Die Mambo, in ihrem Humfò von Marie zur Rede gestellt, hatte eine Rechtfertigung rasch zur Hand: Wenn der Liebeszauber versagt habe, so zeige dies, dass Maries Liebster sich durch ein Makandal, ein Amulett, gegen magische Anschläge dieser Art gesichert habe (eine Schutzmaßnahme, die gerade unter jungen Männern auf Haiti verbreitet ist, da viele fürchten, durch magische Hinterlist von der erst besten Schönen in die Ehe gelockt zu werden.)
Aber Marie brauchte den Mut nicht sinken zu lassen, fuhr die Mambo fort: Gegen die fixierende Macht des magischen Rituals, das sie ihn nun zur Verfügung stellen werde, helfe kein Gad und kein Dämon.
Nach diesen Worten holte die Priesterin ein blutrotes Stoffpüppchen, einen Gris-Gris-bag (Zauberbeutel) von gleicher Farbe, eine Handvoll Räucherwerk, ein Fläschchen mit einer aromatischen Essenz und ein kleines Stück Pergamentpapier hervor. Sie weihte die rituellen Requisiten indem sei einige Formeln darüber murmelte und die heilige Rassel schüttelte, dann trug sie Marie auf, bei dem magischen Liebesritual genau nach ihren Anweisungen zu verfahren.
Von neuer Hoffnung beseelt, befolgte Marie auch diesmal die Anweisungen der Priesterin bis aufs Haar. Zu Hause eingetroffen, richtete sie in einer Ecke ihres Zimmers einen Altar ein. Er war ungleich kleiner und bescheidener als der prunkvolle Voodoohausaltar der Familie, der sich in einem Raum am anderen Ende der Wohnung befand. Dieser Altar hier, hatte die Mambo erklärt, sollte einzig und allein ihrem Liebeszauber dienen.
Als Altartisch verwendete Marie einen niedrigen Schemel, über dem sie eine weiße Decke ausbreitete. Sei schloß Fenster und Vorhänge, bis nur noch ein trüber Schimmer Tageslicht in ihr Zimmer drang. Dann kniete sie vor dem Altar nieder, schloß die Augen und beschwor vor ihrem geistigen Auge den Anblick des Geliebten herauf. Bald schon glaubte sie ihn vor sich zu sehen, so nahe, so lebendig, als ob sie ihn mit der Hand berühren könnte. Benommen schlug Marie die Augen wieder auf, um mit dem Ritual zu beginnen.
Sie zog die magischen Dinge aus der Tasche, die sie von der Mambo erhalten hatte, und legte sie von der Mambo erhalten hatte, und legte sie nebeneinander auf den Altar: Die Puppe war aus blutrotem Stoff gefertigt, der mit wohlriechenden Zauberkräutern gefüllt und mit schwarzen Schnüren umwunden war. Der Gris-gris-bag, gleichfalls blutrot, voll magischer Kräuter und mit einer schwarzen Schnur verschlossen, war von so geringem Umfang, dass er in ihre zierliche Faust gepasst hätte und doch ging, wie die Mambo versichert hatte, bezwingende Zauberkraft von ihm aus. Das Stück Pergament-papier, nicht größer als eine Streichholzschachtel, verströhmte vielfältige Aromen; Marie legte es neben die Puppe auf den Altar. Das Räucherwerk gab sie in eine Schale: eine Handvoll honiggelber Kügelchen und eine Scheibe gepreßter Weihrauch, schwarz wie Teer und von betäubendem Duft. Schließlich öffnete sie das Fläschchen Zauberöl, eine gelbliche Essenz, in der winzige Blüten schwammen, und stellte es neben die Schale. Nachdem sie noch eine weiße Kerze nebst Halter hinzugefügt hatte, waren alle für das Ritual erforderlichen Dinge versammelt.
Wie von der Mambo angeordnet, zündete Marie nun das Räucherwerk an. Während die aromatischen Schwaden aufstiegen und sich im Zimmer verbreiteten, rief sie mit beschwörendem Murmeln Bondieu an, den Schöpfer des Universums, Legba, den göttlichen Mittler zwischen den Welten, und Ayizan, die oberste Ahnen-Loa und Schutzpatronin aller weiblichen Belange. Alle drei bat Marie inständig um Beistand bei ihrem Vorhaben.
Nun öfffnete sei das Fläschchen mit dem Zauberöl, nahm die Puppe in die rechte Hand und führte sie zuerst bäuchlings, sodann rücklings durch die Schwaden des Räucherwerks. Währenddessen murmelte sie die folgende Formel: Mit diesem Rauch reinige ich die Puppe und taufe sie auf den Namen JEAN.
Sei träufelte ein wenig Zauberöl auf eine Fingerspitze und tupfte es auf Kopf, Herz und Lenden der Puppe, wobei sie sagte: Mit diesem Öl weihe ich die Puppe und ermächtige sie, JEAN zu sein.
Ihr eigenes Herz klopfte wieder bis unter die Schädeldecke, als Marie die Puppe zurück auf den Altar legte. Ganz sonderbar war ihr zumute bei dem Gedanken, dass er es war er, JEAN -, den sie da nach Belieben berührte und dem sie ihren Willen einflößte.
Nun nahm sie die Kerze und den Gris-gris-bag in die Hand, führte beide langsam durch die Schwaden des Räucherwerks und sagte: Mit diesem Rauch reinige ich die Kerze und den Gris-gris-bag und widme sie dem Ziel, JEANs Liebe auf mich zu fixieren. Sie tupfte wieder ein wenig Zauberöl auf ihre Fingerspitzen und reib die Kerze erst vom Fuß zur Mitte hin, dann von der Dochtseite zur Mitte hin mit dem Öl ein. Mit diesem Öl, sagte sie, weihe ich die Kerze dem Ziel, JEANs Liebe auf mich zu fixieren.