Einige ignorante Menschen sagen: "Es ist nicht recht, die Leidenschaften zu zähmen. Wir sollten nicht gegen die Natur angehen. Warum hat Gott junge hübsche Frauen geschaffen? Seine Schöpfung muss doch einen Sinn haben. Wir sollten uns daran erfreuen und uns fleißig fortpflanzen. Wir sollten Nachkommen zeugen, damit unser Stammbaum erhalten bleibt. Wenn alle Leute Sannyasins (Entsagende) werden und in die Wäldern gehen würden, was würde dann aus dieser Welt werden? Dann würde unsere Rasse irgendwann aussterben. Wenn wir die Leidenschaften kontrollieren, werden wir krank. Wir müssen viele Kinder zeugen. Es gibt Glück im Haus, wenn wir viele Kinder haben.
Das Glück einer Ehe kann nicht mit Worten beschrieben werden, so sagen die Leute. Kinder sind ihr Ein-und-Alles im Leben. Ich mag keine Leidenschaftslosigkeit, keine Entsagung, kein Sannyasa (Gelübde der Entsagung) und kein Nivritti (Weg der Entsagung).“ Dies ist ihre simple Philosophie. Sie sind direkte Nachkommen von Charvaka, dem Gründer der materialistischen Schule der Philosophie, und von Virochana, dem vedantischen Anführer der Dämonen, der die Philosophie der Fleischeslust vertritt.
Sie sind Anhänger der epikureischen* Gedankenschule, die die Lust in den Mittelpunkt des Lebens stellte. Konsum ist das Ziel ihres Lebens. Dieser gedankenlose Konsum hat eine große Anhängerschaft. Sie sind Freunde Satans. Ihre Philosophie ist bedauernswert! Wenn sie ihren Besitz, ihre Frau und ihre Kinder verlieren, wenn sie an einer unheilbaren Krankheit leiden, sagen sie: "O Gott, befreie mich von dieser schrecklichen Krankheit. Vergib mir meine Sünden. Ich bin ein großer Sünder." Aber vorher verschwenden sie keinen Gedanken an Gott.
(*Anmerkung: Ich stelle mir gerade die Frage, ob Swami Sivananda hier nicht den Epikureismus mit dem Hedonismus verwechselt, denn Epikur ging es nicht um den Konsum von oberflächlicher sinnlicher Lust, sondern um Genüsse, die durch Erkenntnis, Gleichmut und Selbstdisziplin für eine heitere Seelenruhe sorgen. Im Hedonismus dagegen steht die Lust für materielle und sinnliche Genüsse im Vordergrund, die mit einer egoistischen Lebenseinstellung verbunden sind. Nicht das ihr denkt, ich bin so klug und hab' das alles im Kopf. Ich bin zufällig darauf gestoßen, als ich mich bei wikipedia.org über Epikur schlau machte.)
Die Leidenschaft sollte um jeden Preis kontrolliert werden. Nicht eine einzige Krankheit entsteht, wenn die Leidenschaften kontrolliert werden. Ganz im Gegenteil erhältst du durch die Sinneskontrolle, unermessliche Energie, Freude und Frieden. Es gibt wirkungsvolle Methoden, die Leidenschaften zu kontrollieren. Man sollte sich dem Atman (Seele) zuwenden, wenn man seine Begierden besiegen möchte. Genau so wie ein Fisch gegen den Strom schwimmt, so solltest auch du gegen die sinnlichen Ströme angehen. Nur dann kannst du Selbstverwirklichung erreichen. Leidenschaft ist eine sehr unangenehme Eigenschaft. Sie sollte kontrolliert werden, wenn du das Glück des Atman genießen möchtest.
Sexuelles Vergnügen ist in Wirklichkeit kein Vergnügen. Es ist eine geistige Täuschung. Es ist mit Gefahren, Schmerzen, Furcht, Anstrengung und Ekel verbunden. Wenn du Yoga oder die Wissenschaft von Atman kennst, kannst du die entsetzlichen Krankheiten, die durch die Leidenschaften entstehen, leicht kontrollieren. Gott wünscht, dass du das Glück von Atman genießt, das durch den Verzicht auf weltliche Vergnügen erlangt werden kann. Die schönen Frauen und der Reichtum sind die Instrumente der Maya, der Illusion, um dich zu täuschen und in ihre Netze zu verstricken. Wenn du also ein weltlich orientierter Mensch mit niedriger Gesinnung und niederen Wünschen bleiben möchtest, dann kannst du natürlich so handeln. Du hast die Freiheit zu wählen.
Du kannst 350 Frauen heiraten und viele Kinder zeugen. Niemand wird dich kontrollieren. Aber du wirst bald feststellen, daß dieses Leben dir keine Zufriedenheit geben kann, weil alle Dinge in Zeit, Raum und in ihren Ursachen voneinander abhängen. Es gibt Tod, Krankheit, Alter, Sorgen, Ärger, Ängste, Furcht, Verluste, Enttäuschung, Misserfolge, Hitze, Kälte, Schlangebisse, Skorpionstiche, Erdbeben und Unfälle. Du wirst nicht eine ruhige Minute finden. Wenn dein Verstand mit Leidenschaften und Unreinheiten besetzt ist, wird dein Verständnis bewölkt und dein Intellekt verliert an Leistungskraft. Dann bist du nicht mehr in der Lage, die illusorische Natur des Universums und das ewige Glück des Atman zu erkennen.
Die Leidenschaft kann effektiv geprüft werden. Es gibt wirksame Methoden. Nach dem Sieg über deine Leidenschaften genießt du inneres Glück durch Atman. Nicht alle Männer können Sannyasins (Waldeinsiedler) werden. Sie haben verschiedene Bindungen und Verpflichtungen. Sie sind in ihren Leidenschaften gefangen und können daher nicht ihr Heim verlassen. Sie sind an ihre Frauen, ihre Kinder und ihr Vermögen gebunden. Hast du jemals in den Chroniken der Weltgeschichte gelesen, dass alle Männer Sannyasins wurden? Das ist unmöglich. Warum glaubst du dann an die absurde Idee, die Weltbevölkerung könnte schrumpfen, wenn einige Sanyassins sich zur Meditation in die Waldeinsamkeit, in die Klöster oder in die Höhlen des Himalaya zurückziehen? Dieses ist ein scharfsinniger Trick deines Verstandes, um deine unsinnigen Argumente und deine sinnlichen Begierden zu unterstützen, die die sexuelle Befriedigung als eine Lebensnotwendigkeit betrachtet.
Dieses zeigt deine Unwissenheit und verdeutlicht deine leidenschaftliche Natur. Rege dich nicht über diese Welt auf. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Gott ist allmächtig. Und selbst wenn diese Welt vollständig evakuiert ist, selbst wenn sich alle Leute in die Wälder zurückziehen, wird Gott mit einem bloßen Augenzwinkern Millionen neue Menschen erschaffen, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Darüber solltest du dir keine Gedanken machen. Finde lieber Methoden um deine Leidenschaften zu besiegen.
Wir stehen heute vor dem Problem der Überbevölkerung und nicht vor dem Problem einer abnehmenden Bevölkerungsdichte. Außerdem haben die meisten Yogis, die sich in die Einsamkeit einer Himalayahöhle oder eines Waldes zurückziehen, um dort zu sich und zu Gott zu finden, ihre familiären Pflichten bereits hinter sich gebracht.
Nicht jeder möchte sich ehelich binden. Besonders ein Yogaschüler sollte sich von den ehelichen Fesseln fern halten. Für den Yogaschüler bedeutet Heirat ein Fluch. Für einen Mann mit einer lüsternen Einstellung, ist es extrem schwierig, seine sinnliche Leidenschaften abzulegen, weil sie eine Art Gitter der schützenden Wölbung seiner moralischen Rücksichtslosigkeit ist. Darum ist die Heirat für die große Mehrheit der Menschheit sinnvoller, die für ein Leben in absoluter Selbstbeherrschung noch nicht bereit sind. Von ihnen wird die Ehe als ein Sakrament betrachtet. Aber sie sollte nicht als eine Lizenz zur Genusssucht betrachtet werden.
Nicht jeder, der geboren wird, möchte sich binden. Die Heirat bedeutet, sein Leben in einer gewissen Weise zu ordnen. Aber heute hat die Ehe in der Gesellschaft einiges von der moralischen Haltung verloren, die sie einst besaß. Dort, wo es keine Leidenschaften im Herzen gibt, wo der Wunsch nach Gott vorhanden ist, wo es ein spirituelles Streben gibt, ist eine Ehe nicht unbedingt erforderlich. Ein junger Mann, der sein Leben nach diesen Zielen ausrichtet, kann das Leben eines Naishthik Brahmacharis führen, eines Brahmachari, der das Brahmacharya bereits seit seiner Kindheit praktiziert.
Eltern sollten ihre Kinder nicht zur Heirat zwingen. Sie sollten das spirituelle Interesse ihrer Kinder nicht unterbinden. Viele junge Männer, in denen es ein spirituelles Erwachen gibt, schreiben zu mir in bemitleidenswerten Wörtern: "Lieber Swamiji, mein Herz schlägt für höhere spirituelle Dinge. Ich habe für weltliche Dinge kein Interesse. Der materielle Leben interessiert mich nicht. Ich bin bereits in den Maschen einer Heirat verwickelt. Meine Eltern zwingen mich, gegen meinen Willen zu heiraten. Eigentlich müßte ich dem Willen meiner Eltern folgen. Sie bedrohten mich auf unterschiedlichste Weise. Nun weine ich. Was soll ich jetzt tun?"
Jungen, die kein Wissen über diese Welt und dieses Lebens haben, werden mit 8 oder 10 Jahren verheiratet. Wir sehen Kinder, die Kinder zeugen. Die Mütter sind Kindermütter. Ein junger Mann mit 18 Jahren hat 3 Kinder. Was für ein schrecklicher Zustand! Frühe Heiraten führen zu einem frühen Verlust des Samens. Das führt zu körperlichem und geistigem Abbau und zum frühen Tod. Sie leben alle sehr kurz. Häufiges Gebären zerstört die Gesundheit der Frauen und bringt eine Menge anderer Nachteile mit sich.
Wir haben in Indien verschiedene Gewohnheiten vom Westen, in Bezug auf Kleidung und Mode übernommen. Dadurch sind wir zu gemeinen Nachahmern verkommen. Aber im Westen heiraten die Menschen erst, denn sie in der Lage sind, eine Familie ordentlich zu versorgen. Sie haben mehr Selbstbestimmung. Sie sichern sich zuerst eine annehmbare berufliche Position, verdienen Geld, sparen etwas und denken dann über eine Heirat nach. Wenn sie nicht genügend Geld verdienen, bleiben sie mitunter ihr Leben lang Junggesellen. Sie möchten keine Bettler in die Welt setzen, wie dies in Indien geschieht. Wer dieses menschliche Leid verstanden hat, möchte kein Kind mehr in die Welt setzen.
Practice of Brahmacharya