Erstmal möchte ich Monika1974 und Shomani ganz viel Glück auf ihrem weiteren Weg wünschen, ich drück euch die Daumen.
Ob die Organempfänger ein lebenswertes Leben führen, das wage ich auch zu bezweifeln; sie bleiben ihr Leben lang schwerst krank.
Juddl
Und ich wage als Organempfänger zu bezweifeln, dass mein Leben nicht lebenswert ist und als schwerst krank würde ich mich nun gar nicht bezeichnen.
Ich nehme morgens und abends je 3 Tabletten, die lebensnotwendig sind und ich lasse alle paar Monate meine Blutwerte überprüfen und Ultraschall machen (Ergebnisse seit nunmehr 3 Jahren blendend, bisher keine Abstoßungsreaktionen oder sonstige Probleme). Dat war et was meine Beeinträchtigungen angeht. Nach der Transplantation war ich ab Tag 2 wieder auf den Beinen und nach 2 Wochen wurde ich entlassen, ohne Reha, damit ich direkt in die Sommerferien starten konnte (ich hab das sehr gut getimed damals

). Ansonsten bin ich ein normaler Jugendlicher und niemand würde vermuten, dass ich so eine Operation hinter mir habe, wenn er mich nicht kennen würde. Ich komme jetzt in die 12. Klasse eines Gymnasiums, meine Noten sind trotz allem ganz gut, nie durchgefallen, ich habe viele Freunde, kann mich nicht über mangelnden Erfolg bei der Frauenwelt beschweren, treibe Sport, gehe an Wochenenden auf Partys und ins Schwimmbad, unternehme so viel wie möglich und versuche, jeden Moment zu nutzen. Und ich denke gerade weil ich so etwas hinter mir habe, lebe ich viel intensiver als vorher, ich freue mich an jedem Tag, den ich erlebe und hab einfach eine viel positivere Einstellung zum Leben allgemein. Natürlich kann ich nur für mich sprechen und es gibt viele Leute, die so etwas nicht so gut wegstecken, aber du kannst nicht pauschalisierend sagen, Organempfänger seien ihr Leben lang schwerst krank, das stimmt nicht
Glaub auch nicht, dass ich diese Möglichkeit einer Transplantation leichtfertig wahr genommen habe ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie es für den Spender aussieht. Ich habe mich lange dagegen gewehrt, auf die Transplantationsliste gesetzt zu werden und natürlich empfand ich den Gedanken, das Organ eines Toten in mir zu haben erstmal als abschreckend, ich hab mich bei der Vorstellung, ein anderer müsse erst sterben, damit ich leben kann, zunächst absolut gegen die Operation gesträubt. Irgendwann freundete ich mich mit dem Gedanken an (manch einer mag es als einreden bezeichnen, aber ich denke nicht dass es das ist), weil ich glaube, dass man nicht am Schicksal rumpfuschen kann. Wenn jemand, dessen Tod unausweichlich ist (oder schon eingetreten, je nach Sichtweise), vorher beschlossen hat, anderen Leuten zu helfen, ist das für mich kein Zufall, sondern wird schon seinen Grund haben. Dass er bei der Organentnahme keine Schmerzen haben kann, ist für mich allein dadurch gewährleistet, dass er hirntot ist oder, wie ich jetzt hier gelesen habe, dass seine Seele schon vorher den Körper verlassen hat, um nicht zu leiden (schöne Vorstellung

).
Kurz bevor es ernst wurde, habe ich Frieden damit geschlossen und ich bin in den OP-Saal mit einem Lächeln auf den Lippen geschoben worden (zugegeben, vorher hab ich ca. 2h geweint, aber das war die Aufregung

).
Weder glaube ich, dass sich die Seele aufspalten kann und in den Organen hockt, noch dass man seinen eigenen Todestag durch Operationen jeglicher Couleur schwänzen kann. Wenn es so gewesen wäre, dass meine Zeit schon gekommen war, wäre ich zumindestens auf dem Operationstisch, eher früher, gestorben, aber die Tatsache, dass ich hier sitze und atme, beweist das Gegenteil - meine Zeit fängt erst an.
Und um deine Gegenfrage zu beantworten: Ja, ich würde meine Tochter zur Spende freigeben. Weil ich weiß, wieviel Wunderbares an anderer Stelle dadurch entstehen kann.
Dass meine Sicht der Dinge aufgrund meiner eigenen Erfahrung nicht ganz obektiv ist, ist mir bewusst, aber ich versuche, so neutral wie möglich zu sein.
Schönen Abend noch allen.