtsamkeit zu tun. Der ist nur für viele nur eine willkommene Gelegenheit verbal auf einen Comedian einzudreschen, den man ohnehin eh nicht mochte. Da kann man sich dann mitunter selbstbeweihräuchernd darüber auslassen, warum das ja nur unlusitg und auf keinen Fall einen Lacher Wert ist. Ob ein Shitstorm entsteht, und wie heftig er ausfällt, hat nicht viel damit zu tun, ob der Witz wirklich schlecht, grenzwertig, tabubrechend oder verletzend war. Und darum ist er selten der "Tat und Schuld" des Comedians oder Sprücheklopfer angemessen, sondern unangemessen überbordend heftig.
Der brittisch-irische Comedian Jimmy Carr ist ein Beispiel eines Humoristen, der quasi davon lebt, Tabus auszuloten und WEIT zu übertreten. Er ist sich dessen auch voll bewusst; ich habe irgendwo mal ein Talksshowauftriff von ihm gesehen, wo er gefragt wurde, was denn der "most offensive joke" gewesen wäre, den er mal gebracht hätte. Dass er darauf antworten konnte - und der Spruch, den er da äußerte, war wirklich extrem - zeigt, dass er durchaus dazu in der Lage ist zu erkennen, was wie stark offensive wirken kann, und dass er Tabus aktiv und wissentlich bricht.
Ich brachte vorhin schon das Beispiel Oliver Pocher. Ich mag ihn und seinen Humor nicht, aber ich halte ihn für sehr intelligent. Er tut zwar auf Nachfrage immer ironisch-lakonisch so, als würde er die Aufregung um seine Witze nicht verstehen... aber ich bin mir sicher, er weiß ganz genau, was er tut. Auch er ist Fähig Empathisch zu denken und sich in sein gegenüber rein zu denken und fühlen. Bezeichnend finde ich bei ihm, dass er eine enge Freundschaft mit Jürgen Domian pflegt, dem man nun sicher NICHT Empathielosigkeit vorwerfen kann. Der sehr derbe (und meiner Meinung nach unlustige) Humor von Pocher ist sein Geschäft.
Vielleicht sollten wir wirklich einen Extra-Thread aufmachen, in dem wir die verschiedenen Shitstroms der Vergangenheit gegen Comedians gegenüberstellen und vergleichen und besprechen, ob das wirklich "empathielos" war oder nicht, bzw. warum es bei echten Tabubrüchen, wie sie z.B. Jimmy Carr gerne und wissentlich begeht, zu keinen solch heftigen Reaktionen kommt.
Ich bin mir nicht ganz so sicher, ob das wir wirklich so ist. Oder ob diese neue "Achtsamkeint" nicht eher der eigenen Erhöhung und Selbstinszenierung dient. Denn sonst kann nirgendwo eine vermehrte Sensibilität für Randgruppen und Minderheiten erkennen. Eher einen Trend in die entgegengesetzte Richtung.