Die sechs unteren Daseinsbereiche Teil II
Der Bereich der Hölle: Zorn, Wut, Verachtung und Hass führen zur Wiedergeburt in der Hölle. Die Seele erleidet in der Hölle schreckliche Qualen. Während die Hölle in einigen Weltreligionen der Läuterung dient und ein Ende hat und somit ein Mittel der Besserung ist, geht die christliche Lehre von einer ewigen Hölle aus, einer Strafe als unveränderlichen Zustand, nicht als endlichen Vorgang.
Mathäus 25,42: 42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. 43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. 44 Dann werden sie ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt, einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. 46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.
Menschen, die anderen Menschen mit Zorn, Wut, Hass oder Verachtung begegnen, zerstören auch immer etwas in sich selbst. In ihrer blinden Wut möchten sie den anderen am liebsten töten. Im gleichen Moment wendet sich der Hass nach innen und wirkt selbstzerstörerisch. So stauen sich im Laufe der Zeit eine Menge Ärger, Groll und Unbehagen an, vor dem man am liebsten davon laufen möchte. Aber es scheint zu spät zu sein. Es gibt kein entrinnen, es gibt keinen Ort, an den man fliehen könnte. Man hat stets das Gefühl, gequält zu werden. Das ist die Hölle. Aggressionen sind wie die brennende Glut der Hölle. Es gibt also zwei Arten der Hölle. Eine nach dem Tod und eine vor dem Tod.
Im Hinduismus spielt die Vorstellung von Hölle eine untergeordnete Rolle. Für die Hindus war die Hölle niemals ein Ort ewiger Qualen, da nach ihrem Glauben die Seele nach einer gewissen Zeit wiedergeboren wird. Im Hinduismus gibt es 21 Orte des Leidens, die nach der Mythologie, zum unendlichen Kreislauf der Reinkarnation gehören. Hier erfährt der Verstorbene so lange großes Leid, bis sein schlechtes Karma, die Folgen seiner negativen Taten, gesühnt ist. Aber ebenso gibt es im Hinduismus verschiedene Himmel, wo die Seele des Verstorbenen, für die positiven Taten mit himmlischen Freuden belohnt wird. Doch in beiden Fällen ist der Aufenthalt nicht ewig. Nach einiger Zeit kehrt die Seele auf die Erde zurück, um bis zur endgültigen Erlösung, wieder geboren zu werden. Beschreiben einige hinduistische Schriften die Höllen als Ort der Leiden und den Himmel als Ort der Lust, so sprechen andere hinduistische Schriften von geistigen Eigenschaften und Bewusstseinszuständen, den drei Gunas, den drei Eigenschaften, die die Natur besitzt, nämlich Trägheit, innere Unruhe und Harmonie. Für sie findet Läuterung also nicht in der Hölle, sondern im irdischen Leben statt. So erklärt Krishna in der Uddhavagita, einem Bestandteil des Bhagavatapurana, einem Hindutext visnuitischer Prägung, (Kap.19.42-43): Hölle ist das Ausdehnen von Tamas (Trägheit, Unwissenheit). Himmel ist das Ausdehnen von Sattva (Harmonie, Frohsinn, Zufriedenheit).
Der Buddhismus übernahm in modifizierter Form die hinduistischen Vorstellungen der Hölle. Die buddhistische Hölle ist in die heißen und die kalten Höllen unterteilt. Diese wiederum sind in zahlreiche Unterhöllen unterteilt. Auch die Buddhisten unterscheiden zwischen verschiedenen Arten der Strafe, die die Seele erleiden könnte: acht Höllen aus Feuer, acht vollständig vereiste, dazu noch ein Reich, in dem der Verdammte weder Hitze noch Kälte, sondern nur unendlichen Hunger und Durst verspürt. Entsetzliche Qualen erwarten den, der sich in diesen Höllen befindet. Sie enden, wenn sich das unheilsame Karma, das hierher führte, erschöpft hat. Die charakteristische Emotion der Höllenbereiche ist Hass. Wie auch vieles andere im Buddhismus werden solche Lehren von vielen Buddhisten aber eher symbolisch verstanden.
Das war jedoch nichts im Vergleich zur ungeheuren Vielfalt, die sich die Chinesen ausgedacht haben. Es gibt, sagen die Chinesen, einen Berg namens Kleiner Zaun aus Eisen, der von einem anderen Berg mit Namen Großer Zaun umgeben ist. In dem Raum zwischen diesen beiden herrscht dichte Finsternis, und dort gibt es acht große Höllen übereinander, jede umgeben von sechzehn kleinen, von ihr abhängigen Höllen, und von diesen wiederum hat jede zehn Millionen andere Höllen um sich herum. An diesen Orten der Qual ist jedem Laster seine besondere Strafe zugemessen; die Hochmütigen werden in einen Fluß voll Blut geworfen; die Schamlosen werden mit Feuer gestraft, die Geizigen mit Kälte, die Zornmütigen werden von Dolchstichen durchbohrt, und die Grobiane mit Kot bedeckt. Wenn sie ihre Verbrechen gebüßt haben, verwandeln sich die Verdammten in hungrige Teufel, oder sie gehen ein in die Körper der Tiere, um von neuem die Seelenwanderungen zu beginnen.
Aus: "Der Dämon und Fräulein Prym" von Paul Coelho
Die Namen der buddhistischen Höllen:
Die acht heißen Höllen
die Hölle, in der die Wesen bis zum Tod gefoltert werden, jedoch sogleich wieder auferstehen
die Hölle, in der die Wesen in eiserne Ketten gelegt werden
die Hölle, in der die Wesen zusammengequetscht werden
die Hölle des Wehgeschreis
die Hölle des großen Wehgeschreis
die Hölle der sengenden Hitze
die Hölle der extrem sengenden Hitze
die Hölle der ununterbrochenen Qualen
Die acht eisigen Höllen
die Hölle der Frostbeulen
die Hölle der gewaltigen aufgeplatzten Frostbeulen
die Hölle des Zähneklapperns
die Hölle der gefrorenen Zungen
die Hölle der gefrorenen Kehlen
die Hölle des blauen Lotus
die Hölle des roten Lotus
die Hölle des roten Lotus
Buddhas Aussagen zur Hölle:
In der
Anguttara Nikaya A.VIII.40 (die Sammlung der Langen Lehrreden (Digha-Nikaya)) sagt Buddha über die Folgen des Bruchs der Sittenregel: Das Töten, ihr Mönche, das Stehlen, geschlechtliche Ausschreitung, das Lügen, die Zwischenträgerei (Intrigen), das rohe Reden, das leere Geschwätz, ausgeübt, betätigt und häufig betrieben, führt zur Hölle, zum Tierschoße (Daseinsbereich der Tiere) oder zum Gespensterreich (Daseinsbereich der hungrigen Geister). Und schon die allergeringste Auswirkung des Tötens bringt dem Menschen kurzes Leben.
In der
Anguttara Nikaya V129 sagt Buddha: Die 5 höllischen Taten mit unmittelbarem Ausgang, sind:
Vatermord
Muttermord
Heiligenmord
Verwundung eines Buddha
Bewirkung einer Ordensspaltung
In der
Anguttara Nikaya A.III. 114 sagt Buddha: Diese drei Menschen, ihr Mönche, sind den niederen Welten und der Hölle verfallen, falls sie folgendem nicht entsagen. Welche drei Menschen?
- Der unkeusch Lebende, der sich als keusch lebend ausgibt
- derjenige, der einen rein und keusch das geläuterte Reinheitsleben führenden Jünger fälschlich der Unkeuschheit bezichtigt
- derjenige, der, im Glauben und in der Ansicht, daß nichts Böses an der Sinnlichkeit zu finden sei, dem sinnlichen Genusse verfällt.
Die sechs leidvollen Daseinsbereiche gelten nicht nur für das Leben nach dem Tod
Man kann die sechs Daseinsbereiche als Orte betrachten, in die die menschliche Seele nach dem Tod eintritt. Man kann sie aber auch als individuelle Lebensweise betrachten, mit der wir die Welt und unsere Gefühle wahrnehmen. Sie färben gewissermaßen unser Denken, unsere Vorstellungen und Empfindungen, Begierden und Sehnsüchte und bestimmen auf diese Weise unser Verhalten.
Dass man die leidvollen Daseinszustände nicht nur auf das Leben nach dem Tode beziehen sollte, geht aus den
Dhamma-Prinzipien für kluge Leute von Ajahn Buddhadasa sehr gut hervor: Habt Nachsicht mit mir, wenn ich euch noch ein weiteres Beispiel der dritten Fessel gebe. Nämlich die vier niederen Daseinsformen, welche auf den Wänden der Tempel abgebildet sind - die Hölle, das Tierreich, das Reich der hungrigen Geister (Peta) und das Reich der feigen Dämonen (Asura, der Bereich der eifersüchtigen Götter). Sie sind bekannt als "die vier leidvollen Zustände". Wir werden gelehrt zu glauben, dass wir beim Sterben in die niederen Daseinsformen absteigen können. Man lehrt uns aber nicht, dass wir jeden Tag in diese leidvolle Zeit verfallen. Und diese Leidens-Zustände sind realistischer und viel wichtiger, als jene an den Tempelwänden. Fallt überhaupt nicht! Wenn ihr jetzt nicht in die Leidens-Zustände fallt, könnt ihr sicher sein, auch nach dem Tod nicht in irgend welche Leidens-Zustände zu fallen. Das wird nie gelehrt, daher erfassen die Leute das Wesentliche und die wirkliche Bedeutung der Worte "die vier leidvollen Zustände" (in niederen Daseinsbereichen) auch nie. Der Buddha war kein Materialist. Er nahm nicht den Körper als Massstab, wie das in den Höllen-Geschichten passiert, wo man in einer Kupferpfanne gesotten und gebraten wird. Der Buddha nahm den Geist als seinen Bezugs-Massstab.
Was ist die Bedeutung der "vier leidvollen Zustände"? Der erste der vier leidvollen Zustände ist die Hölle. Hölle bedeutet Angst. Immer wenn man Angst erfährt, brennend und sengend, wird man gleichzeitig als ein Höllenwesen wiedergeboren. Es ist eine spontane Wiedergeburt, eine mentale Wiedergeburt. Obwohl der Körper physisch den menschlichen Bereich bewohnt, fällt der Geist in die Hölle, sobald sich Angst erhebt. Angst über den möglichen Verlust von Ansehen und Ruhm, Angst aller Art, das ist die Hölle.
Wird Nibbana nach dem Tod erreicht oder hier in diesem Leben?
Wir haben nun alle Daseinsbereiche kennen gelernt, in die die menschliche Seele nach dem Tod eingehen kann. Der Selbstverwirklichte allerdings durchbricht das Samsara, den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, geht also nicht mehr in eine der sechs Daseinsbereiche, um anschließend zur Erde zu reinkarnieren, sondern ergeht ins Nibanna (Sanskrit: Nirvana) ein. Wie hat man sich dieses Nibbana vorzustellen? Ajahn Buddhadasa sagt dazu:
Wird Nibbana nach dem Tod erreicht oder hier in diesem Leben?
Viele Lehrer, sprechen nur von Nibbana nach dem Tod. Im Tipitaka (Palikanon - Dreierkorb) ist das jedoch nicht so. Da gibt es Ausdrücke wie "Nibbana im hier und jetzt". Man sagt uns, dass die beglückenden Bewusstseinszustände, welche in den vier Versenkungstufen der feinkörperlichen Ebene (siehe unten) und den vier Versenkungstufen der unkörperlichen Ebene (siehe unten) erfahren werden, Sanditthika-nibbana (Nibbana das ein Praktizierender persönlich sieht) oder Ditthadhamma-nibbana (Nibbana hier und jetzt) sind.
Versenkungstufen der feinkörperlichen Ebene
1. Gedankenfassen + Diskursives Denken + Verzückung + Glücksgefühl
2. Verzückung + Glücksgefühl
3. Glücksgefühl
4. freud- und leidloser Zustand
Versenkungstufen der unkörperlichen Ebene
1. Raumunendlichkeitsgebiet
2. Bewusstseinsunendlichkeit
3. Nichtheit
4. Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung
Im Moment ist es jedoch für unsere Zwecke völlig ausreichend, wenn wir davon ausgehen, dass diese Zustände ein Vorgeschmack von Nibbana sind. Sie haben seinen Geschmack, sind aber mit dem wahren Nibbana nicht identisch. Weil diese Zustände nicht vollkommen und absolut sind, wurden sie Sanditthika-nibbana oder Ditthadhamma-nibbana genannt. Es gibt aber noch bessere Worte als diese. Bei einer Gelegenheit beschrieb Buddha das Verlöschen von Gier, Hass und Verblendung als "Sanditthikam, Akalikam, Ehipassikam, Opanayikam, Paccattam, Veditabbam, Vinnuhi" das heisst: "Direkt sichtbar, bringt sofortige Wirkung, lädt alle ein selbst zu sehen, führt nach Innen und ist von den Weisen einzeln erfahrbar". Diese Ausdrücke weisen auf eine lebende Person hin, die Nibbana erkannt, gefühlt und gekostet hat und die ihre Freunde auffordern kann zu kommen und zu sehen was sie gefunden hat.
Das zeigt eindeutig, dass sie nicht gestorben ist und in ihrem Innersten den Geschmack von Nibbana kennt. Es gibt auch noch andere Ausdrücke: Anupada-parinibbana (frei von Anhaftungen), wird erreicht, während das Leben noch anhält. Parinibbayati, bezieht sich auf das Erlöschen von Leid und Befleckungen, ohne jede Notwendigkeit des Erlöschens oder Auflösens der fünf Daseinsfaktoren (Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Wille, Bewusstsein), also ohne dass man physisch sterben muss. Dieses Wort "Nibbana" bedeutet in der gewöhnlichen Alltagssprache ganz einfach "Kühle, Abwesenheit von Hitze, Abwesenheit von Leid". Da möchte ich gerne, dass ihr die Weisheit unserer Thai-Vorfahren bedenkt, die den Spruch hatten: "Nibbana liegt im Sterben vor dem Tod". Ihr habt die Redensart vermutlich nie gehört, sie ist unter der thailändischen Landbevölkerung aber recht verbreitet. Sie sagen:
Schönheit findet man im toten Körper
Güte findet man im Verzicht zum Wohl anderer
Den Mönch findet man in Ernsthaftigkeit
Nibbana findet man im Sterben vor dem Tod
Grübelt über diesen Spruch nach: "Nibbana liegt im Sterben (der Selbst-Illusion) vor dem Tod (des Körpers)". Der Körper muss dabei nicht sterben. Aber das Anhaften an der Selbst-Illusion muss es. Das ist Nibbana. Der Mensch, welcher dies erkennt, hat höchstes Glück erreicht, lebt aber weiter.