Er hatte diese ‚Berliner Schnauze‘, diesen heimeligen Akzent und hatte ihn offenbar all die Jahre in der Schweiz nicht abgelegt. Ich hatte kaum Zeit, konnte aber sein Zimmer nicht verlassen, weil seine Lebensgeschichte so fesselnd war. Sie war so aktuell, als ob seitdem kein Tag vergangen wäre. Eine Flucht durch Polen, Krieg, Jahre in Berlin und ein Traum, den er gegen den Willen der Familie durchsetzte. Im Hintergrund berieselten uns aus dem TV aktuelle Meldungen zum Krieg. Als die Bilder total zerstörte Häuser, Schutt und Asche zeigten, Menschen, die man unter Trümmern rauszerrte, waren Tränen in seinen Augen und er meinte, er hätte nie gedacht, dass sich das wiederholen würde. Unverständnis über das archaische und sinnlose Morden im 21. Jahrhundert und keiner, der dem Unfassbaren Einhalt gebieten konnte.
Mein Herz war schwer und auch der Patient im Nebenzimmer äusserte das gleiche Entsetzen und die Fassungslosigkeit. Überlagert wurde seine Traurigkeit nur noch von der Sorge um seine Frau, die aufgrund einer Krankheit ohne ihn zu Hause hilflos war. Die Stimmung war unglaublich bedrückend und für die Fassungs - und Hoffungslosigkeit findet man kaum Worte.
Als ich später aus einem der grossen Fenster sah, erstrahlte eines der Gebäude in den Farben Blau/gelb der Ukraine. Ich konnte nicht ausmachen, welches es war. Auf der Heimfahrt wirkte alles trügerisch friedlich und es zeigten sich vereinzelt Sterne am nächtlichen Himmel. Da dachte ich auch an Dich, lieber Freund, und einen weiteren, verpassten Abschied.