Mahabharata

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Kapitel 209 – 11 Der Vogelfänger über Karma

Der Mensch von erleuchteter Sichtweise, oh großer Brahmane, sucht niemals Befriedigung in den schönen Früchten der Gerechtigkeit. Mit dem Licht der spirituellen Weisheit in seinem Innern werden ihm Schmerz und Vergnügen gleich lieb, und die Laster der Welt verwickeln ihn nicht mehr.

Mit freiem Willen blickt er gleichmütig auf weltliche Ziele und bleibt dennoch der Tugend treu.
Er erkennt, dass alles Weltliche vergänglich ist,
haftet an nichts mehr an,
hofft nicht mehr auf bloßes Glück,
sondern verfolgt alle Mittel zur Erlösung.

So verstrickt er sich nicht mehr in weltliche Angelegenheiten,
meidet alle Arten von Sünde, wird gegenwärtig und endlich erlöst.

Spirituelle Weisheit ist die wichtigste Voraussetzung zur Erlösung.
Ergebenheit und Vergebung sind ihre Wurzeln.
So erfüllt er alle seine Wünsche.
Und mit gezügelten Sinnen, Wahrhaftigkeit und Geduld
gelangt er in die höchste spirituelle Wohnstatt, oh guter Brahmane.
 
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Mahabharata

Kapitel 210 – 1 Der Vogelfänger über die Sinne

Erneut fragte Kausika:
Oh du Tugendhafter und beständig Pflichtbewußter, du sprichst über die Sinne. Was sind die Sinne? Wie kann man sie zügeln? Warum ist es gut, sie zu zügeln? Und wie erntet man die Früchte solcher Beherrschung? Oh frommer Mann, ich möchte mich mit der Wahrheit in dieser Sache bekannt machen.

Der Vogelfänger sprach:
Zuerst ist der Geist eines Menschen auf den Erwerb von Wissen ausgerichtet.
Als nächstes schwelgt er in Leidenschaften und Begierden,
für welche er große Mühen und Anstrengungen auf sich nimmt.

Dann folgen Anhaftung, auch Bosheit und Habgier und löschen somit alles spirituelles Licht im Menschen aus.
Dermaßen beeinflusst von Vorlieben und Habsucht, hört der Verstand auf,
sich von Rechtschaffenheit führen zu lassen
und praktiziert das ganze Gegenteil von Tugend.

Die Menschen heucheln dann Moral und sind zufrieden, Schätze auf unehrenhafte Weise zu erlangen.
So fesselt sich die Intelligenz in ihnen an üble Wege, und es wächst der Wunsch, Sünden zu begehen.
 

Mahabharata 3. Buch

Kapitel 210 – 2 Der Vogelfänger über die Sinne

Und wenn, oh Brahmane, Freunde und weise Menschen sie darob tadeln, s
o haben sie viele Antworten parat, die weder tief noch überzeugend sind.
Wenn sie sich unheilsamen Pfaden verschreiben, dann sind sie dreifacher Sünde bloß,
nämlich in Gedanken, Worten und Taten.

Ihre guten Qualitäten sterben aus, und sie kultivieren die Freundschaft mit Menschen ähnlichen, gemeinen Charakters.
So erfahren sie Elend in dieser und der nächsten Welt. Dies ist die Natur des sündigen Menschen.

Höre nun vom tugendhaften. Er erkennt das Böse dieser Welt mithilfe seiner spirituellen inneren Sicht
und kann zwischen Heilsam und Unheilsam unterscheiden.
Ihn erfüllt respektvolle Achtung zu tugendhaften Menschen und, Tugend übend, richtet sich sein Geist auf Gerechtigkeit.
 

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Kapitel 210 – 3 Der Vogelfänger über die Philosophie

Der Brahmane sprach: Du hast eine wahrhafte Beschreibung der Religion gegeben, wie niemand sonst es kann. Deine spirituelle Kraft ist groß, und du erscheinst mir wie ein großer Rishi.

Dazu meinte der Vogelfänger:
Die großen Brahmanen werden mit denselben Ehren bedacht wie unsere Ahnen.
Ihnen wird immer Nahrung vor allen anderen angeboten.

Weise Menschen handeln mit ganzem Herzen immer so, dass sie zufrieden sind.
Und wie sie zufrieden sind, das werde ich dir jetzt, oh guter Brahmane, erzählen, nachdem ich mich vor der ganzen Brahmanen-Klasse verneigt habe. So erfahre nun von mir die brahmanische Philosophie.

Das ganze, unbesiegbare (bzw. unergründliche) Universum mit all seinen Elementen ist Brahma, und es gibt nichts Höheres. Erde, Luft, Wasser, Feuer und Raum sind die fünf großen Elemente.
Form, Duft, Klang, Berührung und Geschmack sind ihre charakteristischen Eigenschaften,
welche entsprechend mit den Elementen verbunden sind
und durch die drei Haupteigenschaften (Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit) geprägt werden.

Die sechste Eigenschaft ist der Geist.
Die siebte ist Intelligenz,
dann kommen das Falsche Ego,
die fünf Sinne,
die Seele und die Qualitäten Sattva, Rajas und Tamas (Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit).

Von diesen siebzehn sagt man, dass sie unergründbar sind
(bzw. im Unmanifesten gründen, und so gibt es immer nur „Ansichten“ darüber).

Was sonst möchtest du noch wissen?
 

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Kapitel 211 – 1 Der Vogelfänger über die materielle Elemente

Als nächstes erkundigte sich der Brahmane Kausika: Oh Bester Mann, der sich an Religion erfreut, es wird immer von den fünf materiellen Elementen gesprochen. Erkläre mir bitte alle ihre Eigenschaften.

Der Vogelfänger antwortete: Die Eigenschaften von Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum überlagern sich. Ich werde sie dir erklären. Die Erde hat fünf Eigenschaften, das Wasser vier, das Feuer drei, die Luft zwei und der Raum eine.
Klang, Berührung, Form, Duft und Geschmack sind die fünf Eigenschaften der Erde.
Klang, Berührung, Form und Geschmack gehören zum Wasser, oh enthaltsamer Brahmane.
Klang, Berührung und Form bilden die drei Eigenschaften des Feuers.
Die Luft hat zwei Eigenschaften: Klang und Berührung.
Und der Raum hat als Eigenschaft den Klang.

Diese fünfzehn Eigenschaften wohnen den fünf Elementen inne und existieren in allen Substanzen, aus denen das Universum zusammengesetzt ist. Sie stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern gehen angemessene Verbindungen ein, oh Brahmane.

Tīkā:
Die Erklärung dafür findet man im Ersten Teil der Schöpfung: Bausteine der Materiellen Natur
 

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Kapitel 211 – 2 Der Vogelfänger über die materielle Elemente


So existieren die fünf Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum) , aus denen alles Belebte und Unbelebte in der Welt zusammengesetzt ist. Was die Sinne wahrnehmen können, wird Vyakta genannt (erkennbar, verständlich). Und was jenseits davon liegt und nur erraten werden kann, wird Avyakta genannt.

Wenn sich jemand in die Disziplin der Selbstverwirklichung vertieft,
nachdem er seine, in den äußerlichen Dingen schwelgenden Sinne gezügelt hat,
dann schaut er seinen eigenen, das Universum durchdringenden Geist
und wie das Universum in ihm selbst reflektiert wird.

Doch solange man mit seinem angesammelten Karma verbunden ist,
kann man nur die äußerliche Wirklichkeit (die Objektivität) seiner Seele erkennen,
mag man auch in höchster spiritueller Weisheit gelehrt sein.
 

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Kapitel 211 – 3 Der Vogelfänger über die materielle Elemente

Derjenige, dessen Seele niemals von den objektiven Bedingungen um ihn herum beeinflusst wird,
ist aufgrund seiner Absorption in der elementaren spirituellen Energie - Brahma niemals von Krankheiten betroffen.

Wenn ein Mensch die Herrschaft der Illusion überwunden hat,
wenden sich seine menschlichen Tugenden, die aus der Essenz der spirituellen Weisheit bestehen,
der spirituellen Erleuchtung zu, die die Intelligenz der fühlenden Wesen erhellt.

Ein solcher Mensch wird vom allmächtigen, intelligenten Soul als einer bezeichnet,
der ohne Anfang und ohne Ende (ewig - spirituell) ist,
selbst existierend, unveränderlich, unkörperlich und unvergleichlich.

Dies, oh Brahmane, was du von mir erfragt hast, ist nur das Ergebnis von Selbstdisziplin.
Und diese Selbstdisziplin kann nur durch die Unterwerfung der Sinne erlangt werden.
Es kann nicht anders sein, Himmel und Hölle sind beide von unseren Sinnen abhängig.
 

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Kapitel 211 – 4 Der Vogelfänger über die materielle Elemente

Wenn die Sinne unterworfen werden, führen sie in den Himmel;
wenn man ihnen nachgibt, führen sie ins Verderben.
Diese Unterwerfung der Sinne ist das höchste Mittel, um das spirituelle Licht zu erlangen.

Unsere Sinne sind die (Ursache) für unseren spirituellen Fortschritt, aber auch für unseren spirituellen Verfall.
Indem der Mensch ihnen frönt, zieht er sich zweifellos Laster zu,
und indem er diese unterdrückt, erlangt er Erlösung (aus der Knechtschaft der materiellen Illusion).
 

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Kapitel 211 – 5 Der Vogelfänger über die materielle Elemente

Der Mensch, der sich selbst beherrscht und die sechs seiner Natur innewohnenden Sinne beherrscht,
wird niemals mit Sünde befleckt, und folglich haben
die Erscheinungsweisen der Leidenschaft (Rāja guṇa) und Unwissenheit (Tama guṇa) keine Macht über ihn.

Der grobstoffliche Körper des Menschen ist mit einem Wagen verglichen worden,
sein Geist mit den Zügeln und seine Sinne mit Pferden.
Ein geschickter Mensch fährt ohne Verwirrung umher, wie ein ruhiger Wagenlenker mit gut erzogenen Pferden.
Dieser Mann ist ein ausgezeichneter Kutscher, der es versteht, die Zügel dieser wilden Pferde - die sechs Sinne, die zu unserer Natur gehören - geduldig zu führen.

Kommentar:
In Śrīmad Bhāgavatam Kanto 2, Kapitel 5 wird gesagt:

Oh Meister, es wurde somit gesagt - prabho iti prokto
das dieses Falsche Ego (Urprinzip der Materiellen Natur aus dem vorigen Vers) - saḥ ahańkāraḥ
umgewandelt wurde
und auf drei Art und Weise manifestiert: - tridhā samabhūt vikurvan
Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit - vaikārikaḥ taijasaḥ ca tāmasaḥ
und folgenderweise gesondert: - ca iti yat bhidā
die Energie der grobstofflichen Körper (entspricht der Unwissenheit) -dravya-śaktiḥ
die Energie der Schöpfung (entspricht der Leidenschaft) -kriyā-śaktiḥ
die Energie des Wissens (entspricht dem Tugend)- jñāna-śaktiḥ
 
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Kapitel 211 – 5 siehe oben


Kommentar:
Die Beziehung zwischen Seele, Intelligenz, Geist, Körper und Sinne wird viel treffender in
Katha Upanisad 1.3.3-4 beschrieben:

ātmānam rathinaḿ viddhi zariraḿ ratham eva ca buddhiḿ tu sārathiḿ viddhi manaḥ pragraham
eva ca indriyāńi hayā āhur viṣayāḿs teṣu go carān ātmendriya mano yuktaḿ bhoktety āhur manīṣińaḥ

Wisse, dass die Seele der Reisende ist - viddhi ātmānam rathinaḿ
(welche) im Körper wie in einem Vehikel (sitzt) - śariram eva ca ratham

Wisse aber, dass die Intelligenz die Entscheidungen trifft - tu viddhi buddhiḿ sārathiḿ
und sicherlich der Geist der Zügel ist. - ca eva manaḥ pragraham

Die Sinne sind die Pferde, die Genuss kosten wollen - indriyāńi hayā āhur viṣayāḿs teṣu go carān
Auf diese Weise geniesst die Seele, welche mit den Sinnen und dem Geist beschäftigt ist (sich identifiziert) - iti bhokta Atma yuktaM indriya mano

Lass die Weisen gelobt sein! - manīṣińaḥ āhur
 
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