Energeia
Sehr aktives Mitglied
Ich kann dir trotz all dem nicht zustimmen. Wie sehen denn im Allgemeinen die Therapien aus? Die Menschen gehen oft jahrelang zur Therapie und trotzdem ändert sich an ihrer Situation und an ihrem Leiden kaum etwas. Ich bezweifle auch, dass weder der Patient noch der Therapeut die Ursachen der Schmerzen kennt. Würden sie die Ursachen der Schmerzen kennen, dann müsste sich die Krankheit relativ leicht behandeln lassen. Ich denke, du erwartest dir von einer Therapie einfach viel zu viel. Und ich bezweifle nach wie vor, dass sich durch Gespräche, finden sie auch in einer noch so sensitiven und liebevollen Umgebung statt, generell psychische Erkrankungen heilen lassen, denn die meisten psychischen und psychosomatischen Erkrankungen sind Folgeerkrankungen einer falschen Lebensweise und nicht die Folge einer emotionalen Verletzung und sie lassen sich allein durch eine Veränderung der Lebensweise heilen. Aber dies erkennt weder der Therapeut noch der Patient, jedenfalls in den meisten Fällen nicht, weil sie beide nicht mit den "Mysterien des Lebens", wie ich es nennen möchte, vertraut sind. Was geschieht, ist allenfalls eine mehr oder weniger oberflächliche Heilung.
Wie die Menschen sich verhalten, kann man doch hier im Forum sehr gut beobachten. Kommen sie an einem Punkt, der die Emotionen aufwühlt, dann treten sofort Aggressionen auf. Anstatt darüber nachzudenken, warum diese Emotionen eigentlich auftreten, nehmen die Menschen entweder eine Verteidigungsstrategie an oder sie gehen zum Angriff über. Aber eine innere Auseinandersetzung findet nicht statt, meist selbst dann nicht, wenn sie diese Situation immer und immer wieder erleben. Warum sie so handeln und wie man dieses Handeln verändern kann, bleibt ihnen also weiterhin unbekannt. Statt dessen gehen die Menschen in Therapie und erhoffen sich vom Therapeuten, dass der ihre Probleme lösen möge. Mir tun echt die Therapeuten leid, wenn ich nur daran denke, mit welchen Aggressionen sie konfrontiert sind. Kein Wunder also, wenn die ganz große Mehrheit der Therapeuten lieber Psychopharmaka verschreibt, anstatt ernsthaft über eine Therapie nachzudenken.
Aber ich frage mich ernsthaft, muss man wegen dieser Probleme eigentlich wirklich zum Therapeuten oder sollte man sich nicht vielmehr selber damit auseinandersetzen? Und ich glaube, dass die meisten Menschen tatsächlich zum Therapeuten müssen, weil sie ersten viel zu unbewusst leben und weil sie zweitens überhaupt nicht den Mut haben, sich mit ihren Aggressionen auseinander zu setzen. Mit anderen Worten, den Menschen mangelt es nicht nur an Mut, sondern ebenso an Bewusstsein. Das ist auch gar nicht weiter verwunderlich, denn sie wurden von klein auf zu Angsthasen erzogen.
So und dann gehen sie also in Therapie. Und was passiert dann? Wenn sie an einen guten Therapeuten gelangen, dann wird er es verstehen, ihnen einige Zusammenhänge ihres Verhaltensmusters zu erklären. Danach verstehen sie ihr Verhalten vielleicht besser und können es wahrscheinlich auch etwas besser artikulieren. Aber ich glaube, wesentlich mehr geschieht nicht, jedenfalls in den meisten Fällen nicht, denn die Gründe für dieses Verhalten bleiben weiterhin im Dunkeln, die kennen weder der Therapeut noch der Patient. Und so geht die Therapie jahrein, jahraus ihren Gang. Der Therapeut macht ein gutes Geschäft und die Krankenkasse zahlt und zahlt, wenn sie die Kosten dafür übernimmt. Im Grunde genommen hat der Patient sich eine teuren Alleinunterhalter gekauft, mit dem er sich einmal in der Woche unterhalten kann. Und darum denke ich, dass entscheidende Schritte zur Heilung nur durch die Menschen selber geschehen, wenn sie über ein gewisses Bewusstsein verfügen. Aber bei der großen Masse der Menschen wird sich kaum etwas bewegen. Sie werden die alten Verhaltensmuster beibehalten und sich irgendwelche Fluchtwege suchen (Alkohol, Drogen, Tabletten, usw.), denn sie sind viel zu bequem den anstrengenden Weg zu gehen, den man auf sich nehmen muss, wenn man ein bewusstes Leben leben möchte.
Lieber Opti,
bevor ich auf diesen Beitrag eingehe, muss ich dich erst einmal etwas fragen.
Hast du gute Freunde, die dir wirklich nahe stehen, die eine Therapie bis zum Ende gemacht haben, bei denen du wirklich miterleben konntest, was eine Therapie bewirken kann? Oder hast du gar selbst schon eine Therapie gemacht?
Sicherlich wäre es selbst voreilig, von einer eigenen Erfahrung oder von zwei, drei Erfahrungen von Freunden ein allgemeines Urteil zu bilden, aber hast du zumindest diese Grundlage für deine Meinung?
Auf mich - das muss ich ganz frei sagen - wirkt dein Beitrag so, als hättest du nicht einmal diese Erfahrungsbasis und als wäre das ein "Vorurteil", das du wiedergibst. Aber ich lasse mich hier gerne in meiner Meinung korrigieren.
Ich kann dazu sagen, dass ich studiert habe, eingige tiefe Freundschaften zu dieser Zeit schloss und zu dieser Zeit auch in Berlin wohnte; dadurch konnte ich in einem Kreis von Menschen leben, die eigentlich alle in der Zeit zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr mindestes eine Therapie machten. Ich konnte hier Zeuge von schlechten ERfahrungen werden, aber ich konnte auch an eindeutig positiven ERfahrungen und menschlichen Entwicklungsprozessen teilnehmen, an denen es gar keinen Zweifel geben kann.
So ist beispielsweise eine Freundin von mir von ihren Süchten losgekommen, sie hat ihre Beziehung zu ihrer Mutter deutlich verbessert, ebenso zu ihrer Schwester, die mit 18 Jahren in Streit von zu Hause auszog und sie hat mit ihrem Vater Kontakt aufgenommen, den sie 20 Jahre nicht gesehen hatte, mit dem sie heute ein sehr gutes Verhältnis pflegt. Sie lebt seit 6 Jahren in einer sehr liebevollen Beziehung, arbeitet an einem Forschungsinstitut und wird bald ein Kind bekommen. Vor der Therapie war ihr Leben eher ein Chaos.
Allerdings hat diese Freundin, bevor sie diese Therapie begann, auch eine sehr, sehr schlechte Erfahrung mit einer Therapeuting gemacht und es hat dann 2 Jahre gedauert, bist sie sich überhaupt erst wieder trautet, eine zweite Therapie zu beginnen.
Also, Opti, wie steht es mit deiner praktischen Erfahrung? Auf welcher Evidenzbasis werden deine Meinungen begründet?
Liebe Grüße,
Energeia