Ich verstehe diesen Einwand. Diese "Bewusstmachung" ist aber mMn wichtig. Ob das nun durch gegenderte Sprache effektiv geschieht, weiß ich nicht wirklich. Und mein Herzblut hängt auch nicht am Gendern der Sprache. Im Rahmen diverser noch offener Baustellen auf dem Weg zur Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter halte ich eine nicht gegenderte Sprache noch für ein vergleichsweise geringes Problem.
Die Bewusstmachung ist ganz unabhängig vom Gendern schon lange im Gange. Das Problem ist ein bisschen: Für jene die so eine Entwicklung beobachten und sich vielleicht sogar engagieren, scheinen sich die Dinge langsam zu verändern. Und gerade jene, die sich in irgendeinem Bereich engagieren, fokussieren naturgemäß auch oft auf Probleme und Missstände. Aber: Rückblickend, wenn irgendwann mal Bücher über die letzten Jahrzehnte geschrieben werden, dann wir erkannt werden: Wir leben aktuell in einer Phase rasend schneller Umbrüche. Nicht nur betreffend Gleichberechtigung von Frauen, sondern in ganz vielen Bereichen.
Klar wird das ja auch wenn man zurück denkt. Die 80er waren noch sehr unterschiedlich zu heute, viele Frauen selbst dachten damals wahrscheinlich auch noch etwas anders. Aber die Frauen die in den 80ern oder auch früher geboren wurden, dachten zum großen Teil schon anders. Und für viele junge Frauen heute, also irgendwann um 2000 geboren, finden vieles schon selbstverständlich. Dasselbe trifft auf Männer zu.
Will sagen: Schon mehrere Generationen sind anders sozialisiert, sowohl Männer wie auch Frauen. Damit meine ich nicht, alles sei perfekt. Aber Männern und Frauen heute noch mittels Gendersprache vermitteln zu wollen, dass auch Frauen in der Wissenschaft arbeiten und auch Frauen Bundeskanzlerin sein können (nach 16 Jahren Merkel) finde ich lächerlich.
Was ich durchaus verstehe ist, wenn Sprache nicht diskriminieren soll. Ich habe aber gar nicht den Eindruck, dass sich viele Frauen von der Sprache diskriminiert fühlen. Meiner Ansicht nach steht hinter dem ganzen Diskriminierungs-Gerede eine ideologische Theorie die zumindest teilweise falsch ist und der andere Teil ist Vergangenheit. Es wird ja behauptet, unsere Sprache sei deshalb männlich weil sie aus einer patriarchalischen Gesellschaft stammt. Das kann durchaus zutreffen, Begriffe wie z.B. "Zimmermann" gehen sicherlich darauf zurück, dass Frauen in dem Beruf nicht arbeiteten und auch nicht arbeiten durften. Aber: Es gibt auch ganz einfach sprach-ökonomische Gründe, denn die Formulierungen im generischen Maskulinum sind in aller Regel kürzer. "Freunde" -- "Freundinnen" -- "Kollegen" ---"Kolleginnen" usw.
Insofern wird da m.A.n. vor allem ein Feindbild attackiert, nämlich das Patriarchat. Daraus wird eine Theorie abgeleitet, so dass eine über lange Zeit natürlich gewachsene Sprache mit der Brechstange verändert werden soll.